
Forderungen nach dem Urteil
Soli kann bleiben – doch sollte er trotzdem weg?
26.03.2025, 12:02 Uhr
Artikel anhören
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden
Der Soli kann bleiben, entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Doch nach Meinung vieler Wirtschaftsverbände und Ökonomen sollte die kommende Regierung die Steuer abschaffen, zumindest für Unternehmen. Laut Union ist dies auch im Gespräch – von der den Grünen kommt Widerspruch.
Ökonomen und Wirtschaft dringen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf eine Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass der Zuschlag bei der Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer weiter zulässig ist. Der Bund hat weiterhin einen durch die Wiedervereinigung bedingten zusätzlichen Finanzbedarf, so das Gericht.
Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht das anders: „Der Solidaritätszuschlag ist dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nicht mehr mit den Kosten der deutschen Einheit zu rechtfertigen.“ Er ergänzte: „Soweit er Unternehmensgewinne belastet, sollte er ersatzlos abgeschafft werden.“ Bei der persönlichen Einkommensteuer und den Kapitalertragsteuern sollten bei einer Reform Entlastungen für Besser- und Hochverdienende vermieden werden, forderte Bach. Der Solidaritätszuschlag könne als „Wehrbeitrag“ zur Finanzierung der hohen Verteidigungsausgaben umgestaltet werden.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm ist ebenfalls für eine Abschaffung des Soli. Die Nürnberger Ökonomieprofessorin sagte der Funke-Mediengruppe: „Wir brauchen eine Entlastung der Unternehmen, die in großen Teilen durch den Soli belastet werden.“ Der Standort müsse attraktiver werden. Das Gericht hat den Koalitionsverhandlern die Aufgabe nicht abgenommen, stellte Grimm fest. „Sie müssen nun aushandeln, ob der Soli bleiben oder entfallen soll.“
„Die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags wäre für Unternehmen ein wichtiges Signal für spürbare Entlastungen“, sagte auch der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. „Mit einer kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags könnte die neue Bundesregierung ein wichtiges Signal für den Einstieg in eine umfassende Unternehmenssteuerreform setzen.“
Mittelstand: Geld fehlt für Investitionen
Ähnlich äußerte sich der Verband der Chemischen Industrie (VCI). „Die künftige Bundesregierung darf sich vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht abhalten lassen und mutig eine Steuerreform anpacken, bei der auch der Soli entfällt“, forderte VCI-Steuerexperte Berthold Welling. Mit Blick auf den globalen Wettbewerb sei es dringend geboten, dass die Gesamtsteuerlast der Unternehmen in Deutschland auf maximal 25 Prozent gesenkt wird. „Verfassungsrechtlich hat der Soli Bestand, doch es wäre politisch höchste Zeit, diese Abgabe abzuschaffen“, forderte auch der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik, Rainer Kirchdörfer.
Der Deutschen Mittelstands-Bund bedauerte, dass nun „für viele kleine und mittlere Unternehmen weiterhin eine erhebliche finanzielle Belastung bleibt“, wie dessen Vorstand Marc Tenbieg sagte. Rund sieben Milliarden Euro zahlten mittelständische Betriebe jährlich. „Geld, das in wirtschaftlich angespannten Zeiten dringend für Investitionen, Innovationen und Schaffung von Arbeitsplätzen benötigt wird“, fügte Tenbieg hinzu. Die dringend notwendige Steuer- und Abgabenentlastung müsse nun auf anderem Wege erfolgen.
Direkt nach Bekanntwerden der Entscheidung in Karlsruhe äußerte sich Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg in der „Rheinischen Post“ zu möglichen Entlastungen für Unternehmen. „Der Solidaritätszuschlag wurde heute für rechtlich noch zulässig erklärt. Politisch brauchen wir aber dringend eine steuerliche Entlastung von Unternehmen und Mittelstand, damit unsere Wirtschaft wieder in Schwung kommt“, sagte er. „Ob dies über eine Abschaffung des Solis und/oder eine Unternehmenssteuerreform geschieht, ist Gegenstand der Koalitionsverhandlungen“, sagte Middelberg.
Die Grünen fordern von der Union jedoch, ihre Pläne zur Abschaffung des Zuschlags im Lichte des Urteils aufzugeben. „Friedrich Merz sollte jetzt einen Schritt auf die Realität zugehen, die Steuerpläne der Union einstampfen und für eine gerechte Finanzierung unseres Gemeinwesens sorgen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch der „Rheinischen Post“. „Die SPD darf sich nicht mit Formel-Kompromissen abspeisen lassen. Ich erwarte von Union und SPD mehr Gerechtigkeit in der Steuerpolitik. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von heute ist dafür eine gute Grundlage“, sagte der Grünen-Politiker.