Finanzreform der Krankenkassen: Ran an die Tabuzonen der Gesundheitspolitik

Die neuen Vorschläge der Arbeitgeber zur Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung haben es in sich. Vor allem ihr Vorstoß, die beitragsfreie Mitversicherung nicht berufstätiger Ehepartner abzuschaffen, fällt in die Tabuzonen der Gesundheitspolitik. Doch ist gerade diese Sozialleistung doppelt problematisch: Sie belastet die Solidargemeinschaft der Beitragszahler geschätzt mit acht bis mehr als zehn Milliarden Euro jährlich. Zugleich hemmt sie die Beschäftigung, da sich die Aufnahme einer Arbeit erst von einer höheren Einkommensschwelle an für den Partner lohnt. Würde die Subvention gestrichen, hätte das doppelt positive Folgen am Arbeitsmarkt: Niedrigere Sozialabgaben machen Arbeit günstiger und fördern die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen. Zugleich stehen mehr Arbeitskräfte zur Verfügung, um die Lücken der alternden Boomer zu füllen.

Es braucht mehr Marktorientierung

Eine Debatte „ohne Tabus“ hat sich Bundesgesundheitsministerin Warken (CDU) gewünscht, als sie ihre Reformkommission ins Leben rief. Dass die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) diesen Ball beherzt aufgreift, müsste Warken begrüßen – auch wenn der CDU-Sozialflügel prompt dagegen schießt. Sein Chef Radtke disqualifiziert sich selbst für jede ernsthafte Debatte, wenn er einen qualifizierten Vorstoß reflexhaft als „unanständig und unsolidarisch“ abtut. Selbst im nicht als familienfeindlich verschrienen Österreich wird für Angehörige in der Krankenversicherung regulär ein Zusatzbeitrag verlangt. Ausnahmen gibt es, etwa für Kindererziehung. Das zeigt einen Kompromiss auf, der auch in Deutschland mehrheitsfähig sein sollte.

Die BDA regt auch die Wiedereinführung der Praxisgebühr, höhere Zuzahlungen und einen günstigeren „Basistarif“ mit begrenzteren Kassenleistungen an. Diese Vorschläge setzen ebenfalls auf Preissignale, um die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen besser zu steuern und die knappen medizinischen Ressourcen zu schonen. Ohne solch marktorientierte, aber wenig populäre Elemente wird die Reform das Ziel verfehlen, die Kassenfinanzen auf eine solide Basis zu stellen. Das sollte der Union bewusst sein, die bisher noch zu wenig sozialpolitischen Reformmut zeigt.