Erinnerung an Chris Rea: Gone Fishing

Das hätte ich sein können: Dieser Satz sticht wie ein Messer. Er fällt jemandem ein, der schon weit weg ist, in diesem Fall nicht über alle Berge, sondern auf dem offenen Meer. Der Blick geht zurück an die Küste, sieht dort „peace on the shoreline” und führt dann zur Einsicht: „That could have been me“. Aber es ist ein Satz mit X.

Der hier singt, ist „gone fishing“. Das sagt man im Englischen, wenn man sich eine Zeit lang ausklinkt – oder auch für immer. Inzwischen ist es auch hierzulande ein Tassen- und T-Shirt-Spruch: Mir reicht’s, ich geh angeln. Dass Chris Rea daraus ein Lied gemacht hat, beweist seinen Hang zur populären Anschlussfähigkeit, die sich in vielen Hits von „Driving Home for Christmas“ über „On the Beach“ bis zu „The Road to Hell“ ausdrückt.

Er weiß gar nichts vom Angeln

„Gone Fishing“ taugt allerdings eher nicht zur Radiosingle. Es ist eine abgeklärte Ballade, die von den ersten Takten an klarmacht, dass ihr lyrisches Ich aus allen Zusammenhängen herausgetreten ist. Der Text ist ziemlich einsilbig, er schnurrt zusammen auf die Aussage: Bin dann mal weg, Du wirst ohnehin nie glücklich sein, und nichts, was ich unternehme, wird das ändern. Die Trennung war unausweichlich.

DSGVO Platzhalter

Der lakonische Witz steckt entsteht zwischen der Zeile „I got me a line“ („Ich hab mir ne Angel gekauft“) und dem gleichzeitigen Eingeständnis: „I know nothing about fishing“. Er hat keine Ahnung vom Angeln, aber haut trotzdem ab. Fast kindlich wirkt der Trotz, wenn er noch hinzufügt: „But just watch me go“.

Der Text spricht für sich, aber zusammen mit der Musik erzeugt er eine Reibung. Denn ganz so leicht fällt der Abschied eben nicht, das hört man dem rauchig-abgeklärten Parlandoton von Chris Reas Stimme an, erst recht aber seiner weinenden Slide-Gitarre, die schließlich das Regiment in diesem Lied übernimmt.

„Gone Fishing“ bildet den Abschluss des Albums „Auberge“, einen konzeptuellen Schritt ins Offene – aber es wirkt jetzt, nachdem Chris Rea am 22. Dezember im Alter von 74 Jahren gestorben ist, wie ein Gesamtvermächtnis. Ja, viele seiner Songs hatten Zuckerguss, manchmal viel zu dicken („Dudidudu – Heaven“). „Gone Fishing“ aber ist ein gutes Beispiel für den ab- und hintergründigen Zug seines Werks, das deutlich reicher war, als es anhand der bekannten Hits scheinen mag und in dem es auch bittere Stücke und viel Blues gab. Den zu singen und zu spielen hatte er manchen Anlass. In diesem steckt dann sogar noch eine tiefe Lebensweisheit:

„You can waste a whole lifetime / Trying to be / What you think is expected of you / But you’ll never be free / May as well go fishing“. Am Ende bleibt die Spannung zwischen versöhnlichem Ausklang und dem Wissen, dass der, der da singt, ganz allein im Boot sitzt. Wir winken zum Abschied.

I’m going fishing
I got me a line
Nothing I do is gonna make the difference
So I’m taking the time

And you ain’t never gonna be happy
Anyhow, anyway
So I’m going fishing
And I’m going today

I’m going fishing
Sounds crazy I know
I know nothing about fishing
But just watch me go

And when my time has come
I will look back and see
Peace on the shoreline
That could have been me

You can waste a whole lifetime
Trying to be
What you think is expected of you
But you’ll never be free