Frankfurter Bahnhofsviertel: Mieter müssen Suchthilfezentrum weichen

Sie haben viel Arbeit in das Dachgeschoss gesteckt, in dem sich die Bürogemeinschaft befindet. Sechs Parteien arbeiten auf rund 280 Quadratmetern direkt unter dem Dach im Gebäude Niddastraße 76 in Frankfurt. Erst im vergangenen Jahr seien die Arbeiten am letzten Bauabschnitt abgeschlossen worden, sagen die beiden Vertreter der Bürogemeinschaft, Marc Herbst und Paale Lüdcke. Doch sie können nicht bleiben: Aus dem Gebäude, das außerdem noch ein Yoga-Studio beherbergt, soll das „Neue Frankfurter Sucht­hilfezentrum“ entstehen. Nächstes Jahr soll es eröffnen.

Die Pläne der Stadt habe die Büro­gemeinschaft, die aus Architekten, Gra­fikern und Fotografen besteht, Anfang April aus der Presse erfahren. „Da waren wir schon vor den Kopf gestoßen“, sagt Herbst. „Wir waren sicher, dass wir noch mindestens zehn Jahre hier bleiben können.“ Dieses Gefühl halte auch jetzt, ein halbes Jahr später, noch an.

Stadt will Mieter unterstützen

Die Bürogemeinschaft arbeite selbst oft für soziale Projekte der Stadt und habe dem Suchthilfezentrum nicht im Weg stehen wollen. „Wir kennen die Situation hier im Viertel schon lange“, sagt Lüdcke. Die Idee des Zentrums finde er gut, auch den Standort an der Niddastraße finde er „gar nicht so schlecht“. Einen perfekten Standort gebe es nicht, beschweren werde sich immer jemand, sagt er.

Also haben die Mieter mit dem damaligen Eigentümer der Immobilie einen Aufhebungsvertrag verhandelt. Parallel zu den Verhandlungen habe die Bürogemeinschaft dann aus Presseberichten erfahren, dass die Stadt die Mieter bei der Suche nach passenden Ersatzräumen unterstützen wolle.

Keine Gedanken um Bedürfnisse der Mieter gemacht

Weil sich Herbst und Lüdcke von der Stadt „vergessen“ fühlten, hatten sie die zuständige Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) Ende Juni in ihre Räume an der Niddastraße eingeladen. Erst Anfang September sei es dann auch zu einem Gespräch gekommen. „Wegen der bestehenden Besitz- und Eigentumsverhältnisse“ sei ein früheres Treffen rechtlich nicht möglich gewesen, sagt ein Sprecher Voitls.

Aber bereits im Juli habe die Stadt dem ehemaligen Hauseigentümer fünf mög­liche Ausweichimmobilien für die Bürogemeinschaft vorgeschlagen. Das Gespräch im September sei „vertrauensvoll und konstruktiv“ verlaufen, so der Sprecher weiter. Voitl habe der Bürogemeinschaft auch eine Ansprechperson für das weitere Vorgehen benannt.

Lüdcke zufolge ist der Stadt erst während des Gesprächs klar geworden, dass die Bürogemeinschaft aus mehreren Parteien bestehe und eine größere Fläche benötige. Er und Herbst hätten das Gefühl, es habe sich niemand Gedanken darum gemacht, wer die Mieter seien und was sie bräuchten – als sei es der Stadt egal, dass die Bürogemeinschaft „ernsthaftes Business betreibt und damit auch ihre Familien ernährt“. Dabei solle es doch im Interesse der Stadt liegen, dass das aufrechterhalten werde, so Herbst.

Während des Gesprächs habe Voitl wiederholt, dass ihnen „aktiv dabei geholfen wird, eine neue Fläche zu finden“, sagt Herbst. Im Nachgang habe die Stadt dann Links zu Angeboten auf der Plattform Immoscout24 an die Bürogemeinschaft geschickt. Herbst findet: „So sieht keine ak­tive Unterstützung aus.“ Nach Angaben des Dezernats wurden ihnen im September und Oktober weitere neun Flächen direkt vorgeschlagen, darunter auch eine Im­mobilie, die der Stadt gehört.

Der Bürogemeinschaft gehe es nicht darum, sich auf eine Seite zu stellen, sagen die beiden Sprecher. Sie beklagen aber, dass die Stadt keine Initiative zeige. Sie fühlten sich „irrelevant und hilflos“. Im März 2026 müssen sie die Räumlichkeiten an der Niddastraße verlassen, noch in diesem Jahr müssen sie also eine neue Bleibe finden. „Wir hoffen, dass sich die Stadt klar positioniert und mit uns konstruktive Lösungen erarbeitet“, sagt Herbst. Doch so langsam manifestiere sich der Eindruck, dass das nicht mehr geschehe. So bleibe das Gefühl von Enttäuschung und Traurigkeit.