Ermittlungen gegen Pfarrer in Darmstadt


Der Pfarrer der evangelischen Michaelsgemeinde in Darmstadt darf sein Amt vorerst nicht mehr ausüben. Ein in der Gemeinde veranstalteter „antikolonialer Weihnachtsmarkt“ hatte für Empörung gesorgt, weil dort Produkte mit Symbolen der palästinensischen Terrororganisation Hamas verkauft wurden.

Angeboten wurden etwa Schlüsselanhänger mit dem sogenannten Hamas-Dreieck: In Propagandavideos der Miliz werden mit diesem roten, auf dem Kopf stehenden Dreieck Feinde markiert. Den Markt hatte die Gemeinde gemeinsam mit der israelfeindlichen Aktivistengruppe „Darmstadt 4 Palestine“ organisiert.

Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige

Mehrere Strafanzeigen wurden gegen die Gemeinde gestellt, unter anderem von der Jüdischen Gemeinde in Darmstadt, aber auch von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) selbst, zu der die Michaelsgemeinde gehört.

Die Stadt Darmstadt hat ebenfalls eine Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gestellt. „Die Wissenschaftsstadt Darmstadt möchte die Jüdische Gemeinde mit ihrer Strafanzeige nicht allein lassen, sondern ihre volle Unterstützung beim Kampf gegen Antisemitismus zum Ausdruck bringen“, teilte Oberbürgermeister Hanno Benz (SPD) am Freitag mit. Die Darmstädter Staatsanwaltschaft ermittelt nach ihren Angaben wegen des Verdachts auf Volks­verhetzung.

Mehr Differenzierung gefordert

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat mehr Differenzierung gefordert. Der Vorfall in Darmstadt zeige ein grundlegendes Pro­blem, sagte Klein dem Evangelischen Pressedienst: „Das verständliche Anliegen, das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung anzumahnen, hat in unserer Gesellschaft nahezu keinen Raum, da es von Israelhassern vereinnahmt wird.“

Genau das sei auch in Darmstadt geschehen, sagte Klein. „Statt ‚Frieden‘ wurde die Vernichtung Israels propagiert und wurden Devotionalien einer mörderischen Terrororganisation verkauft.“ Das sei nicht nur unehrlich, sondern auch verabscheuungswürdig. Dies gelte auch dafür, dass der Gemeindepfarrer nun Morddrohungen erhalte. „Was wir als Gesellschaft brauchen, ist die Rückkehr zu einem differenzierten und unideologischen Diskurs“, sagte Klein.

„Israelbezogener Antisemitismus“

„Darmstadt ist ein trauriges Beispiel für die Salonfähigkeit von israelbezogenem Antisemitismus“, äußerte sich der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) am Freitag über den „antikolonialen Weihnachtsmarkt“. Es müsse „endlich Schluss sein mit der Kooperation mit Israelhassern“.

Der Eklat um den Markt wäre vermeidbar gewesen, hätte die Gemeinde die „Alarmzeichen“ ernst genommen. Die eingeladenen Aktivisten seien als „Teil eines Netzwerkes, in dem sich die unterschiedlichsten extremistischen Gruppen wiederfinden“, lange bekannt gewesen.

Pfarrer verteidigt sich

Die EKHN nutzt das Pfarrdienstrecht, um dem Geistlichen der Gemeinde mit sofortiger Wirkung vorläufig die Ausübung seines Amtes zu untersagen. Dies gilt für drei Monate. In einer Mitteilung schreibt die Leitung der Landeskirche, dass sie weiter das Gespräch mit der Gemeinde suche, um die Vorwürfe aufzuklären. Bislang aber seien „die Auskünfte weiter dürftig“.

Daniel Neumann, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Darmstadt, sprach von einer klaren Reaktion der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie sei „gut, respektabel und angemessen“.

Manfred Werner, der Pfarrer der Gemeinde, hatte der F.A.Z. gesagt, dass er von den Aktivisten getäuscht worden sei. Die Produkte mit Hamas-Symbolen seien ohne sein Wissen verkauft worden. Er stehe eindeutig gegen Antisemitismus. Inzwischen ist das für die Organisation des Weihnachtsmarkts zuständige Mitglied des Kirchenvorstands zurückgetreten.