Frankfurt-Marathon 2025: Wie Pacemaker Läufer zur Traumzeit bringen

Im Ziel erhält Torsten Lang Vietzke den schönsten Dank für 42,195 Kilometer Arbeit. Ein Abklatschen, eine angedeutete Umarmung. „Danke Torsten!“, ruft ihm Bernhard Pleßberger zu. „Du hast einen tollen Job gemacht.“ Lang Vietzke war so etwas wie der Zug, mit dem Pleßberger die Strecke des 42. Frankfurt-Marathon bewältigt hat. Vor dem Start hat er ihn gesucht und durch eine Fahne gefunden, auf der die Zahlenfolge 3:59:00 stand. Sie steht dafür, dass Lang Vietzke als „Pacemaker“ in ziemlich genau dieser Zeit das Ziel erreicht.

Jene unter den über 13.000 Marathonis, die ihre Bestzeit unter die Vier-Stunden-Marke, eine Schallmauer für Hobbysportler, drücken wollen, sollten dem 49 Jahre alten Bamberger folgen. 20 Marathons ist er selbst bereits gelaufen, zum vierten Mal ist er Tempomacher, in Frankfurt geht er erstmals in dieser Funktion auf die Straße.

Lang Vietzke läuft wie ein Uhrwerk, wie das Live-Tracking des Veranstalters beweist. Fünf Kilometer bewältigt er konstant in knapp über 28 Minuten, auf der Schweizer Straße prüft er entspannt mit einem Schulterblick, wie die Schar von gut 40 Läufern folgt. „Das ist ein gutes Gefühl“, sagt er. Nach 3:58:39 kommt der bei Siemens tätige Jurist ins Ziel, das in Frankfurt „einzigartig sei wegen des Einlaufs in der Festhalle“ unter stroboskopartigem Scheinwerferlicht. In seinem Gefolge befindet sich ein Oberbürgermeister. „Er hat mich bei Kilometer 39 überholt, da wusste ich, dass ich noch ein bisschen was tun muss“, sagt Thomas Nitzsche, Stadtoberhaupt von Jena. „Torsten hat mich ins Ziel getragen.“

Führt seine Gruppe unter vier Stunden ins Ziel: Pacemaker Torsten Lang Vietzke beim Frankfurt-Marathon 2025.
Führt seine Gruppe unter vier Stunden ins Ziel: Pacemaker Torsten Lang Vietzke beim Frankfurt-Marathon 2025.Wonge Bergmann

Anders als die „Hasen“ genannten Tempomacher, die die Siegläufer zu Rekordzeiten treiben sollen, kriegen Pacemaker wie Lang Vietzke kein Geld für ihren Job. Das Startgeld wird ihnen erlassen, sie erhalten neben Shirt und Laufhose auch ein Paar Laufschuhe. „Darum geht es uns aber nicht“, sagt Sebastian Apfelbacher, der eine Stunde schneller ins Ziel kommt als sein Pacemaker-Kollege. Er hatte die Aufgabe übernommen, Läufer unter die Grenze von drei Stunden zu bringen.

Auf dem Rücken seines Laufshirts steht entsprechend 2:59:00, was psychologisch motivierender wirken soll als „sub 3:00:00“, wie es bei anderen Marathons üblich ist. „Wir alle machen das, um anderen eine Freude zu bereiten, ich persönlich genieße aber auch, dass man als Tempomacher wahrgenommen wird in der Läufermenge.“

Prominenter Gefolgsmann: Jenas Oberbürgermeister Jens Nitsche (links) hat sich von Torsten Lang Vietzke ins Ziel führen lassen.
Prominenter Gefolgsmann: Jenas Oberbürgermeister Jens Nitsche (links) hat sich von Torsten Lang Vietzke ins Ziel führen lassen.Wonge Bergmann

Der 46 Jahre alte Läufer aus Dettelbach bei Würzburg ist ein Routinier. Er ist schon 150 Marathons gelaufen, mittlerweile läuft er bis zu zehn mal pro Jahr als Pacemaker für andere. Er selbst kann unter 2:40 Stunden laufen, ohne Vorbereitung stets die Drei-Stundemarke unterbieten. Entsprechend hat er das Gefühl dafür, wie er eine Gruppe zur Wunschzeit führt. „Heute habe ich am Anfang ein bisschen Tempo gemacht, weil der starke Wind später hätte bremsend wirken können“, sagt er. „Aber es ging dann doch ganz gut.“ Auch deswegen sei er mit seiner Gruppe bei 2:58:50 sogar ein wenig zu früh im Ziel gewesen.

Erschwerend für die Mitläufer kam hinzu, dass Apfelbacher wie alle anderen Tempomacher auf die Fahne auf dem Rücken verzichten musste. Wegen des Windes ordneten die Veranstalter an, sie nach dem Startschuss abzugeben. Apfelbacher war somit nicht so gut zu erkennen in der Läufermenge, selbst die Gefolgschaft hatte Schwierigkeiten, ihn zu finden.

Von wegen Quälerei: Dieser Läufer aus Mexiko hat seinen Spaß.
Von wegen Quälerei: Dieser Läufer aus Mexiko hat seinen Spaß.Wonge Bergmann

Thiemo Quanz haderte damit ein wenig, es habe ihn dann doch immer ein wenig verunsichert, wenn er seinen Vorläufer aus den Augen verloren habe. Dass er seine Traumzeit am Ende um gut vier Minuten verfehlt hat, führt er aber nicht darauf zurück. „Bei Kilometer 32 habe ich den Anschluss verloren“, sagt er. „Aber es war dennoch eine tolle Erfahrung und die Tempomacher sind eine große Hilfe.“

Apfelbacher hatte bemerkt, dass Quanz den Anschluss verlor. „Wir können natürlich immer mal motivieren, gute Laune in der Gruppe verursachen. Wir können auch auf Verpflegung hinweisen und unsere Läufer da ein bisschen beraten“, sagt er. „Aber wenn einer abfällt, können wir keine Rücksicht nehmen, da müssen wir jedes Mitgefühl ausschalten.“ Meist bekomme er es auch gar nicht wirklich mit, weil die Mitläufer einen „leisen Tod“ stürben, wie es in der Läufersprache heißt. Stattdessen sähen Pacemaker die Freude, wenn das persönliche Ziel erreicht sei.

Zeitenjagd: Eine Läuferin eilt in Riesenschritten über die Alte Brücke.
Zeitenjagd: Eine Läuferin eilt in Riesenschritten über die Alte Brücke.Wonge Bergmann

Kurioserweise könnte demnächst der eine Tempomacher dem anderen diesen Dienst erweisen. Lang Vietzke will bei der Deutschen Meisterschaft 2026 seine Bestzeit von 3:02 Stunden verbessern und die Drei-Stundenmarke knacken. Apfelbacher muss sich noch entscheiden, ob er an jenem Sonntag in Hannover oder doch in Zürich läuft. In Frankfurt haben sich die beiden schon einmal kurz über die mögliche Zusammenarbeit unterhalten. Dass sie gelingen würde, dürfte bei so viel beiderseitigem Zeitgefühl außer Frage stehen.