ESG und nachhaltige Geldanlagen: Status und Herausforderungen – Wirtschaft

Die Zeiten waren schon mal besser für grüne Geldanlagen. Im Jahr 2019 kam von der EU die Vorgabe, die Wirtschaft in Richtung Klimaschutz umzubauen. Und da die Staaten das allein nicht leisten können, sollen auch private Investoren dabei mithelfen. Es entstand eine Aufbruchstimmung rund um das Thema ESG, das für Ecology (Umwelt), Social und Governance (Unternehmensführung) steht. Ratingagenturen legten Kriterien fest, wie sich Unternehmen in dem Bereich idealerweise verhalten, viele Unternehmen bemühten sich, ihr Geschäft in die Richtung zu transformieren, und Investoren fragten grüne Geldanlagen zunehmend nach.

Heute, sechs Jahre später, sieht es nicht mehr ganz so gut aus. In den USA ist ESG unter der Regierung von Präsident Donald Trump regelrecht zum Schimpfwort verkommen, Vermögensverwalter ziehen Kapital aus Unternehmen mit gutem ESG-Rating ab und investieren es lieber wieder in konventionelle Firmen. Und so stand die Frage, ob das Konzept ESG gescheitert ist, groß im Raum bei einer Podiumsdiskussion auf dem SZ-Nachhaltigkeitsgipfel.

Die drei Diskutanten wiesen dies entschieden zurück. „Nicht ESG ist gescheitert, wir sind damit gescheitert, ESG in den Mainstream zu bringen“, sagte Kristina Jeromin, Co-Leiterin der Transformationsinitiative „Made in Germany 2030“; sie entwickelt Strategien für Unternehmen aus den Bereichen Automobil, Chemie, Stahl, Immobilien und Energie, mit denen diese ihre Klimabilanz verbessern können. „Mir ist es egal, was der US-Präsident macht“, sagte Jeromin, „wir müssen hier schauen, dass Kapital richtig allokiert wird in Unternehmen, die Klimarisiken reduzieren.“ Derzeit gehe es vor allem darum, Kriterien festzulegen, wie das Sondervermögen des Bundes, das für Umwelt vorgesehen ist, in zukunftsfähiges Geschäft umgemünzt werden könne, „und das heißt dekarbonisiertes Geschäft“.

„Die Segel neu setzen“

Die Auskunftei Creditreform, bekannt vor allem für Bonitätsprüfung, hat sich in den vergangenen Jahren auch darauf spezialisiert, Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit zu beraten. „Wir haben schon mit 700 000 Unternehmen in Deutschland über das Thema gesprochen“, sagt Benjamin Mohr, der das ESG-Geschäft verantwortet. Er kann kein „Roll-back“, also keine Rückentwicklung feststellen. „Das Thema ist da, viele Unternehmen sind schon losgelaufen und haben viel geleistet.“ Zudem stehe die Regulierung weiter und werde wichtig bleiben. Der Wind sei beim Thema ESG lange von hinten gekommen, jetzt komme er aus Deutschland von der Seite und aus den USA von vorn, „das heißt aber nur, dass wir unsere Segel neu setzen müssen“, sagte Mohr.

Mauricio Vargas, Finanzexperte bei der Umweltorganisation Greenpeace, hält es für ein ebenso mächtiges wie falsches Narrativ, ESG sei gescheitert. „Es gibt ein breites Bewusstsein dafür, dass bestimmte Geschäftsmodelle nicht mehr gehen“, sagte er, zum Beispiel würden keine Kohlekraftwerke mehr gebaut. Entscheidend sei, dass die Politik bereit sei, den Rahmen zu setzen, um Klima- oder Wasserschutzziele zu erreichen. „Den Lobbyverbänden gelingt es immer wieder, die Ziele zu schleifen, und die Politik bricht vor ihnen ein“, sagte Vargas. Wenn sie nicht bereit sei, Teilen der Wirtschaft Schmerzen zuzufügen, werde auch nichts passieren.

Es klang wie eine Zusammenfassung des Themas, als Kristina Jeromin von „Made in Germany 2030“ sagte: „Wir sollten uns nicht fragen, ob ESG gescheitert ist, sondern wie wir es besser machen können.“ Es gehe in erster Linie darum, Kapital in zukunftsfähige Geschäftsfelder zu lenken. Der Weg dahin sei von Sektor zu Sektor verschieden. Es brauche klare Bekenntnisse, auch von Unternehmenslenkern, um vom Reden ins Handeln zu kommen, bevor die nächste Wahl anstehe. Am Ende gehe es darum, den Industriestandort zu erhalten und ihn gleichzeitig ökologisch zu transformieren – „und das heißt: fossile Energien raus und erneuerbare rein“.