„Die Nachspielzeit beträgt SIEBEN Minuten!“, rief der Stadionsprecher so lautstark wie beschwörend aus, dass man es wohl auch hinter den sieben Bergen noch gehört hat. Und dabei dauerte die Nachspielzeit sogar deutlich länger, viel länger, als es Dino Toppmöller erträglich fand. 4:3 führte die Eintracht beim 1. FC Köln – noch führte sie, wie es nicht nur Frankfurts Trainer empfand.
Toppmöller wich in diesem Finale dem vierten DFB-Aufseher nicht mehr von der Seite, unentwegt zeigte er ihm die imaginäre Armbanduhr und redete auf ihn ein, damit er den Hauptschiedsrichter Florian Badstübner zum Abpfiff bewegte. Doch dieser tat seine gerechte Pflicht. Als Frankfurts Abwehrchef Arthur Theate zu Boden sank und einen Wadenkrampf andeutete, zeigte Badstübner der zornig pfeifenden Kölner Fankurve sofort das Zeichen für weitere Nachspielzeit an. Toppmöllers Leid wurde nicht kleiner. Zum Jubel fehlte ihm die Energie, als die Zitterpartie endlich überstanden war.
Dieses aufregende Finish war eine Zugabe, die keiner mehr erwartet hatte. Frankfurt hatte bis in die 82. Minute 4:1 geführt und die Begegnung dank spielerischer Überlegenheit so sehr beherrscht, dass das Dobbspiel (Lothar Matthäus) der Traditionsklubs zum großen Gähnen einlud. Zwischen den beiden Teams tat sich ein Unterschied auf, der ihrem jeweiligen Status entsprach: hier der Aufsteiger, dort der Champions-League-Klub. Aber der 1. FC Köln ist kein gewöhnlicher Aufsteiger, schon gar nicht, wenn er wie am Samstag mit dem Einwechselspieler Said El Mala einen beinahe unverschämt starken und spielverändernden Trumpf ziehen kann. Und Eintracht Frankfurt ist auch nicht das typisch abgezockte Königsliga-Ensemble, das auf Knopfdruck rationale Wunschergebnisse erzielt. In der Liga gab es schon ein 3:4 gegen Union und ein 6:4 in Gladbach – nach 6:0-Führung! -, im Europacup zwei 1:5-Niederlagen und einen 5:1-Sieg. „Wir müssen das als Kollektiv besser machen und einfach die Ruhe behalten“, sagte Sportchef Markus Krösche und meinte damit nicht nur das Spiel in Köln, das beinahe noch aus den Händen gegeben wurde. Er sprach damit die gesamte, launenhafte Saison an.
Aus Sicht der Eintracht brachte die Partie sowohl Helden als auch deren Gegenteil hervor: Zu den Gefeierten gehörten der Doppeltorschütze Jonny Burkardt und der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler Mo Dahoud, der im Kalenderjahr 2025 nur ganz selten zum Einsatz gekommen war, neuerdings aber wieder gefragt ist, und mit seiner beharrlichen und positiven Art laut Toppmöller „definitiv ein Beispiel sein sollte, nicht nur in unserem Kader“.
Die Ersatzspieler hätten „mit Sicherheit keine Werbung“ für sich betrieben, sagt Eintracht-Coach Toppmöller
Zu den Nichthelden gehörten die Spieler, mit denen Dahoud kürzlich noch die Reservebank teilte. Der dreifache Wechsel in der 77. Minute hätte die SGE beinahe noch die Punkte gekostet: Während Ellyes Skhiri halbwegs solide seine Arbeit im Mittelfeld erledigte, nahmen die Angreifer Jean-Matteo Bahoya und – ganz besonders – Elye Wahi am Geschehen nicht teil. Frankfurt spielte auf einmal gewissermaßen in Unterzahl. Mit ihrer Stellung in der Reserve sind beide nicht zufrieden, doch sowohl der teuer eingekaufte Wahi als auch der schon als nächster Frankfurter Toptransfer taxierte Bahoya handelten sich keine Sympathien beim Trainer ein. Die Einwechselspieler hätten „mit Sicherheit keine Werbung für mehr Einsatzzeiten betrieben“.
Während von der Frankfurter Bank mehr Probleme als Lösungen ausgingen, gab es für die Kölner Ersatzleute überall Komplimente: Vom FC-Coach Lukas Kwasniok, der ohnehin mit seiner variablen Besetzungspolitik die klassische Unterscheidung zwischen Startelf- und Einwechselspieler aufgehoben hat und sich nun am Effekt einer „tollen Bank“ erfreuen durfte. Und vom Eintracht-Trainer Toppmöller, der hervorhob, El Mala („outstanding!“), Waldschmidt und Kainz hätten „großen Impact gebracht“.
Wer weiß, um wie viel größer die Wirkung von El Mala und Kainz gewesen wäre, wenn sie nur eine Minute früher auf das Feld hätten kommen können. Doch als die beiden schon zur Einwechslung bereitstanden, verletzte sich bei einer Rettungsaktion der schweizerische FC-Verteidiger Joel Schmied und musste vom Platz geführt werden. Kwasniok war gezwungen umzudenken und das Team strategisch neu zu ordnen, der Fall sei „in der kurzen Zeit nicht so leicht zu überblicken“ gewesen, sagte er später. So spielten die Kölner vorübergehend in Unterzahl, und die Eintracht nutzte die Situation durch Burkardts 4:1 (63. Minute). Es war jener Treffer, der in der Schlussrechnung den Sieg brachte.
