Feelgood-Film über Flüchtlinge: Alles in Butter in Paimpont

Merde alors, die Ukrainer sind aus! Da hatte der Bürgermeister (Jean-Charles Clichet) der bretonischen Kleinstadt Paimpont gerade ein schönes Willkommensvideo aufgenommen, in dem er sich im Namen Stadtrats freudig bereit erklärt, ukrai­nische Geflüchtete aufzunehmen – und als alles fertig ist für den Empfang der armen Menschen, kommt die Hiobsbotschaft, dass europaweit keine Ukrainer mehr zu haben seien. Statt ihrer bekommt Paimpont eine syrische Familie zugewiesen.

Schon vor deren Ankunft reagieren die EinwohnerInnen, in Erwartung einer doch so fremdartigen Kultur, hochgradig nervös. Die Ehrenamtlichen streiten darüber, ob die Aufzunehmenden einen Esstisch brauchen oder nicht (essen sie vielleicht lieber auf dem Boden?), und auf der anderen Seite des Meinungsspektrums hält Klempner Hervé (Laurent Lafitte) mit seiner prinzipiellen Fremdenfeindlichkeit nicht hinter dem Berg.

Die Neuankömmlinge sind eine Bilderbuchfamilie aus lauter schönen Menschen mit hochqualifizierten Berufen. Louna Fayad (Dalia Naous) ist Grafikdesignerin, ihr Mann Marwan (Ziad Bakri) Architekt, dessen Schwester Alma (Rita Hayek) war in Syrien Ärztin, und der Großvater (Fares Helou) ist Lyriker.

Der Onkel ist verschwunden

Die beiden Kinder Dina und Waed gehen noch zur Schule. Während Dina sich selbstbewusst in der neuen Welt bewegt, fühlt der kleine Waed sich verloren und trauert der alten Heimat nach – und seinem Lieblingsonkel, der in Syrien spurlos verschwunden ist.

Die Barbaren

„Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“. Regie: Julie Delpy. Mit Julie Delpy, Sandrine Kiberlain u. a. Frankreich 2024, 101 Min

Anlass für Joëlle, die energische Lehrerin, Nachforschungen anzustellen. Diese stets etwas überanstrengt wirkende Aktivistin wird von der Regisseurin selbst gespielt. Julie Delpy, als Schauspielerin zum Star geworden, ist eigentlich Multikünstlerin und hat unter anderem eine beachtliche Karriere als Regisseurin aufzuweisen.

Auch in diesem Fall hat sie sowohl Regie geführt als auch einen Großteil des Drehbuchs geschrieben und beweist dabei ein ausgesprochen sicheres Gespür für die Zeichnung der Charaktere.

Grundkonflikt hinter dem Klischee

Obgleich viele Figuren auch karikaturhafte Züge tragen – nicht zuletzt Delpys Joëlle –, wird keiner der Filmcharaktere auf seine skurrile Oberfläche reduziert. Stets ist dahinter ein existenzieller Grundkonflikt erahnbar, sogar beim rassistischen (ja, auch das ein Klischee) Klempner Hervé, der sich in seinem Platzhirschtum von der lässigen Männlichkeit des Syrers Marwan bedroht fühlt.

Der wiederum, in einer anderen Version machistischen Stolzes, weigert sich kategorisch, irgendeine gering qualifizierte Art von Arbeit anzunehmen, und spottet über seine Frau, die sich beim Biobauern (gespielt von Albert Delpy, Vater von Julie) als Ernte­helferin verdingt.

Es sind in diesem Film prinzipiell die Frauen, die das menschliche Miteinander voranbringen; aber dass es auch umgekehrt geht, zeigt das Beispiel von Marwans Vater, der sich im örtlichen Crêpe-Restaurant nach anfänglich kritischer Konfrontation kulinarisch einbringt – ein kleiner filmischer Seitenhieb auf die bretonische Küche, in der, wie die Restaurantchefin wütend erklärt, eben „mit sehr viel Butter“ gekocht werde.

Eine Wurst namens Andouille

Die französische Kultur wird in diesem Film stellvertretend über das Essen thematisiert – vor allem in der wiederholten Butterreferenz (der Tante-Emma-Laden bietet absurd viele verschiedene Sorten Butter an) sowie im Auftritt einer phallischen Wurst namens „An­douille“ (der Ausdruck ist auch als Schimpfwort verwendbar), die von Joëlles Freundin Anne als Keule gegen ihren untreuen Gatten eingesetzt wird. Sandrine Kiberlain erfreut hier in einer Nebenrolle als alternde Naive.

Wenn das Geschilderte nach Klamauk klingt, so ist der Eindruck nicht ganz falsch, denn Klamauk gibt es auch. Es gibt auch Szenen, in denen man für Momente das Gefühl bekommt, nun werde doch etwas überinszeniert; insgesamt aber überwiegt eine sehr schön austarierte Mischung verschiedenster Stimmungslagen. Komik und Tragik kommen beide zu ihrem Recht, es gibt hier ein bisschen Streit, dort ein bisschen Liebe, dann ein bisschen Frieden, damit, schließlich handelt es sich um eine Komödie, alles in einem gut kalibrierten Wohlfühlmodus ausklingen kann.

Wenigstens in Paimpont, ja, da ist die Welt noch in Ordnung.