
Der Sozialismus siegt. Nur nicht über den Berliner Dom. Selbst die sozialistischen Gewährsleute Marx, Engels und Lenin sind da machtlos. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, traute sich SED-Chef Walter Ulbricht nicht, Berlins bedeutendsten Kirchenbau zu schleifen.
Das Stadtschloss war 1958, als diese Aufnahme entstand, dagegen schon gesprengt. An seiner Stelle wurde am Marx-Engels-Platz die Tribüne errichtet, an der die Massen am 1. Mai der Staats- und Parteiführung huldigten. Den Rest des Jahres wirkte die Tribüne bis zum Bau des Palastes der Republik irgendwie lost. Es ist ein trauriger Sozialismus, der da siegt. Nicht einmal der Mopedfahrer, der Richtung Zeughaus knattert, würdigt das Banner eines Blickes.
13 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reist der damals 18-Jährige Werner Droste mit der „Ost West AG“ seines Gymnasiums in Gelsenkirchen nach Berlin. Er findet eine Stadt vor, in der die Spuren des Krieges noch allgegenwärtig sind, die gleichzeitig aber auch nach vorne schaut. Die Häuserzeile rechts der Gedächtniskirche ist noch unbewohnbar, gegenüber sind jedoch Geschäfte eingezogen. Die davor parkenden Autos verkünden die frohe Botschaft, dass das Wirtschaftswunder auch in Westberlin angekommen ist. Und ein wenig Farbe in die sonst noch so graue Stadt bringt.
Foto:
Werner Droste/buerokleinschmidt
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Werner Droste/buerokleinschmidt
Farbe gibt es auch im Osten, auch wenn sie nicht selten politische Botschaften untermalt. Am Bahnhof Alexanderplatz hängt ein Banner mit der Losung „Für den gemeinsamen Kampf und die Solidarität der Berliner Arbeiter mit den arabischen Völkern“. An anderer Stelle droht die Nato dem Land mit „Atomtod“.
Die farbigen Aufnahmen von Werner Droste waren zu dieser Zeit keine Selbstverständlichkeit, erzählt Oliver Kleinschmidt. Kleinschmidt hat die Fotografien, die noch bis zum 11. April in der Galerie der Buchhandlung Golda ausgestellt werden, im Nachlass seines Stiefvaters in einem Heizungskeller entdeckt. Aufgenommen wurden sie mit einer Leica Kamera mit Kleinbild-Dia-Farbfilm. Die besondere Plastizität der Aufnahmen, ihre fast surreale Räumlichkeit, ist das Ergebnis einer lithografischen Umwandlung der Kleinbild-Farbdias in Farbdrucke.
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Werner Droste/buerokleinschmidt
Anlass für den Besuch der Ost West AG im Ostteil der Stadt ist ein Sportfest im Thälmann-Park. Dort treffen die Gymnasiasten auch eine Gruppe jüngerer Ostberliner Schülerinnen und Schüler. Einen „staunenden Beobachter“ nennt Kleinschmidt seinen 1940 geborenen Stiefvater, der 2020 starb. Trotz der fotografierten Losungen wirken die Aufnahmen nicht ideologisch. Eine Seltenheit im Berlin des Kalten Krieges. Vielleicht brauchte es dafür auch den Blick von außen.
Drei Jahre später, da ist er schon Student, kehrt Werner Droste nach Berlin zurück. Vor allem der Bau der Mauer fasziniert den jungen Hobbyfotografen, der schon mit 17 einen Fotokurs bei seinem Onkel bei LeFotica gemacht hat. An der Bernauer, Ecke Gartenstraße fängt er die Szene ein, in der ein Bagger Platz schaufelt für einen neuen Mauerabschnitt. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht eine Gruppe Westberliner und beobachtet die Szenerie mit einer neugierigen Gelassenheit, die einen im Nachhinein staunen macht.
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Werner Droste/buerokleinschmidt
Von der aufgeheizten Stimmung dieser Tage des Mauerbaus im August 1961 zeugt nur die Reihe von VW-Bussen mit aufmontierten Lautsprechern. Die Busse gehören zum sogenannten „Studio am Stacheldraht“, mit dem der Westberliner Innensenator politische Botschaften Richtung Osten schickt. Es ist der Beginn des „Berliner Lautsprecherkriegs“, der bis zum Oktober 1965 dauern wird.
Mit dem Mauerbau wird Berlin endgültig zur geteilten Stadt. Im Westen kehrt man der Mauer den Rücken und feiert, was soll man auch tun, das Lebensgefühl einer Insel der Freiheit. Von den Ruinen rund um die Gedächtniskirche ist auf einer Aufnahme Drostes von 1961 nichts mehr zu sehen. Westberlin brummt.
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Werner Droste/buerokleinschmidt
Ost-West-AG. Fotoausstellung in der Buchhandlung Golda, noch bis zum 11. April 2025. Anklamer Straße 39 in Mitte