
Hefeteig, Käse, Tomaten, ein bisschen Salz und Pfeffer – viel braucht man nicht für eines der beliebtesten Gerichte der Welt. Die Pizza verkörpert perfekt die Idee der cucina povera, der einfachen, ursprünglich preiswerten Armenküche Italiens. Doch längst ist die Pizza keine Armenspeise mehr, der Durchschnittspreis liegt in italienischen Pizzerien laut einer aktuellen Studie des Konsumforschungsinstituts CRC bei 12,14 Euro pro Person, 18 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Und die Zutatenlisten auf den Speisekarten werden immer länger und ausgefallener. Vieles davon bereitet traditionellen neapolitanischen Pizzabäckern Albträume, etwa Pizza mit Emufleisch, Schnecken, Cashewcreme, Pommes, Heidelbeeren. Und auf der Dubai-Style-Luxuspizza kommt alles zusammen, was nicht zusammengehört: goldgelbe Safrankruste, Wagyu-Rind und Datteln, statt Mozzarella eine Pistaziencreme.
Nicht nur die Slowfood-Bewegung hat zum Ziel, maximalen Genuss auf möglichst ressourcenschonende Weise zu ermöglichen. Auch immer mehr Restaurantgäste schätzen die bewusst inszenierte Schlichtheit eines bodenständigen Essens anstatt des großen Brimboriums der Sterneküche. So gesehen müsste jemand wie Elena Di Liddo, eine italienische Leistungsschwimmerin, höchst willkommen sein in jeder Pizzeria: In der süditalienischen Stadt Bisceglie bestellte sie eine Pizza Tricolore, laut Karte mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum, hübsch angeordnet in den Landesfarben. Allerdings ohne Tomaten und mit laktosefreiem Käse. Sie machte damit die Pizza noch schlichter – und entfachte gleichzeitig eine Debatte.
Denn als die Rechnung kam, sollte sie zusätzlich zum eigentlichen Preis von 14 Euro draufzahlen: 1,50 Euro für die Umbestellung der Käsesorte und noch mal 1,50 Euro für den Verzicht auf Tomaten. Die 31-jährige Olympiateilnehmerin postete die Rechnung auf Instagram als Story und kommentierte: „1,50 Euro für etwas zu bezahlen, das ich nicht einmal gegessen habe, ist wirklich traurig und manchmal sogar beschämend.“
Viele Follower gaben ihr recht, allerdings gab es auch viel Verständnis für die Gastronomen, die sich immer öfter auf die Extrawünsche ihrer Kundschaft einstellen müssen. Das Thema kochte hoch.
Service-Zuschlag für das Halbieren eines Sandwichs, acht Euro für einen leeren Teller
Dass Restaurantbesucher in Italien auch für Dinge bezahlen müssen, die sie nicht bestellt haben, wissen Uneingeweihte manchmal nicht. Da ist zunächst das coperto, eine Art Grundgebühr für die Benutzung von Tellern, Besteck und Gläsern, meistens zählen auch Brot, Öl und Oliven dazu. Je nach Ort kostet das einen bis fünf Euro. Ein Glas Wasser bekommt man zum Kaffee traditionellerweise gratis dazu, allerdings häufen sich schlechte Bewertungen von Bars in Florenz oder Rom, die das Leitungswasser extra berechnen. Für Ärger sorgte auch schon, dass für das Halbieren eines Toast-Sandwichs, einen Löffel Nachschlag oder ein Glas mit Eiswürfeln mehr Geld verlangt wurde. Auch außerhalb von Italien treibt das Geschäft mit den Extrawünschen Blüten: In einem Restaurant in Kärnten ließ sich ein Paar einen zweiten Teller bringen, um sich die bestellten Speisen zu teilen – für den leeren Teller wurden dann acht Euro auf der Rechnung veranschlagt.
Aufpreis für leere Teller, Zusatzgebühren für das Weglassen von Zutaten – ist das nicht widersinnig und ungerecht? Aus Sicht der Gastronomie nicht unbedingt, denn Umbestellungen verursachen Mehraufwand in der Küche und beim Service. Einen geringen zwar, aber die Sonderwünsche summieren sich. „Bei uns wird endlos umbestellt“, sagt Michael Laib, Inhaber des Regensburger Restaurants „Orphée“ mit klassischer französischer Küche, „acht von zehn Gästen haben Extrawünsche.“ Bitte statt des Salats Grillgemüse, aber keinesfalls mit Knoblauch, und als Beilage statt der Bratkartoffeln lieber Pommes, zum Dessert bitte Dinkelkuchen statt Weißmehl und dazu einen koffeinfreien Cappuccino mit Hafermilch, danke! Aber ohne Kakaopulver obendrauf.
Immer öfter verlangen Restaurants deshalb eine „Servicegebühr für Beilagenwechsel“ und weisen dies auch so auf der Speisekarte aus, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden. Das Augsburger „Wirtshaus unter dem Bogen“ etwa verlangt für den Wechsel von Semmel- auf Kartoffelknödel einen Aufschlag von 80 Cent, wer Grillgemüse möchte statt gekochtem Gemüse, muss 2,50 Euro drauflegen. Raffaele Ziarella, amtierender Europameister in der Kategorie „Beste Neapolitanische Pizza“, bietet in seiner Münchner Pizzeria „Ciao Napoli“ ausgefallene Kreationen an wie „Ziegelberry“ mit Ziegenkäse, Preiselbeeren und Rucola, wer es noch spezieller möchte, muss draufzahlen. Wer zum Beispiel veganen Cashew-Mozzarella möchte statt normalen Mozzarella, zahlt drei Euro mehr.
Orphée-Wirt Michael Laib lehnt Sondertarife für Umbestellungen ab: „Das muss man heutzutage machen, dafür berechnen wir nichts extra. Bei uns ist immer noch der Gast König.“
Eine Pizzeria in Großbritannien hat sich auf andere Weise auf Extrawünsche eingestellt: Die Besitzer der Pizzeria Lupa in Norwich verabscheuen Pizza Hawaii und bieten sie nicht an. Wer trotzdem eine Pizza mit Ananas haben möchte, muss 100 Pfund (115 Euro) zahlen. Auf der Speisekarte steht: „Ja, für 100 Pfund können Sie es haben. Bestellen Sie auch den Champagner. Machen Sie schon, Sie Monster!“