
Weil er im Januar dieses Jahres an der Frankfurter S-Bahn-Station Hauptwache eine Frau in das Gleisbett gestoßen hat, muss sich ein Mann seit Mittwoch vor dem Landgericht Frankfurt wegen versuchten Mordes verantworten. Weil die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass der Neununddreißigjährige aufgrund einer paranoiden Schizophrenie im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat, geht es in dem Prozess um eine mögliche Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie.
Auf Aufnahmen einer Überwachungskamera, die vor Gericht gezeigt wurden, ist zu sehen, wie der Mann am Vormittag des 2. Januar zunächst am Gleis 3 an der Frau vorbeigeht. Er dreht nach wenigen Metern um und schubst sie unvermittelt von hinten mit beiden Händen auf die Gleise.
Die Frau steht sofort auf und kann in wenigen Sekunden wieder auf das Gleisbett klettern. Einige der umstehenden Passanten laufen zu ihr, andere wiederum verfolgen den Beschuldigten. Zu sehen ist auch eine S-Bahn, die etwa 25 Meter vor der Frau zum Stehen kommt.
S-Bahn fuhr an diesem Tag langsamer als sonst
„Solche Sachen vergisst man nicht“, sagt die 38 Jahre alte Frau am Mittwoch weinend vor Gericht. Sie sei danach emotional „fix und fertig“ gewesen, habe auch heute vor allem mit den psychischen Folgen zu kämpfen. So müsse sie jeden Tag mit der S-Bahn zur Arbeit nach Offenbach fahren, was ihr schwerfalle. Neben den psychischen Folgen hat die Frau durch den Sturz auch ihren Hörnerv geschädigt und einen stark ausgeprägten Tinnitus, wie sie selbst aussagt.
Dass die Frau an dem Tag überlebt hat, sei „pures Glück“, sagte der Fahrer der S-Bahn. Die meisten Opfer sterben ihm zufolge, weil sie es nicht rechtzeitig schaffen, sich auf das Gleisbett wieder hochzuziehen. Normalerweise führe er mit deutlich höherer Geschwindigkeit in die Stationen ein. In diesem Fall habe allerdings die vorausfahrende Bahn Verspätung gehabt, und deswegen habe er kurzzeitig anhalten müssen.
Die Tat tue ihm „unendlich leid“
Laut seinem Verteidiger leidet der Beschuldigte seit seinem 23. Lebensjahr an der psychischen Krankheit. Besonders schlimm sei es geworden, nachdem er mit dem Konsum von Cannabis begonnen habe. Dies habe bei ihm Psychosen ausgelöst. Zuvor sei sein Leben unauffällig verlaufen, er habe Abitur gemacht und mit dem Studium begonnen, dieses aber nicht abgeschlossen.
„Er hat vor der Krankheit selber Angst und findet es ganz, ganz schlimm, dass er unter ihr leidet.“ Die Tat tue ihm „unendlich leid“. Der Mann, der bis zu der Tat ein Jahr lang obdachlos war, habe versucht, sich aufgrund der zunehmenden Symptome Hilfe zu holen, dies aber aufgrund seines Zustands nicht geschafft.
Eine psychiatrische Sachverständige berichtet in dem Prozess, dass er mehrfach behauptet habe, die Frau habe ihn zuvor beleidigt. Auf Grundlage seiner Aussagen und seines Verhaltens in der Psychiatrie, in die er seit dem Tag nach der Tat untergebracht ist, kommt sie zu dem Schluss: Die Einsichtsfähigkeit des Mannes war zum Zeitpunkt der Tat aufgehoben. „Die Schizophrenie hat sein ganzes Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst.“
Der Prozess wird fortgesetzt. Nach aktueller Planung soll bereits am Donnerstag ein Urteil verkündet werden.