
Das fängt gut an. Mit Blumenkränzen für die Besucher, einer Willkommenszeremonie namens „Putong“ und Musik auf philippinischen Saiteninstrumenten, die spanische Traditionen aufklingen lässt, öffnet sich der Pavillon im Forum 1 der Buchmesse. Der diesjährige Ehrengast, die Philippinen, legt viel Wert darauf, mit der vielfältigen und in Europa noch weitgehend unbekannten Kultur des Inselreichs bekannt zu machen. Weshalb man den Ruf „Mabuhay!“, was man früher mit „Vivat!“ übersetzt hätte, öfter hören wird bis zum Buchmesse-Sonntag.
Der Kontrast allerdings könnte nicht größer sein. Die Gestaltung des Ehrengast-Pavillons ist regelrecht karg geraten, nicht nur im Vergleich zu dem Bombast des vergangenen Jahres, als Italien eine Piazza nachgebaut und Schätze aus Pompeji gezeigt hatte. Sechs „Inseln“ aus Holz und Stahl, auf deren Dachsegeln rätselhafte Videoloops von Augen, Gehhilfen und Drachensteigen laufen, die Gary-Ross Pastrana als Auftragswerke gestaltet hat.
Dazwischen einige Sitzgelegenheiten, die an traditionelle Rattan- und Rohr-Techniken anknüpfen und vage an Versammlungsorte unterschiedlicher Ethnien erinnern sollen. Der Rest ist offene Fläche. Kurator Patrick Flores wollte auf keinen Fall mit üppiger Buntheit irgendwelche Philippinen-Klischees bedienen. Das ist ihm beinahe schon zu gut gelungen. Man steht erst einmal ausgesprochen ernüchtert in der überaus zurückgenommenen Architektur von Stanley Ruiz.

Der erste Eindruck des Pavillons allerdings täuscht. Leichtigkeit, Luft und Raum für Imagination sei das Ziel gewesen, hieß es – passend zum Motto „The Imagination Peoples the Air“. Das Motto ist ein Zitat aus „Noli me tangere“, dem Roman des als Volksheld verehrten Antikolonialisten José Rizal (1861 bis 1896), der für seine Unabhängigkeitsbestrebungen von der spanischen Kolonialregierung hingerichtet wurde. Ein Land, das einen Schriftsteller als Helden verehrt, hat dann doch mehr zu bieten als die übliche Ausstellung der übersetzten Titel, die von der Buchmesse selbst bestückt wird. Zu sehen ist die philippinische Verlagsproduktion der vergangenen 100 Jahre, extra eingeflogen, zusammen mit einem erläuternden Video. Es gibt knapp gehalten Kultur und Geschichte, und natürlich ist eine Insel José Rizal gewidmet. Den Roman über ihn, „Wilhelm Tell in Manila“ von Annette Hug, die durch den Gastland-Auftritt zu einer wertvollen deutschsprachigen Vermittlerin geworden ist, gibt es derzeit in der ARD-Audiothek als Hörbuch.
Es geht um Vermittlung
Vor allem aber geht es dem Ehrengast um Dialog und Begegnung. Die vielen jungen Leute, auch erkennbar an dem einen oder anderen traditionell bestickten oder geschnittenen Kleidungsstück über dem ansonsten im Urban Chic gehaltenen Outfit, beantworten im Forum 1 jede Frage, vermitteln Ansprechpartner, erklären und versprühen große Begeisterung für die Kultur ihres vielschichtigen Landes. Das Programm ist reichhaltig. Neben zwei Bühnen im Forum 1 ist es der Philippinische Gemeinschaftsstand in Halle 5.1., der Autoren, Filmemacher, bildende Künstler und Comiczeichner zu Wort kommen lässt. Die Friedensnobelpreisträgerin von 2021, die Investigativjournalistin Maria Ressa, ist ebenso zu Gast wie zahlreiche „Nationalkünstler“, zur Eröffnung ist „National Living Treasure“ Rosie Sula mit traditionellem Gesang dabei, mindestens vier Events, Vorführungen, Diskussionen gibt es stündlich.
So ist auch der zentrale Auftritt auf der Buchmesse ein Raum für Vermittlung. „Education“, sagt Karina Bolasco, die Leiterin des Literaturprogramms, sogar. Sie gilt nicht nur nicht-philippinischem Publikum, sondern auch den Migranten und, ausdrücklich, Filipinos der zweiten Generation, die kaum Kontakt zur Heimat ihrer Eltern haben. Auch im Land selbst, erläutert Charisse Aquino-Tugade, die Buchfestivals noch in den entlegensten Inselgruppen organisiert, wird mit zunehmendem Erfolg viel Wert auf die Vermittlung der eigenen Kultur jenseits der spanisch-amerikanischen Kolonialgeschichte gelegt. Diese Expertise dürfte auch hierzulande greifen. Weshalb weit über den Messe-Sonntag und das Messegelände hinaus Filme, bildende Kunst und Lesungen philippinischer Künstler zu erleben sind, in den Museen, Büchereien und Galerien Frankfurts. Alle Termine versammelt die Internetseite.