Erfolgsserie: Wie Vincent Kompany den FC Bayern neu geordnet hat und Uli Hoeneß begeistert

Der FC Bayern kann in den kommenden Tagen einen Rekord aufstellen. Unter Vincent Kompany sind die Münchner auf dem Weg zur besten Hinrunde der Klubhistorie. Der anfangs skeptisch beäugte Trainer ist maßgeblich daran beteiligt. Er macht einiges anders als seine Vorgänger.

Der Chef startet mit einer besonderen Routine in den Tag. Jeden Morgen trinkt Vincent Kompany einen Smoothie aus Beeren, Roter Beete, Ingwer, Avocado und Kurkuma. Es folgen Trainings und Besprechungen – und jede Menge Koffein. „Ich trinke wirklich viel Kaffee“, sagte der Trainer des FC Bayern dem Klubmagazin „51“. Die Köche des deutschen Fußball-Rekordmeisters berichten zudem, der Pfefferverbrauch sei gestiegen. Kompany liebt das Gewürz in seiner Suppe am Mittag.

Nicht nur mit diesen Vorlieben hat er viele im und um den Klub überrascht. Der 39-Jährige ist ein Gewinner des Jahres. In seiner zweiten Saison bei den Bayern ist sichtbar, wie viele seiner Ideen greifen. Und wie gut er dem Klub tut.

Der Belgier hat vor allem eines geschafft – er hat vieles neu geordnet beim FC Bayern. Auf dem Spielfeld, in der Kabine und in den Köpfen der Spieler. Die Folge: es könnte die beste Hinrunde der Vereinsgeschichte werden. Obwohl Jamal Musiala, Alphonso Davies und Hiroki Ito in den vergangenen Monaten verletzt ausfielen.

In der Champions League ist bereits Winterpause. Das letzte Spiel des Jahres gewannen die Bayern Dienstag 3:1 gegen Sporting Lissabon. Mit fünf Siegen aus sechs Spielen – darunter Erfolge gegen den FC Chelsea und Paris St. Germain – sind sie Tabellenzweiter hinter dem FC Arsenal.

Bayerns Sehnsucht nach Berlin

In der Bundesliga erzielten sie in 13 Partien 40 Tore, sind ohne Niederlage und mit acht Punkten Vorsprung auf RB Leipzig Tabellenerster. Sonntag (17.30 Uhr, DAZN) treffen sie im letzten Heimspiel des Jahres auf den 1. FSV Mainz 05, im DFB-Pokal haben es die Münchner erstmals seit drei Jahren wieder ins Viertelfinale geschafft, das Spiel gegen RB Leipzig steigt am 11. Februar (20.45 Uhr, ARD und Sky). Die Bayern sind in den vergangenen fünf Spielzeiten immer frühzeitig aus dem Wettbewerb ausgeschieden. 2020 gelang der letzte Pokalsieg. „Ich möchte natürlich wieder nach Berlin fahren nach diesem Spiel, ganz klar“, sagte Kompany mit Blick auf das Endspiel am 23. Mai 2026 im Olympiastadion.

Kompanys Mannschaft ist die laufstärkste der Liga. Der Trainer sagt: „Ich will ein Team mit der Wucht eines Hurrikans.“ Ein Team voller Spieler, die sich gegenseitig tragen. Dieses hat er geformt. Wenngleich die Bayern kürzlich 1:3 beim FC Arsenal verloren und zuletzt wieder mehr Gegentore zuließen, gehören sie für viele zum Kreis der Favoriten auf den Triumph in der Champions League.

Seit fünf Jahren waren sie nicht im Finale des wichtigsten Klubwettbewerbs der Welt. Und weil internationale Erfolge Teil ihres Selbstverständnisses und für ihre Vermarktung und Einnahmen enorm wichtig sind, ist die Sehnsucht nach einer Endspiel-Teilnahme groß.

Als Abwehrchef und Kapitän führte Kompany Manchester City. Jetzt führt er eine Mannschaft voller Egos, voller Weltstars. Er moderiert das Aufgebot, vom FC Hollywood ist nichts zu erkennen. Die Spieler folgen ihm, es gibt keine Unruhe.

Wie Kompany Lennart Karl fördert

Kompany hat auch im Binnenverhältnis vieles verändert. Sein Vorgänger Thomas Tuchel wurde intern kritisch gesehen. Das Verhältnis zwischen Kompany und den mächtigen Aufsichtsräten Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge ist sehr gut.

Kürzlich sagte Hoeneß zu Kompany in einem persönlichen Gespräch: „Früher hat man in der 80. Minute gehofft, dass das Spiel bald zu Ende ist. Jetzt sagt man sich: Hoffentlich spielen die noch lange, weil es so viel Spaß macht.“ Es sei bislang beinahe alles eingetroffen, was der Klub im vergangenen Sommer geplant hatte. „Wir haben jetzt einen Trainer, der bereit ist, junge Spieler einzubauen – und das ist natürlich wunderbar“, so Hoeneß.

