
Gelegentlich bringt der Fußballalltag diese ikonischen Szenen hervor, kunstvolle Tore, seltene Tricks oder spektakuläre Rettungstaten, die nicht nur lange erinnert werden, sondern auch eine große Symbolkraft haben. So wie am Sonntag, als der Schalker Verteidiger Adrian Gantenbein am Ende eines 30-Meter-Sprintes per Flugkopfball am eigenen Fünfmeterraum einen Schuss des Bielefelders Monju Momuluh abwehrte, der sich auf dem Weg ins leere Tor befand.
Damit leistete Gantenbein nicht nur einen wichtigen Beitrag zum 2:1-Sieg bei der starken Arminia und zum Sprung auf den zweiten Tabellenplatz. Er lieferte auch ein einprägsames Bild, das den Charakter des FC Schalke im Herbst 2025 verkörpert: Es wird nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus Leidenschaft malocht. „Wir haben ein Prinzip: Defend until the end, solange der Ball noch nicht im Tor ist“, sagt der Trainer Miro Muslic. „Diese Szene ist stellvertretend dafür.“
Der Oktober hat begonnen – und damit eine traditionell sehr heikle Saisonphase für die Gelsenkirchener. In den Jahren 2022, 2023 und 2024 wurden rund um den Tag der Deutschen Einheit jeweils Trainer entlassen. Derzeit ist dieses Phänomen in den Nachbarstädten Bochum und Düsseldorf zu beobachten, während auf Schalke erstmals seit längst vergangenen Champions-League-Zeiten in dieser Saisonphase wieder ein Fußball-Lehrer umjubelt wird. Der Bielefelder Trainer Mitch Kniat erwidert auf die Frage nach den Aufstiegschancen der Gelsenkirchener: „Für mich ist Schalke ein Favorit, so wie sie gerade auftreten.“
Muslic gilt als große Entdeckung
Das Team spielt einen in sich schlüssigen Fußball, den das Publikum mag, der zum Kader passt und sich auch für die Umstände dieser speziellen zweiten Liga eignet. „Wir sind das organisierte Chaos gewohnt und wollen dann aus diesem Chaos die richtigen Ballgewinne provozieren und gefährlich im Umschalten sein“, erklärt Muslic ein Grundprinzip seines Stils.
Den in Österreich aufgewachsene Bosnier haben die Schalker im Sommer vom in die dritte englische Liga abgestiegenen Klub Plymouth Argyle unter Vertrag genommen. Er gilt schon jetzt als große Entdeckung. Weil er einen glasklaren Plan verfolgt, weil er beflügelnde Emotionen erzeugt. Und weil er hart, offen sowie dem Vernehmen nach auch manchmal verletzend sein kann, während er zugleich eine zwischenmenschliche Nähe entstehen lässt. Das über allem schwebende Motiv ist dabei: Intensität.
Wo in der Vergangenheit ständig strategische Richtungswechsel vorgenommen wurden, wo zwischenmenschliche Verwerfungen, Fehleinschätzungen zur Qualität von Spielern, Trainern und Mitarbeitern entstanden, zeigt sich aktuell eine in sich stimmige Entwicklung.
Leute wie Gantenbein, der von Alemannia Aachen verpflichtete Soufiane El-Faouzi, das bereits aussortierte Eigengewächs Hasan Kurucay, der Flügelspieler Vitalie Becker oder der Abwehrchef Nicola Katic, die wenig oder gar kein Geld kosteten, haben sich zu hervorragenden Zweitligaprofis entwickelt. Auch Torwart Loris Karius spielt brillant, Schalke ist nicht einmal auf Tore der Topstürmer Moussa Sylla und Kenan Karaman angewiesen.
Plötzlich spielt das Team ganz vorne mit. Dabei war der Aufstieg gar nicht eingeplant im ersten Jahr mit dem Österreicher Muslic, der Anfang der 1990er Jahre mit seiner Familie als Kind vor dem Krieg aus Bosnien floh. Auch in dieser Saison mangelt es dem FC Schalke an Geld, die Besetzung des Kaders war daher äußerst herausfordernd für den neuen Sportvorstand Frank Baumann. Aber irgendwie passt vieles zusammen. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Muslic, „wir bestätigen einfach, dass wir uns Woche für Woche steigern können.“
Nicht einmal die Entlassung eines wichtigen Mitarbeiters löste das alte Krisengefühl aus, das in der jüngeren Vergangenheit fest mit dem Wesen dieses Klubs verbunden war. Ende September musste der einst bei Eintracht Frankfurt sehr erfolgreiche Kaderplaner Ben Manga Schalke verlassen, weil seine Transferempfehlungen zu selten hilfreich waren.
Die Köpfe hinter dem Aufschwung sind Sportvorstand Baumann und Trainer Muslic, der sagt: „Wir sind noch keine Spitzenmannschaft, aber wir befinden uns auf dem Weg dorthin.“ Da es in der zweiten Liga derzeit keine andere Spitzenmannschaft gibt, ist für den Traditionsverein im Umbruch vieles möglich.