
Besonders überzeugend waren die Argumente von Xabi Alonso nie gewesen, als er die Hoffnung auf „etwas Episches“ zum Ausdruck gebracht hatte, das sich an diesem kühlen Märzabend ereignen sollte, aber Alonso ist eben Alonso. Der Mann war schon an manchem Wunder beteiligt, warum also nicht noch einmal?
Am Ende dieses innerdeutschen Achtelfinalduells zwischen Bayern München und Bayer Leverkusen steht nun jedoch nicht die Erzählung von einer magischen Nacht am Rhein, sondern die Geschichte eines sehr normalen Vorgangs: Der FC Bayern hat ein Achtelfinal-Rückspiel in der Champions League auswärts durch Tore von Harry Kane sowie Alphonso Davies mit 2:0 gewonnen und steht in der Runde der besten acht Teams in diesem Wettbewerb. So wie in den allermeisten Jahren der jüngeren Vergangenheit. Und das Spiel bot den passenden Stoff für diese am Ende verblüffend normale Geschichte.
Eine satte Portion Kontrollverlust angeordnet
Die Bayern spielten hochseriös, konzentriert und unaufgeregt, während Alonso in seiner Verzweiflung über das 0:3 aus dem Hinspiel und den Ausfall des Starspielers Florian Wirtz eine Art Paradigmenwechsel angeordnet hatte. Die Werkself hatte sich von dem bis in jede Faser des Spiels durchdachten Intellektuellen-Fußball verabschiedet, mit dem sie bis zum Hinspiel in sechs Partien nacheinander gegen die Bayern ungeschlagen geblieben war. An diesem Abend hatte Alonso nun eine satte Portion Kontrollverlust angeordnet. „Heute ist es nicht so sehr taktisch, es geht über die Herzen, den Willen, den Hunger, dieses Licht in uns“, sagte er vor dem Spiel. Aber auch das funktionierte nicht.
Der Rekordmeister war nicht nur auf dem Platz besser, sondern in der Gesamtbilanz von Hin- und Rückspiel auch überlegen im Umgang mit diesem innerdeutschen Achtelfinalduell; sogar die Trainer verkörperten diese Konstellation. Die vielen Rufe, Anweisungen und Gesten von Alonso blieben wirkungslos, die Ruhe Kompanys fand hingegen ihre Entsprechung im selbstbewussten Spiel seiner Mannschaft.

Während die Bayern ähnlich unaufgeregt agierten wie im Hinspiel, schlugen die Leverkusener auch ohne Druck viele hohe Bälle in die Münchner Hälfte. Offenbar in der Hoffnung auf irgendeinen gewonnenen zweiten Ball, einen Zufall oder einen Fehler der Bayern. Aber der Tabellenführer der Bundesliga blieb jederzeit souverän. Der junge Torhüter Jonas Urbig, der gegenüber dem Hinspiel als einziger Münchner neu in die Startelf gerückt war, weil Manuel Neuer verletzt ist, blieb bis tief in die zweite Halbzeit so gut beschäftigungslos. Interessante Offensivszenen hatten schon in der ersten Spielhälfte nur die Bayern – durch Harry Kane (5., 15.), Michael Olise (16.) und Kingsley Coman (29.).
Die seltenen gefährlichen Situationen vor dem Münchner Tor ergaben sich vorwiegend nach Ecken oder Flanken, doch zwei Mal hatte Patrik Schick Pech mit Kopfbällen knapp neben das Tor (38., 45). Und als der Torjäger die Leverkusener nach 67 Minuten durch ein Ausgleichstor vielleicht doch noch einmal ins Spiel hätte zurückbringen können, scheiterte er an Urbig.
Das frühe Tor fiel nicht
Dass Schick überhaupt der Startelf angehörte, war nicht nur Ausdruck der angepassten Spielweise von Xabi Alonso, sondern auch eine Art Selbstkorrektur. Der baskische Trainer hatte ja nach dem 0:3 im Hinspiel in München und der Niederlage gegen Bremen am vergangenen Wochenende bereits angedeutet, Fehler gemacht zu haben. Die Elf, die das Spiel begann, war nun eine Art Eingeständnis: Alonso stellte den erfahrenen Kapitän Lukas Hradecky ins Tor, statt dem talentierten Matej Kovar, der im Hinspiel ein Schwachpunkt war, außerdem spielte Schick, der nicht so perfekt pressen kann wie Wirtz oder Amine Adli.
Doch das frühe Tor, das vielleicht eine Tür zu einem wundersamen Spielverlauf hätte öffnen können, fiel nicht. Weil die Bayern einfach sehr aufmerksam arbeiteten und ganz bei sich selbst blieben. Statt über die Gefahr und die möglichen Folgen eines Gegentreffers nachzudenken, strebe sein Team an, „das 1:0 für uns zu schießen“, sagte der Münchner Trainer Vincent Kompany vor der Partie. Genauso kam es als Kane in der 58. Minute einen Freistoß von Joshua Kimmich annehmen und anschließend ins Tor schieben konnte. Als dann Davies am Ende eines schönen Münchner Angriffs freistehend aus zehn Metern zum 0:2 traf, waren auch die letzten Leverkusener Hoffnungen verflogen (71.). Jamal Musiala traf noch die Latte (81.) und den Pfosten (86.), da war die Partie aber längst entschieden.
Die Bayern dürfen weiter träumen
Das große Wunder ist also ausgeblieben, womit der Saison des FC Bayern weitere Höhepunkte bevorstehen, während die Leverkusener eine Art Verzwergung verkraften müssen. Die Chancen auf die Titelverteidigung in der Bundesliga sind nur noch sehr klein, die Europapokalsaison ist zu Ende, was bleibt, ist ein DFB-Pokalhalbfinale gegen Arminia Bielefeld.
Das ist ein harter Sturz einer Mannschaft, in der heimlich davon geträumt wurde, die Champions League zu gewinnen. In München ist dieser Traum intensiv wie lange nicht.