Der FC Bayern demonstriert beim Kantersieg im Topspiel seine Stärke. Harry Kane beendet gegen den VfB Stuttgart eindrucksvoll seine Torlos-Serie. Doch ein Machtkampf im Klub überschattet den Erfolg. Eine Aufsichtsratssitzung wird maßgeblich für die Zukunft des Vereins.
Durch die weiße Plastiktüte in seiner Hand schimmerte das ganz spezielle Mitbringsel für seinen Kleinen. Harry Kane hatte sich wieder mal einen Ball geschnappt – wie so oft nach erfolgreichen Spielen. Besonders sein Sohn Louis werde sich darüber freuen, „wenn er Sonntag aufwacht“, sagte der Stürmerstar des FC Bayern, als er Samstagabend nach dem 4:0 (0:0) gegen den VfB Stuttgart im Topspiel der Fußball-Bundesliga strahlend aus der Kabine im Münchner Stadion kam. „Er ist drei Jahre alt, und er liebt Fußball.“
Es war eine Machtdemonstration der Bayern. Ein Kantersieg gegen die Tabellenzweiten der Vorsaison, der an diesem Abend in der zweiten Halbzeit überhaupt nicht auf Augenhöhe mit den Münchnern war. Ein möglicherweise richtungsweisender Erfolg, an dem Kane entscheidenden Anteil hatte: Dem Kapitän der englischen Nationalelf gelang ein lupenreiner Hattrick, er erzielte die ersten drei Tore (57., 61, 80.), für den vierten Treffer sorgte der eingewechselte Kingsley Coman (89.). Für Kane waren es die ersten Tore nach drei Bayern-Spielen ohne Treffer.
„Es ist das Stürmer-Schicksal, dass es Diskussionen gibt, wenn man nicht trifft. Ich bin einfach nur glücklich“, sagte der 31-Jährige. „Ich glaube an mich und meine Qualitäten, da ändern auch torlose Spiele nichts dran.“ Am späten Abend kam auch Trainer Vincent Kompany mit seinen Kindern und seinem Vater Pierre sowie Freunden in die Mannschaftskabine und feierte den für die Bayern so wichtigen Sieg.
Trotz des beeindruckenden Sieges und der Gala-Leistung Kanes war die Stimmung im Stadion nicht überall total gelöst. Es gibt Unruhe im Verein. An der Spitze des Klubs tobt ein Machtkampf, der eskaliert. Anders als Kane kam Christian Dreesen nach dem Spiel nicht in Interview-Zone. Der 57-jährige Vorstandschef steht sonst meist für Gespräche mit den Medien bereit. In den Ehrenlogen wurde an diesem Samstagabend viel über ihn gesprochen.
Dreesen muss einem Bericht des „Manager Magazins“ zufolge um eine Verlängerung seines im kommenden Jahr endenden Vertrags bangen. Demnach droht dem Nachfolger von Oliver Kahn sogar die Ablösung, sollte er nicht freiwillig auf einen neuen Vertrag bei den Münchnern verzichten. Eine Entscheidung über die Zukunft Dreesens könnte laut dem Bericht bereits bei einer Aufsichtsratssitzung am 11. November fallen.
Laut des Berichts sollen mehrere Mitglieder des Kontrollgremiums mit dem Vorstandsvorsitzenden unzufrieden sein. Hintergrund sei unter anderem der geplatzte Medien-Deal für die Bundesliga, an dessen Scheitern Dreesen als Präsidiumsmitglied der Deutschen Fußball Liga (DFL) beteiligt war. Die DFL muss die Auktion für die Medienrechte wiederholen, nachdem ein Schiedsgericht dem Streaminganbieter DAZN im juristischen Streit mit dem Verband teilweise recht gegeben hatte.
In einem von Bayern-Finanzchef Michael Diederich unterschriebenen Brief sollen die Münchner von der DFL Erklärungen für das Platzen des Deals gefordert haben. Zudem sei Dreesen vom Verein aufgefordert worden, seinen DFL-Posten an Diederich abzutreten. Der Bayern-Boss habe dies abgelehnt. Zudem soll laut dem Bericht vor gut drei Jahren ein Disputs Dreesen mit einer Mitarbeiterin eskaliert sein.
Dreesen soll die Frau beschimpft und mit einer Zeitschrift beworfen haben. Der Vorfall war intern ein Thema und wurde eingehend untersucht, die Frau arbeitet mittlerweile nicht mehr für den Klub. Es soll Befragungen dazu gegeben haben. Diese sollen schon vor der Berufung von Dreesen zum Vorstandschef im Mai 2023 abgeschlossen gewesen sein.
