
FC Bayern gegen den BVB – der deutsche Klassiker ist dank der guten Entwicklung bei Borussia Dortmund endlich mal wieder ein Spitzenspiel, das diese Bezeichnung verdient. Wer allerdings schon auf einen Zweikampf um den Titel hofft, verkennt die Realität.
Es klang wie eine Gebrauchsanweisung für Fans – fast schon wie ein Warnhinweis. Jeder, der darauf hofft, Borussia Dortmund würde am Samstag gewinnen, um damit die Meisterschaft spannend zu machen, sollte nicht zu enttäuscht sein, wenn dies nicht eintreten wird. Diese vermeintlich ernüchternde Botschaft verkündete Niko Kovac, der BVB-Trainer, im Hinblick auf das Spitzenspiel seiner Mannschaft beim FC Bayern.
Er sei sich „bewusst“, dass sich viele wünschen würden, dass es in der Bundesliga endlich mal wieder das gibt, was es in den vergangenen Jahren bis auf wenige Ausnahmen nicht gab: einen echten Kampf um die Schale. Doch Kovac ist kein Träumer. Er weiß zwar, wozu seine Mannschaft fähig ist – aber eben auch, was sie nicht leisten kann.
„Wir sehen ja auch, in welcher Form die Bayern sind. Und dass eine Mannschaft so gut performt wie sie, ist einzigartig“, sagte er vor dem sogenannten deutschen Klassiker. Am Samstag (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei WELT) kommt es zum direkten Aufeinandertreffen der beiden Klubs, die zusammen 27 der letzten 32 Meisterschaften gewonnen haben.
Es wird ein Spektakel werden. Die Fußball-Welt wird hinschauen. Die Partie wird in mehr als 200 Länder live übertragen. Über 30 Kameras werden in der Allianz Arena zum Einsatz kommen. Es wird großes Kino produziert: Mit frei fliegenden Drohnen und hochauflösenden Kameras, die auf langen Schwerkränen befestigt sind und spezielle Zeitlupen produzieren sollen. Für beide Trainer – Kovac und Bayerns Vincent Kompany – sind extra Beobachtungs-Kameras abgestellt. Es wird spezielle Einblicke in den Kabinentrakt geben.
FC Bayern und der BVB – beide in Top-Form
Ob die Partie zwischen dem Spitzenreiter und seinem ersten Verfolger mit diesem technischen Aufwand mithalten kann, bleibt jedoch abzuwarten. Die Sehnsucht nach einem großen Spiel ist tatsächlich riesig. Und die Chancen darauf scheinen ja auch gar nicht schlecht zu stehen. Beide Teams sind gut in Form – die Bayern seit 15 Spielen ungeschlagen, die Dortmunder seit 14. Die Bayern haben nur eines ihrer letzten 26 Bundesliga-Spiele verloren, die Dortmunder nur eines ihrer letzten 21 Pflichtspiele.
„Wir wissen um die Wichtigkeit der Aufgabe, aber wir fokussieren uns auf uns. Wir sind wie die Bayern auf einem guten Weg“, sagte Kovac – um dann aber direkt auf die Unterschiede zwischen den beiden Klubs und Mannschaften zu sprechen zu kommen. Denn die sind, selbst wenn es seinen Dortmundern gelungen ist, den Abstand zu den Bayern von 25 Punkten am Ende der vergangenen Saison (!) auf nur noch vier Zähler zu verkürzen, gewaltig.
Die Bayern sind eine Maschine – und selbst andere sogenannte Spitzenteams wurden, wenn sie sich ihr in den Weg stellten, regelrecht zermalmt. RB Leipzig, auch keine Laufkundschaft, wurde 6:0 abgefertigt. Bei Eintracht Frankfurt siegte das Team von Kompany mühelos mit 3:0. Die Bayern entscheiden ihre Spiele meist schon lange vor dem Halbzeitpfiff. Noch nie lagen sie in dieser Saison zurück. Ihre bisherigen drei Heimspielen (Leipzig, Hamburger SV, Werder Bremen) gewannen sie zusammengerechnet mit 15:0.
„Wenn man in München ängstlich auftritt, wird es schwierig werden. Alle, die dort versucht haben, nur zu verteidigen, hatten keine Chance“, erklärt Kovac. Das werde sein Team schon mal nicht tun. „Nur wenn wir mutig sind, haben wir eine Chance, dort etwas zu holen.“
Der BVB könnte trotz allem tatsächlich der erste Herausforderer der Bayern in dieser Saison sein, der diese Bezeichnung auch verdient. Wie sich die Dortmunder in den vergangenen Monaten stabilisiert haben, ist bemerkenswert. Es ist mittlerweile schwer, gegen sie Tore zu erzielen, sich Chancen herauszuspielen. Dieser Prozess hin zu mehr Stabilität, der mit der Übernahme von Kovac im Februar eingesetzt hat, war mühsam. Er hat gedauert.
Er habe zunächst „in die Köpfe der Spieler kommen, die Festplatte löschen“ und sie dann „neu bespielen müssen“, sagt der erfahrene Coach. Mittlerweile ist ihm das gelungen – und das ist auch den Bayern nicht verborgen geblieben.
Kimmichs kleine Warnung, den BVB nicht zu unterschätzen
„Tatsächlich ist das eine Qualität, die beim BVB dazu gekommen ist, seit Niko Kovac dort Trainer ist“, sagte Joshua Kimmich, der Kovac noch aus gemeinsamen Münchener Zeiten kennt. Es überrasche ihn sogar ein wenig, „dass die Dortmunder für ihre defensive Stabilität gar nicht so die Wertschätzung bekommen und ein bisschen unter dem Radar fliegen“, so der Nationalspieler. Das klang immerhin ein bisschen nach einer Warnung, den Gegner nicht zu unterschätzen. Zumal der BVB ja auch „sehr große Qualitäten im Umschaltspiel“ habe.
Die Wahrheit ist jedoch: Nur, wenn die Bayern die Dortmunder unterschätzen sollten, würde es eine reelle Möglichkeit auf einen anderen Spielausgang als den erwartbaren Münchener Sieg geben. Denn die Bayern haben, seit Kompany da ist, noch einmal einen richtigen Entwicklungsschub zu verzeichnen. „Fußballerisch waren sie schon vorher gut, aber sie laufen mittlerweile auch deutlich mehr. Und das in Kombination macht es eben so schwer, sie zu schlagen“, so Kovac. Es handelt sich möglicherweise tatsächlich um die besten Bayern aller Zeiten.
Natürlich, im Fußball gibt es immer Überraschungen – und auch immer wieder „David-gegen-Goliath-Siege“. Doch eben nur, darauf wies Kovac ebenfalls hin, wenn der Goliath den David unterschätzt. Derzeit jedoch macht der bayerische Goliath einen ebenso gefestigten Eindruck wie der westfälische David. Und rein fußballerisch trennen die Bayern und die Dortmunder – auch wenn es viele anders wünschen würden – Welten.