Seit Wochen begeistert der erst 17-jährige Lennart Karl die Experten und Fans. Kompany gibt ihm Vertrauen und Spielzeit. Karl wird inzwischen sogar als Nationalelf-Kandidat für die WM im kommenden Sommer gehandelt. „Jeder Stammspieler bei Bayern München – vor allem jetzt, wie wir gerade spielen – gehört dann auch in die Nationalmannschaft“, sagte Nationalelf-Kapitän Joshua Kimmich nach dem erfolgreichen Jahresabschluss in der Champions League und dem Riesenschritt Richtung Achtelfinale.

Wie hat es Kompany geschafft, die erste Hälfte seiner zweiten Bayern-Saison so erfolgreich zu gestalten? „Harte Arbeit, aus Fehlern lernen, Klarheit für die Spieler schaffen – und vor allem Ruhe und Stabilität bewahren“ – so beschreibt er die Entwicklung.

Sogar viele Fans, die den FC Bayern nicht unbedingt mögen, sagen, dass ihnen Kompany sympathisch ist. Das muss einem Trainer eines solch polarisierenden Klubs erstmal gelingen.

Kompany bleibt sich treu, in Bezug auf seine Spielidee, seine Art und seine Kleidung. Auch in der Champions League trägt er weite Hosen und sportliche Jacken statt Anzug. In Interviews und auf Pressekonferenzen ist er höflich und humorvoll. Und stellt nie sich in den Mittelpunkt. Sein Credo: „Ich will nicht Kompany-Fußball sehen – ich will Bayern München sehen.“

Von Startrainer Pep Guardiola lernte er: Man muss mit der eigenen Persönlichkeit coachen. „Man braucht einen roten Faden, der einem Orientierung gibt in einer Branche voller Meinungen über Systeme, Taktiken und Spiele.“ Kompany fordert die Meinung seiner Spieler ein. Und macht immer wieder klar, was ihm besonders wichtig ist: Kreativität und Zusammenhalt. „Teamwork schlägt Taktik“, sagt Kompany.

Am vergangenen Dienstag kam es zu einer Szene, die viel über Kompany sagt. Und über den Geist, den er in die Kabine gebracht hat. Der Trainer berichtete nach dem Sieg gegen Lissabon, wie sich in der vergangenen Saison alle Spieler für Harry Kane und Eric Dier gefreut hätten, weil die beiden Spieler noch nie einen Titel gewonnen hatten. „Da war dieses Feuer in der Mannschaft“, so Kompany. In dieser Saison solle jeder Spieler spüren, wie besonders Erfolge für die lange verletzten Musiala, Davies und Ito sind. Kompanys Botschaft: Gewinnt füreinander.

Kompany managt das Star-Aufgebot der Bayern mit viel Fingerspitzengefühl. Seinem Offensivstar Luis „Lucho“ Díaz gönnte er zuletzt im Jahresendspurt des FC Bayern München überraschend einen Kurzurlaub. Möglich macht die ungewohnte Maßnahme eine Doppel-Sperre des kolumbianischen Nationalspielers: Diaz war in der Champions League gesperrt und fehlt gegen Mainz wegen seiner fünften Gelben Karte in der Liga.

„Lucho hat immer alles gespielt, nicht nur für uns, sondern auch für die Nationalmannschaft. Er hat auch die längsten Reisen. Man spricht immer über mehr und mehr Spiele. Ich glaube, das ist jetzt einfach vernünftig, dass er ein paar Tage weg ist und dann mental und physisch wieder hundert Prozent zurückkommt“, sagte Bayern-Trainer. „Wichtig ist für mich, dass er jetzt mit seiner Familie zusammen ist.“

Beim 5:0 auswärts gegen den VfB Stuttgart vor einer Woche hatte Kompany den Superstar Kane zunächst draußen gelassen. Nach dessen Einwechslung erzielte der englische Stürmer drei Tore. Ein „großartiges Kadermanagement“, nannte das Bayerns Sportvorstand Max Eberl.

Kompany weiß, dass all das Lob aus dem letzten Quartal 2025 wenig bringt, sofern in 2026 keine Titel daraus resultieren. Aber bald ist erstmal Weihnachten. Zeit zum Entspannen für einen Trainer, den alle im Verein als enorm akribisch bezeichnen. An den Feiertagen gibt es bei Familie Kompany traditionell Lamm mit Rosenkohl und Kartoffelgratin. Und dieses Jahr kommt etwas dazu: Kaiserschmarrn – Hoeneß hat dem Trainer die Süßspeise am Tegernsee gezeigt.

Ein weiterer Beleg dafür, dass Vincent Kompany beim FC Bayern total angekommen ist.

Julien Wolff ist Sportredakteur. Er berichtet für WELT seit vielen Jahren aus München über den FC Bayern und die Nationalmannschaft sowie über Fitness-und Sport-Ernährungs-Themen. Er wird bei der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko als Reporter vor Ort sein.

Dieser Artikel stammt aus der Guest Edition der WELT AM SONNTAG von Andreas Gursky, einem der berühmtesten Fotografen der Welt. Sie können dieses einzigartige Sammlerstück hier bestellen.