PFAS
Gefährliche Chemikalien in der Südsee? Extremschwimmer finden den Beweis!
Ewigkeitschemikalien gelangen offenbar bis in die Südsee. Die besten Freiwasserschwimmer der Welt haben im Meer rund um Maui Wasserproben gesammelt, die nichts Gutes verheißen.
Für Urlauber ist das tiefblaue Wasser der Südsee ein Traum, für die Schwimmer von Epic Swim Maui war es eine enorme Herausforderung. 20 Tage brauchten die besten Freiwasserschwimmer der Welt, um die Insel Maui zu umrunden. Begleitet wurden sie auf ihrer Tour um das hawaiianische Eiland von einem Tross aus Booten und Jetskis. Die Besatzungen hielten Ausschau nach Haien, standen den 20 Schwimmerinnen und Schwimmern bei, wenn sie in den hohen Wellen oder starken Strömungen in Schwierigkeiten gerieten und reichten ihnen an bestimmten Stellen Kunststoffflaschen, um Wasserproben zu nehmen. Denn die selbst ernannten Expeditionsschwimmer hatten sich nicht nur eine schwere sportliche Aufgabe gestellt, sondern waren auch im Dienst der Wissenschaft unterwegs.
20 Tage brauchen die Extremschwimmer, um Maui zu umrunden. Boote und Jetskis begleiten sie dabei zum Schutz vor Haien und falls sie in Schwierigkeiten kommen © Hereon/DayanidhiDas
Ein paar Wochen später analysierte Hanna Joerss die Mitbringsel aus der Südsee in einem Labor des Helmholtz-Zentrums Hereon nahe Hamburg. Mit hochauflösender Massenspektrometrie suchte die Umweltchemikerin darin nach gefährlichen Substanzen: PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen). Ob Polarregionen oder entlegene Meeresgebiete, sprichwörtlich bis ans Ende der Welt gelangen die sogenannten Ewigkeitschemikalien.
Ewigkeitschemikalien verschwinden nicht mehr
Im Gegensatz zum Atlantik gibt es aus dem Pazifik bisher noch relativ wenige Daten über die Konzentrationen der Chemikalien. „Die Expeditionsschwimmer und -schwimmerinnen haben uns die einmalige Chance gegeben, an diese Daten heranzukommen und auch das Thema PFAS mehr in die Öffentlichkeit zu bringen“, freut sich Joerss. Es war die erste Erfahrung der Forscherin mit einem Citizen-Science-Projekt: „Sonst nehmen wir die Proben von Schiffen oder von Land aus selbst.“ Aber das ist logistisch viel aufwendiger. Um die Messergebnisse nicht zu verfälschen, hatte Joerss die Probenflaschen vor dem Versand nach Hawaii speziell gereinigt. Vor Ort bekamen die Laienforscher genaue Anweisungen, wie sie die Wasserproben nehmen sollten.
Starke Strömungen und hoher Seegang stellen in den Gewässern rund um Maui höchste Anforderungen an die Extremschwimmer. Unterwegs sammeln sie Proben zum Nachweis von Ewigkeitschemikalien © Hereon/DayanidhiDas
Auch wenn auf Hawaii weit und breit kein Industriebetrieb existiert, aus dem die Substanzen kommen könnten, fand Joerss 14 unterschiedliche PFAS in den Meerwasserproben. Ihre Konzentrationen entsprachen denen, die Wissenschaftler aus Wasserproben im Atlantik kennen. „Sie können zum Beispiel von Chemieparks an der Westküste der USA und aus Japan und China über die Atmosphäre und Meeresströmungen dorthin transportiert werden“, vermutet die Umweltchemikerin.
Einst galten die Stoffe als Wunderchemikalien. Sie sind wasserfest und schmutzabweisend und finden daher seit Jahrzehnten vielfältige Verwendung: In Bezügen von Polstermöbeln, in den Fasern von Teppichen, als Außenhaut von Outdoorbekleidung – und in Löschschäumen. Daher fand die Forscherin die Chemikalien auch in höherer Konzentration in Wasserproben, die in der Nähe eines Airports gesammelt wurden. „Bis vor ein paar Jahren verwendeten Flugzeugfeuerwehren standardmäßig PFAS-haltige Löschschäume, um Kerosinbrände zu löschen“, erklärt Joerss. Diese landeten dann offenbar rund um die Airports im Boden oder, wie im Fall von Maui, im Meerwasser.
Die Chemikalien reichern sich im Körper an
Da sich PFAS in der Umwelt praktisch nicht abbauen, reichern sie sich immer weiter an. Über Atemluft, über Trinkwasser und Nahrungsmittel gelangen sie auch in den menschlichen Körper und sammeln sich vor allem in eiweißreichen Geweben an. Aus Tierversuchen wissen Forscher, dass die Ewigkeitschemikalien der Gesundheit schaden. Sie beeinflussen das Immunsystem, den Hormonhaushalt und die Fortpflanzungsfähigkeit. „Das Problem ist, dass niemand weiß, ab welcher Konzentration die Mischung an PFAS im menschlichen Körper zu Gesundheitsproblemen führt“, sagt Joerss. Einige der Chemikalien wurden zwar inzwischen verboten, doch die Industrie ersetzte diese rasch durch andere PFAS, deren schädliche Wirkung (noch) nicht nachgewiesen ist.
Mit den von ihnen gesammelten Proben wollen die Freiwasserschwimmer einen Beitrag zum Meeresschutz leisten © Hereon/DayanidhiDas
Um diesen ewigen Wettlauf zu beenden, wird derzeit auf europäischer Ebene darüber diskutiert, generell nur noch eine eingeschränkte Nutzung von Ewigkeitschemikalien zu erlauben. „Es wäre sinnvoll, wenn PFAS nur für solche Produkte verwendet werden, bei denen sie nicht ersetzt werden können“, sagt Joerss. Das betrifft zum Beispiel medizinische Artikel wie Beatmungsschläuche oder Implantate. Für andere Produkte wie Outdoorjacken haben Firmen längst unproblematische Ersatzstoffe entwickelt. Obwohl sie lange bestritten haben, dass das möglich sei.
