In seinem Essay „Über die Einsamkeit der Sterbenden in unseren Tagen“ forderte Norbert Elias 1982, das allerletzte Tabu endlich zu brechen. Der Text ist heute noch so lesenswert wie damals. Mindestens.
Von Jonas Hertel und Coraly von Welser
Wenn Kinder heute fragen, woher die Babys kommen, werden sie nicht länger mit Anspielungen und Halbwahrheiten abgewimmelt. Zehnjährigen empfiehlt man den Titel „Total normal: Was du schon immer über Sex wissen wolltest“. Das Buch „Von wegen Bienchen und Blümchen! Aufklärung, Gefühle und Körperwissen für Kinder“ ab fünf ist sogar ein Bestseller. Im Laufe seines Lebens, das fast das gesamte 20. Jahrhundert umfasste, konnte Norbert Elias beobachten, wie sich die Rede über sexuelle Themen zunehmend entspannte. Die „Scham- und Peinlichkeitsschwelle“ sei, was die Sexualität angehe, merklich gesunken, schrieb der deutsch-britische Soziologe. „In Bezug auf Sterben und Tod“ allerdings hätten sich „Verdrängung und Peinlichkeitsgefühle eher noch verstärkt“. Nichts sei bezeichnender dafür als die Hemmungen der Erwachsenen, mit Kindern über den Tod zu sprechen.
