Das Jahr 2024 wird dem EU-Klimadienst Copernicus zufolge das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. So gut wie sicher werde es das erste Jahr, in dem es im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel war. Die durchschnittliche Temperatur könne weltweit sogar mindestens 1,55 Grad darüber liegen, prognostiziert Copernicus. 2023 waren es 1,48 Grad. Schon damals sprach UN-Generalsekretär António Guterres von einem „Klimazusammenbruch“.
Die Copernicus-Daten beruhen auf computergenerierten Analysen, die Milliarden an Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt nutzen. Die Aufzeichnungen reichen bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts und teils bis 1850 zurück. In den vergangenen Jahren zeigen sie einen deutlichen Anstieg: 2010 war es demnach zwischen Januar und Oktober erstmals ein Grad wärmer als im vorindustriellen Zeitalter. Seit 2015 ist dies dauerhaft der Fall.
Im Oktober dieses Jahres lag die durchschnittliche Lufttemperatur Copernicus zufolge bei 15,25 Grad und damit 0,8 Grad über dem Durchschnitt dieses Monats der Jahre 1991 bis 2020 sowie um 1,65 Grad höher als im selben Monat der vorindustriellen Jahre. In 15 der zurückliegenden 16 Monate habe die Temperatur jeweils 1,5 Grad über dem vorindustriellen Mittel gelegen. Die durchschnittlichen Meerestemperaturen erreichten laut Copernicus mit 20,68 Grad den zweithöchsten Wert in einem Oktober jemals und waren nur etwas niedriger als im Vorjahresmonat.
Wenig Hoffnung für nächste Weltklimakonferenz
Die Vizedirektorin des EU-Klimadienstes, Samantha Burgess, sagte zu den aktuellen Daten: „Dies stellt einen neuen Meilenstein in der globalen Temperaturaufzeichnung dar.“ Der Wert solle als Beschleuniger dienen, um die Ziele für die bevorstehende Klimakonferenz COP29 Mitte November in Aserbaidschans Hauptstadt Baku zu erhöhen. Der Klimawissenschaftler Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zeigte sich allerdings skeptisch, was die Schlagkraft des Treffens angeht: „Die COPs sind offensichtlich nicht zielführend, und in Baku wird es auch keinen Durchbruch geben“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten die Staaten weltweit vereinbart, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, möglichst aber auf 1,5 Grad. Dieses Ziel von 1,5 Grad habe einen hohen Symbolwert, erklärte der Klimawissenschaftler Steve Smith von der Universität Oxford.
Politiker sähen es zumeist so, sagte Latif, dass die 1,5-Grad-Schwelle erst als gerissen zu betrachten sei, wenn die mittlere Jahrestemperatur zwei Jahrzehnte lang dauerhaft über diesem Wert lag. Eine solche Betrachtung sei jedoch unsinnig. Der Treibhausgas-Ausstoß sei auch im vergangenen Jahr wieder historisch hoch gewesen, so Latif, alle Klimaparameter wiesen in die falsche Richtung. Es sei absolut klar, dass die Erderwärmung weiter zunehmen werde – für eine Bestätigung müsse man keine 20 Jahre warten.
„Wir werden die 1,5 Grad reißen, und wir werden auch die zwei Grad reißen“
Wann die 1,5-Grad-Schwelle als erreicht gilt, sei längst nicht mehr die Kernfrage, betonte auch Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Wann sind wir bei den Emissionen auf netto Null, das muss das Ziel sein.“ Ohne gestoppten Ausstoß werde es immer weiter einen Temperaturanstieg geben, sagte der Klimaforscher der dpa. Eine Folge seien mehr und stärkere Starkniederschläge, wie sie gerade erst die Region um Valencia in Spanien trafen. „Es werden weiter Menschen sterben, umso mehr, je stärker wir die Temperaturen nach oben treiben.“„Wir werden die 1,5 Grad reißen, und wir werden auch die zwei Grad reißen“, sagte Latif. Der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre steige immer schneller – und Land und Meer könnten künftig weniger des Treibhausgases aufnehmen. Selbst wenn alle CO₂-Emissionen jetzt sofort gestoppt würden – was vollkommen illusorisch sei –, würde die Trägheit des Klimasystems Latif zufolge dazu führen, dass die Erderwärmung in den folgenden Jahrzehnten noch um etwa ein halbes Grad zulegt.