„Ich habe damit nicht gerechnet, ich kenne die Vorfälle nicht. Die liegen weit zurück“, sagte Max Eberl über das Bekanntwerden des Vorfalls. Der 51-Jährige ist seit Frühjahr 2024 Sportvorstand der Bayern. „Wir haben darüber gesprochen. Die Herren haben darüber gesprochen“, so Eberl bei Sky.
Samstagabend beim Topspiel saß er auf der Tribüne zwischen Diederich und Dreesen. Dass der Machtkampf am Tag des Spitzenspiels öffentlich wird, ist nicht gerade perfektes Timing. Eberl war bemüht, das Thema so klein wie möglich zu halten und äußerte sich defensiv. „Ich bin ich schon gefragt worden, ob uns das irgendwie beeinflusst hat. Das kann ich mit einem klaren Nein beantworten“, betonte Eberl. „Tatsächlich sind wir hier verantwortlich für das, was auf dem Platz passiert. Das ist das, worauf es ankommt. Das Drumherum versuchen wir, komplett auszublenden.“
Karl-Heinz Rummenigge als Interimslösung im Gespräch
Eberl sagte zudem: „Gerade Michael Diederich und Jan-Christian Dreesen arbeiten extrem vertrauensvoll und intensiv zusammen, um Fußballspiele zu gewinnen. Wir als Klub – und das ist ja bei Bayern schon immer so gewesen – es gibt immer wieder Einschläge von außen. Und wir als Klub wollen einfach als Wagenburg zusammenstehen, und wir gehen da gemeinsam durch.“
Es wird darüber spekuliert, dass der 69-jährige Karl-Heinz Rummenigge als Interimslösung als Vorstandsvorsitzender zurückkehren könnte. Namhafte Alternativen wie der einstige DFL-Chef Christian Seifert oder Oliver Mintzlaff, Geschäftsführer von Red Bull, gelten als eher unwahrscheinlich. Trotz der Vorwürfe ist es auch möglich, dass Dreesens Vertrag verlängert wird. Rund um dem Klub ist zu hören, dass dies die Tendenz sei.
Am Wochenende äußerte sich Vereinspräsident Herbert Hainer zu dem Machtkampf. Er sagte BILD: „Generell sind wir mit unserem Vorstand um den Vorsitzenden Jan-Christian Dreesen absolut zufrieden: Wir sind sportlich erfolgreich und werden auch auf der anstehenden Jahreshauptversammlung erneut wirtschaftlich hervorragende Zahlen präsentieren.“ Hainer sagte zudem: „Der FC Bayern äußert sich grundsätzlich nicht zu internen Angelegenheiten – genauso wenig zu Spekulationen in der Öffentlichkeit.“
Im Rahmen der Jahreshauptversammlung Anfang Dezember wird der Klub wohl ein Rekordergebnis verkünden, der FC Bayern hat seinen Umsatz in den vergangenen Jahren auf über 800 Millionen Euro pro Jahr gesteigert. Nun könnte er bereits über 900 Millionen Euro liegen.
Aleksandar Pavlovic fehlt den Bayern wochenlang
Bereits Dienstag geht es für die Bayern sportlich weiter. Sie reisen nach Spanien, wo sie Mittwoch (21 Uhr, DAZN) in der Champions League beim FC Barcelona spielen. Wieder ein Topspiel. Trainer der Katalanen ist der ehemalige Bayern-Coach Hans-Dieter „Hansi“ Flick. Auf Aleksandar Pavlovic müssen die Münchner in dieser Partie und in den kommenden Wochen verzichten. Der 20-jährige Nationalspieler brach sich gegen Stuttgart das Schlüsselbein.
Für ihn wird aller Voraussicht nach der im vergangenen Sommer für rund 50 Millionen Euro verpflichtete Joao Palhinha im zentralen Mittelfeld mit Joshua Kimmich spielen. Der Portugiese überzeugte gegen Stuttgart, als er nach wenigen Minuten für Pavlovic eingewechselt wurde. „Der Ausfall ist bitter. Pavlovic war einer unserer besten Spieler im Moment“, sagte Trainer Vincent Kompany. „Jetzt müssen wir es leider ohne Pavlovic machen.“
Barcelona ist nicht nur deshalb der nächste Gradmesser für den FC Bayern – in einer unruhigen Zeit.
Julien Wolff war bei dem Topspiel im Stadion. Er ist Fußball-Redakteur und berichtet seit 2011 aus München über den FC Bayern, zudem über die Bundesliga und die Nationalmannschaft.