Fahrrad-Kauf: Warum haben Fahrradmodelle so seltsame Namen? Eine Analyse – Reise

Fahrradhersteller sind derzeit nicht zu beneiden. In ihren Lagerhallen türmen sich die City-, Gravel- und Mountainbikes, weil viele Menschen nach der Pandemie auch mal andere Dinge kaufen wollen als noch mehr City-, Gravel- und Mountainbikes. Nur mit dieser doch recht misslichen Lage ist zu erklären, dass sich die Marketingexperten in ihrer Not gegenseitig zu kreativen Höchstleistungen antreiben, wenn es um die Namensfindung ihrer Modelle geht. 257 Three ST, EXe 8 GX AXS T-Type oder FX 403 ND? Es ist ein emotionales Feuerwerk. Da fragt man sich sofort, warum nicht schon längst auch andere Branchen ihren Produkten Namen verpassen, die daherkommen wie eine Mischung aus Bundesligaergebnis und Atomwaffencode.

Der traurige Verdacht: Manche Kunden sind mental einfach noch nicht so weit, bei einem M11eLTD PWR in Gedanken sofort den sanften Fahrtwind und die Geschmeidigkeit der Kettenschaltung zu spüren. Assoziativ minderbegabten Menschen helfen die Marketingexperten daher gelegentlich noch mit ein paar Wortfragmenten aus. Da gibt es etwa das Modell Planet² 6.9 ABS, eine Kombination aus ganz viel quadriertem Planeten (dass es mathematisch einer bleibt, egal) und dem bewährten Krypto-Cocktail aus geheimnisvollen Ziffern und Großbuchstaben. Etwas freier rollt da schon das E+ 3 V2 daher, es ist eine bunte Assoziation aus Handynetz-Provider, Relativitätstheorie und Weltkriegsrakete, wie gemacht für ein Rennrad, das fast Lichtgeschwindigkeit erreicht und sich dabei sicher durch ein Minenfeld manövrieren lässt.

Wahrscheinlich lösen die harmonisch komponierten Namen auch deshalb ein so wohliges Gefühl aus, weil sie an Zeiten erinnern, in denen man die verheißungsvolle Wirkung von Ziffern und Großbuchstaben noch zu schätzen wusste. Da hieß ein Auto noch K 70, eine Lokomotive B 103 und ein Raumschiff nicht nur Enterprise, sondern auch NCC-1701. Oder die erste bedeutende Spielekonsole, Atari VCS 2600 – das könnte heute locker ein Gravelbike sein.

Aus Sicht des Fahrradkäufers ist zu hoffen, dass die Branche auf dem Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens nun nicht den Mut verliert. Die chinesische Schrift kennt mehr als hunderttausend Zeichen. Sie bietet das größte Potenzial, die Fahrradtaufe von den letzten Resten lästiger Assoziationen zu befreien. Es wäre der finale, konsequente Schritt. Namen, die der mitteleuropäische Kunde weder lesen noch aussprechen kann.

Der Autor kann sich die Namen seiner Fahrräder einfach nicht merken. (Foto: Bernd Schifferdecker)