Fashion Week Mailand: Demnas originelles Gucci-Debüt

Noch bevor irgendein Model den Laufsteg betreten hatte, zog Gucci alle Aufmerksamkeit auf sich. Kurz vor Beginn der Mailänder Modewoche markierte der neue Gucci-Designer Demna das Terrain: Er ließ auf der Instagram-Seite von Gucci alles löschen und präsentierte 37 Looks auf der Plattform. Die Botschaft war klar: Vergesst alles, was bisher geschah! Jetzt kommt Demna! Der Mann, der aus Georgien stammt, lange in Deutschland lebte, zehn Jahre Kreativdirektor bei Balenciaga war und 2021 seinen Nachnamen Gvasalia ablegte, um seine Rolle als Designer von der des Privatmanns zu trennen – er fängt hier ganz neu an.

Demna ist einer von vielen Neuzugängen, die in diesem Herbst die Schauensaison bestimmen. Drei große Designerwechsel stehen allein während der Mailänder Modewoche an: Bei Jil Sander übernimmt Simone Bellotti, bei Versace Dario Vitale und bei Bottega Veneta die Engländerin Louise Trotter.

Niemand prägte Italiens Mode so nachhaltig wie Armani

Gleichzeitig muss die Modewelt den Verlust von Giorgio Armani verkraften, der kurz vor seinem 50. Firmenjubiläum, das während der Fashion Week gefeiert werden sollte, im Alter von 91 Jahren gestorben ist. Kein anderer Designer hat die italienische Mode so nachhaltig geprägt und dazu beigetragen, dass Mailand bis heute neben Paris die wichtigste Modestadt ist – wie man nicht zuletzt gerade bei den Modewochen in New York und London sah, die schwach wirkten.

Aber ausruhen auf den Erfolgen der Vergangenheit kann sich in diesen Zeiten niemand. Die Luxusbranche schwächelt, kleine Marken kämpfen ums Überleben und große Konzerne um die Gunst einer zunehmend unberechenbaren Kundschaft. Gucci ist ein Beispiel dafür. Das Aushängeschild des französischen Luxuskonzerns Kering musste zuletzt Umsatzrückgänge hinnehmen. Designer Sabato De Sarno wurde nach nur zwei Jahren abgesetzt, zu blass blieben seine Kollektionen.

Von Kopf bis Fuß in Gucci: Gwyneth Paltrow kommt zur Premiere des Demna-Kurzfilms in Mailand.
Von Kopf bis Fuß in Gucci: Gwyneth Paltrow kommt zur Premiere des Demna-Kurzfilms in Mailand.AP

Es geht in dem Geschäft auch darum, für Aufmerksamkeit zu sorgen. Darauf versteht sich Demna. Seine erste Kollektion „La Famiglia“, die dem Konzept „see now, buy now“ folgt und direkt in den Gucci-Geschäften zu kaufen ist, wird nicht mit einem klassischen Defilee präsentiert. Vielmehr ist am Dienstagabend im Palazzo Mezzanotte ein Kurzfilm zu sehen, eine skurrile Geschichte über eine fiktive ­Gucci-Erbin, gespielt von Demi Moore, die in ihrem kalifornischen Domizil inmitten ihrer dysfunktionalen Familie ihren Geburtstag feiern möchte. Demnas erste Entwürfe für Gucci sind somit im digitalen Lookbook, im Film und an den zahlreichen prominenten Gästen des Abends wie Demi Moore und Gwyneth Paltrow zu ­sehen. Sie demonstrieren, dass Demna ganz offensichtlich an die Vergangenheit der Marke anknüpft, indem er starke Archetypen der Gucci-Familie zeigt, die opulente mit Federn besetzte Mäntel tragen oder schlichte Bodycon-Kleider.

Die Entwürfe erinnern an Tom Ford, der in den Neunziger- und Nullerjahren der Marke zu einer stilbildenden Coolness verhalf, und knüpfen gleichzeitig an Demnas Vorvorgänger Alessandro Michele an, der mit seinen verspielten Kollektionen Geschichten erzählte und die Marke emotional auflud. Die Frauen, die er im Kopf habe, sagte Demna dem Branchenblatt „Women’s Wear Daily“, seien selbst­bewusste Charaktere mit einer eigenen Meinung. Nach diesem Debüt wird noch viel von ihnen zu hören sein – im Februar wird Demna seine erste richtige Laufstegkollektion in Mailand präsentieren.

Am Ende der Mailänder Modewoche, die Entwürfe für das nächste Frühjahr zeigen, wird man auch wissen, welches ­Vakuum Giorgio Armani hinterlässt. Denn auch das zeigt das Designer-wechsel-dich-Spiel: Modeschöpfer, die über Jahrzehnte eine Marke aufbauen, ent­wickeln und nebenbei das Unternehmen führen, sind ein Auslaufmodell.