

Die Hermès-Filiale in Baden-Baden macht dicht. Das ist ungefähr so, als ob man in Berlin das Berghain schließen würde oder in München das Hofbräuhaus. Baden-Baden ohne Hermès ist wie Hamburg ohne Helmut Schmidt oder Frankfurt ohne Goethe. Klar, das Casino, das Alte und Neue Schloss und die Thermen sind noch da. Aber Casinos gibt es auch in Wiesbaden und in Bad Homburg, und Schlösser stehen überall rum.
Hermès aber war mit der kulturellen Textur Baden-Badens verwoben wie Seide mit einem Halstuch. Baden-Baden und Hermès: beide schick, ein wenig zu teuer und auf ihren Nimbus bedacht. Wer Hermès trägt, wirkt auf konservative Art edel und hat kein Problem damit, wenn Gucci-Fans sagen: „Ist doch langweilig, oder?“ Dasselbe gilt für Baden-Baden: Man läuft die Alleen rauf und runter, verzockt im Casino die Reisekasse und legt sich für ein paar Stunden in die Caracalla-Therme, das war’s dann aber auch schon. Und man hat kein Problem damit, wenn Berlin-Touristen sagen: „Klingt irgendwie öde.“
Die Russen ohne Seidentuch
Und schließlich die Russen. Was machen die jetzt? Hing nicht an jeder zweiten Hermès-Handtasche eine tundrische Schönheit? Hält nicht der Hermès-Gürtel mit H-Schließe, im Jargon „Honda“ genannt, so manchen Oligarchenbauch in Schach? Wo gehen die jetzt hin, nachdem 2022 schon Escada zugemacht hat? Sitzen sie traurig an der Lichtentaler Allee und lesen Turgenjew („Rauch“, kleines, feines Buch über Baden-Baden)? Oder fahren sie schnell weiter nach Wiesbaden, wo sich ihr Landsmann Dostojewski im Casino verzockte, literarisch aber Gewinne einstrich, unter anderen den wunderbaren „Spieler“-Roman? Als Russe müsste man jetzt alarmiert sein. Was kommt als Nächstes? Räumen sie die Russische Kirche leer und möblieren sie sie mit Ikea? Bauen sie die rumänisch-orthodoxe Stourdza-Kapelle ab und stellen stattdessen eine Starbucks-Filiale auf? Patriarch Kyrill I. war in dieser Sache leider nicht zu erreichen.
Das Baden-Badener Rathaus erklärte: Sobald man erfahre, dass bei einem Geschäft oder Händler Gesprächsbedarf bestehe, biete man einen persönlichen Termin an. Wie lief das im Fall von Hermès ab? Anruf bei Axel Dumas, Firmenchef aus der Hermès-Familie in sechster Generation: „Grüß Gott, Wehrle hier, was isn bei Ihne los? Mache se des Ding zu? Des hat doch viel Geld koschd!“ Dumas: „Quoi?“
Nur noch eine Stadt wie jede andere
Und wohin gehen jetzt die Angestellten der Filiale? Arbeiten die jetzt bei Bijoux Brigitte oder in den anderen neuen Läden (Barbershop, Vapes) in der Stadt? Wie verkraften das Leute, die lange Jahre in Schottland gewebte Kaschmirplaids (8600 Euro) verkauft haben? Und was sagen die Concierges im Brenners Park Hotel, wenn eine Moskowiterin fragt: „Wo kriege ich ein schönes Zaumzeug für meinen Mann? Wir gehen demnächst ins ‚Kitkat‘.“
Vielleicht hätte man vorgewarnt sein sollen: Eine Stadt, die Sylvie Meis zur Markenbotschafterin ihres Casinos macht, des ältesten in Europa, und sie im Stil von Marlene Dietrich ablichtet, schreckt vor nichts zurück. Auch nicht vor der Preisgabe einer Kulturressource.
Baden-Baden steht jetzt sogar hinter Kampen (Sylt) zurück. In Kampen gibt es eine Hermès-Filiale, und selbst die gibt nicht auf – Nazigruß-Touristen hin oder her. Deshalb ein Appell an die Leute im Rathaus: Verkauft die Kunsthalle, in das alte Ding neben dem Museum Frieder Burda geht sowieso niemand mehr.
Das Alte Schloss brächte sicher auch noch etwas ein; was heute eine Ruine ist, könnte schon morgen ein wunderschöner Parkplatz sein. Und dann noch mal schnell in Paris anrufen: „Mesjö Terri, mehr kennet Ihne helfe.“
