
Die Präsidentin hatte ihren Sprechzettel gut einstudiert. Als Nadia Calviño am Donnerstagvormittag in Brüssel auf 2024 zurückblickte, ein Jahr der Rekorde, wich die neue Chefin der Europäischen Investitionsbank (EIB) immer dann aus, wenn die Fragen zu politisch wurden. Was denn aus den Überlegungen geworden sei, die Hausbank der Europäischen Union solle ihr Mandat ändern und künftig auch reine Rüstungsprojekte finanzieren? Dreimal stellten Reporter ihr diese Frage. Und dreimal sagte sie das Gleiche: Man erfülle „in vollem Umfang“ das Mandat, „die europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stärker zu unterstützen“, und sichere gleichzeitig die Finanzierungskapazität der Bank.
Diese betonte Vorsicht passt zu dem Stil, den Calviño pflegt. Im vergangenen Jahr tauschte sie den Posten als spanische Wirtschaftsministerin gegen die Präsidentschaft der EIB mit Sitz in Luxemburg. Die Bank gehört den EU-Staaten, sie fördert etwa Erneuerbare-Energie-Projekte, finanziert Wasserstoff-Produktionsanlagen und unterstützt den Neubau energieeffizienter Wohnungen. Im vergangenen Jahr hat sie Finanzierungen im Volumen von 89 Milliarden Euro zugesagt, so viel wie nie zu vor.
Seit einiger Zeit steht die selbst ernannte „Klimabank“ inmitten einer Debatte, die die EU auf Jahre hinaus beschäftigen wird: Wie gelingt es, stärker gemeinsam und insgesamt mehr in die Verteidigung zu investieren?
Die EIB stellt Geld für Verteidigung bereit – aber die Nachfrage fehlt
Keine Antwort auf diese Frage kommt ohne die EIB aus. Der Beitrag, den die Bank dazu heute leistet, hat sich binnen Jahresfrist verdoppelt. 2024 habe die Bank eine Milliarde Euro an Finanzierungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung zugesagt, teilte Calviño mit. Für 2025 hoffe man auf eine erneute Verdopplung.
Allerdings verbieten es die Kreditvergaberegeln der Bank, Geld für reine Rüstungsprojekte wie die Entwicklung von Panzern oder neue Munitionsfabriken bereitzustellen. Deshalb beschränken sich die Finanzierungen etwa auf Drohnen, auf den Ausbau von Häfen, damit dort Kriegsschiffe einlaufen können, oder die Entwicklung neuer Satelliten – alles sogenannte „Dual Use“-Projekte, die auch eine zivile Komponente haben. Derzeit seien 14 weitere Vorhaben in Prüfung, sagte Calviño. In einer „Roadshow“ habe man bereits Gespräche in 17 EU-Mitgliedstaaten geführt. Die Rückmeldungen seien stets sehr positiv. „Wir sind kein Verteidigungsministerium“, betonte Calviño. „Wir sind die Investitionsbank Europas. Und wir erfüllen unseren Auftrag mit einem sehr proaktiven Ansatz.“
Tatsächlich steht der EIB ein Finanzierungsvolumen von sechs Milliarden Euro für den Verteidigungsbereich zur Verfügung, von denen bis Ende 2025 vielleicht zwei abgerufen werden. Es fehle ganz einfach die Nachfrage nach dem Geld, heißt es aus Kreisen der Bank. Vor dem Hintergrund der Aussagen Calviños erscheint das logisch: Ein zusätzlicher Finanzierungsbedarf in der Verteidigungsindustrie entsteht schließlich erst durch konkrete Bestellungen. Rüstungskonzerne weisen regelmäßig auf die Diskrepanz zwischen politischen Bekenntnissen und den Auftragseingängen hin.
Der Druck auf die EU-Staaten kommt aus den USA
Bereits vor knapp einem Jahr hatten die EU-Mitgliedstaaten stärkere Anstrengungen der EIB im Bereich der Verteidigung verlangt. Sie forderten die EIB bei einem Brüsseler Gipfel im März vorigen Jahres auf, „ihre Politik für die Kreditvergabe an die Verteidigungsindustrie und ihre derzeitige Definition von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck anzupassen“. Dabei müssten allerdings gleichermaßen die jeweils einwandfreien Kreditwürdigkeits- und Nachhaltigkeitsratings der EIB geschützt bleiben.
Daraufhin hat die Bank die Definition von Dual-Use-Projekten und -Produkten bereits überarbeitet. Jetzt gehe es noch darum, restliche Grauzonen in den Kreditvergaberichtlinien zu beseitigen, heißt es. Das soll bis zum Sommer abgeschlossen sein. Von einer Änderung des Mandats, die eine direkte Rüstungsfinanzierung ermöglichen würde, ist einstweilen nicht mehr die Rede.
Die Diskussion darüber dürfte aber in diesem Frühjahr wieder Fahrt aufnehmen. Am kommenden Montag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs zu einem außerordentlichen Gipfel in Brüssel, um auszuloten, wie sie künftig im Bereich der Verteidigung mehr und besser kooperieren können. Es ist das erste EU-Gipfeltreffen seit der Amtseinführung von Donald Trump in den USA – und der will die Europäer bekanntlich zwingen, deutlich mehr Geld für ihre Verteidigung auszugeben.
Drei Dinge sind nun sicher: Die EU-Staaten werden sich erstens lange über die Verteidigungskooperation und mögliche gemeinsame Finanztöpfe streiten. Zweitens wird die EIB in dieser Debatte immer wieder vorkommen. Und gemessen am Finanzierungsbedarf von dreistelligen Milliardensummen pro Jahr sind deren bisherige Anstrengungen, drittens: überschaubar.