Frankfurt plant Zuschlag für Erzieher: Ist das ungerecht?

Mithilfe einer Arbeitsmarktzulage von 200 Euro im Monat will die Stadt Frankfurt mehr Erzieher gewinnen und die Personalnöte in den Kitas lösen. Begründet wird der Gehaltszuschlag damit, dass die Lebenshaltungskosten in Frankfurt besonders hoch seien. Mit dem Zuschlag werde Frankfurt als Arbeits- und Wohnort für Erzieher attraktiver, sagte Bildungsdezernentin Sylvia Weber, die die Pläne am Mittwoch gemeinsam mit Oberbürgermeister Mike Josef (beide SPD) in einer Kita im Stadtteil Bornheim vorstellte. Durch mehr Personal sollen auch die Öffnungszeiten zuverlässiger werden. „Berufstätige Eltern wissen, wie wichtig es ist, sich auf die Kita verlassen zu können“, sagte Josef.

Der Zuschlag gilt auch für das Kita-Personal der freien Träger. Außer den Erziehern sollen auch andere Beschäftigte in den Kitas besser bezahlt werden: Hauswirtschaftliches Personal und Hilfskräfte bekommen einen Zuschlag von 100 Euro. Nachwuchskräfte erhalten nach Abschluss ihrer staatlichen Anerkennung eine einmalige Prämie von 400 Euro. Weber zufolge profitieren rund 10.000 Personen von der Zulage. „Das ist keine Kleinigkeit.“ Zehn Prozent der Plätze in den Kitas könnten derzeit nicht belegt werden, weil Personal fehle. „Die Situation ist dramatisch und wird sich weiter zuspitzen.“ Trotz rückläufiger Geburtenzahlen habe sich der Fachkräftemangel noch nicht entspannt.

Weber: Wir haben positive Signale aus der Opposition

Die Arbeitsmarktzulage ist auch im Haushaltsentwurf enthalten und soll die Stadt jährlich 25 Millionen Euro kosten. Nach fünf Jahren soll evaluiert werden, ob der Gehaltszuschlag tatsächlich den gewünschten Effekt hatte. Eigentlich sollte auch Kämmerer Bastian Berger­hoff (Die Grünen) die Pläne im Kinderzentrum an der Rendeler Straße präsentieren. Doch er sei aus terminlichen Gründen verhindert gewesen, hieß es. Weber legte aber Wert darauf, dass es sich um eine gemeinsame Magistratsvorlage von ihr und Bergerhoff handele. Mit welcher Mehrheit sie in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden soll, ist noch offen. Dazu liefen noch Gespräche: „Wir haben positive Signale aus der Opposition“, sagte Weber.

Der Oberbürgermeister machte deutlich, dass er seine Zustimmung zum Haushalt davon abhängig macht, dass der Erzieherzuschlag kommt. „Ob der Haushalt jetzt verabschiedet wird oder später – der Erzieherzuschlag wird enthalten sein. Sonst werde ich dem Haushalt nicht zustimmen“, sagte Josef. Er fühle sich auch persönlich an dieses Versprechen gebunden. „Mit dieser Zulage zeigen wir, was uns die Erzieherinnen und andere Beschäftigte in den Kitas wert sind.“

Josef und Weber gingen auch auf die Kritik der Sozialverbände ein, die eine Zulage für eine einzelne Berufsgruppe für ungerecht halten. „Wir sollten nicht in einer guten Sache das Schlechte suchen“, sagte Josef. Die kommunalen Arbeitgeberverbände ermöglichten es den Kommunen, in Mangelberufen Zulagen zu zahlen, sagte Weber. Das werde auch in anderen Fällen schon so gehandhabt. Beispielsweise sei auf Initiative der Sozialdezernentin Elke Voitl (Die Grünen) eine Gehaltszulage für Ärzte im Gesundheitsamt gewährt worden. Laut Josef plant Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Die Grünen) eine höhere Besoldung der Verkehrspolizei. Man werde diesen Weg also auch in anderen Berufsgruppen gehen. „Wenn es nicht alle bekommen, soll es keiner haben? Das ist nicht fair“, sagte Josef.

Sozialverbände finden Arbeitsmarktzulage ungerecht

Die großen Sozialverbände, die sich in der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Frankfurt zusammengeschlossen haben, halten die Arbeitsmarktzulage für ungerecht, denn in anderen sozialen Berufen verdiene man ähnlich wenig (siehe Grafik). Ihr Vorsitzender, der Diakoniepfarrer Markus Eisele, erneuert im Gespräch mit der F.A.Z. die Kritik. „Das ist keine Neiddebatte, sondern eine Frage der Gerechtigkeit zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen.“ Mitarbeiter in der Behindertenhilfe, im Rettungsdienst und in anderen sozialen Berufen seien ebenso unverzichtbar und hätten auch eine Arbeitsmarktzulage verdient. Sie fragten sich nun: „Warum sind wir hier vergessen worden? Ist unsere Arbeit nicht ebenso wichtig und verantwortungsvoll?“

Eisele meint, dass die selektive Förderung einzelner Berufe ein hohes Spaltungspotential habe und fordert stattdessen eine Großstadtzulage für alle sozialen Berufe, um die hohen Lebenshaltungskosten auszugleichen. „Die Wohnkosten sind hier viel höher als im Vogelsbergkreis. Wenn man das nur für eine Berufsgruppe macht, bekommt das eine Schieflage. Das bringt eine Unwucht in das Tarifgefüge.“ Hinzu komme, dass einige freie Kita-Träger, deren Beschäftigte in Frankfurt von der Zulage profitieren sollen, auch Einrichtungen in Nachbarkommunen betreiben. Das gelte auch für die Diakonie: „Wir haben Kitas in Frankfurt und Offenbach. Ist die Tätigkeit in Offenbach weniger wert?“

Frankfurt hofft, mit der Arbeitsmarktzulage mehr Erzieher gewinnen und halten zu können. Diese Lenkungswirkung beurteilt Eisele kritisch. Bei der Diakonie verdiene eine Erzieherin etwa 3900 Euro brutto. Von dem Gehaltszuschlag blieben nach Versteuerung etwa 100 Euro übrig. „Ich bin skeptisch, ob jemand aus Gießen einpendelt, weil er 100 Euro mehr verdient.“ Eisele kritisiert auch, dass die Stadt nicht vorab das Gespräch mit den Verbänden gesucht hat. Die Verbände wollen den Zuschlag allerdings nicht verhindern. „Aber wir wollen für ein Pro­blem sensibilisieren“, sagte Eisele.