Ex-Musiker: Ian Watkins offenbar von zwei Mithäftlingen getötet – Panorama

Ein tieferer Sturz als der des Ian David Karslake Watkins lässt sich kaum denken. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms war er der als charismatisch geltende Frontmann der erfolgreichen britischen Band Lostprophets. Am vergangenen Wochenende wurde er als Insasse des englischen Gefängnisses HMP Wakefield, in dem er seit Dezember 2013 eine 29-jährige Haftstrafe verbüßte, erstochen. Zwei Mitgefangene werden als Täter verdächtigt. Dazwischen lag die Aufdeckung eines der erschütterndsten Fälle von Pädokriminalität in der britischen Nachkriegsgeschichte, der den Täter, Watkins, zu einer weithin verabscheuten Figur machte.

Ian Watkins, 1977 im walisischen Merthyr Tydfil geboren, hatte 1997 mit einigen Schulkameraden die Band Lostprophets gegründet. Sie hatte mit ihrem am amerikanischen „Nu-Metal“ orientierten Sound rasch Erfolg, veröffentlichte zwischen 2000 und 2012 fünf Studioalben und verkaufte weltweit Millionen Alben. Lostprophets hatten mehrere Top-10-Singles in Großbritannien und eine Nummer 1 in den US-Alternative-Charts.

Ian Watkins hatte wegen seines exzessiven Lebenswandels schon lange als „schwierig“ gegolten. Seine kriminellen Aktivitäten waren aber erst 2012 ans Licht gekommen, als die Polizei Watkins’ Computer nach seiner Verhaftung wegen eines Drogendelikts konfisziert und darauf Beweise für schweren sexuellen Kindesmissbrauch sichergestellt hatte. Watkins’ ehemalige Partnerin Joanne Mjadzelics hatte bereits von 2008 an mehrmals versucht, die walisischen Behörden auf seine Verbrechen aufmerksam zu machen, ihre Hinweise waren aber zunächst ignoriert worden.

Im Dezember 2013 bekannte der Sänger in 13 Anklagepunkten für schuldig. Darunter waren die versuchte Vergewaltigung eines Babys, sexueller Missbrauch eines Kindes unter 13 Jahren, mehrere Fälle im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Besitz von Kinderpornografie sowie dem Besitz von extremem pornografischem Material.

Der Vorsitzende Richter Sir Roger Royce sagte damals in seiner Urteilsbegründung, der Fall habe „neue Abgründe der Verderbtheit“ offengelegt. „Jeder anständige Mensch“ werde angesichts dieser Verbrechen „Schock, Abscheu und Ungläubigkeit empfinden“. Watkins habe seine Berühmtheit missbraucht, „um schreckliche Verbrechen zu begehen“ und „absolut keine Reue gezeigt“. Er verurteilte Watkins zu 29 Jahren Haft mit sechs zusätzlichen Jahren auf Bewährung. Seine beiden Mitangeklagten, die Mütter der von ihm missbrauchten Kinder, wurden zu jeweils 14 und 17 Jahren Haft verurteilt.

Lostprophets hatten sich schon im Oktober 2013, kurz vor Prozessbeginn, aufgelöst. Die Band veröffentlichte damals eine Stellungnahme, in der sie jede Kenntnis seiner Verbrechen abstritt. Die „persönlichen Beziehungen“ der Band zu ihm hätten sich „in den letzten Jahren so sehr verschlechtert, dass die Zusammenarbeit zu einer permanenten, qualvollen Herausforderung geworden“ sei, so die Bandkollegen: „Aber trotz seiner Drogenprobleme, seines egoistischen Verhaltens und der daraus resultierenden Spannungen und Frustrationen innerhalb unserer Band hätten wir nie gedacht, dass er zu einem Verhalten fähig wäre, wie er es nun selbst eingestanden hat.“ Bei Touren hatte der Sänger auf der Bereitstellung einer eigenen Garderobe bestanden, abseits der übrigen fünf Bandmitglieder. Dort fand ein Großteil des Kindesmissbrauchs statt, darunter auch die Verabreichung von Kokain.

Schon am 5. August 2023 war Ian Watkins im Gefängnis von Wakefield angegriffen worden. Damals waren seine Verletzungen jedoch nicht lebensgefährlich gewesen. Nun teilte die West Yorkshire Police mit, sie sei am Samstagmorgen wegen einer schweren Körperverletzung an einem Häftling ins Gefängnis gerufen worden. Dieser sei noch am Tatort seinen Stichverletzungen erlegen, woraufhin zwei Männer im Alter von 25 und 43 Jahren wegen Mordverdachts festgenommen worden seien. Bei dem Erstochenen handelte es sich, wie wenig später bekannt wurde, um Ian Watkins.