Epstein-Files: Politische Schlacht geht nach Teilveröffentlichung weiter


Donald Trump erwähnte die „Epstein Files“ nicht ein einziges Mal. Nicht im Weißen Haus. Und auch nicht bei einem Auftritt in North Carolina am Freitagabend, der gleichsam der Wahlkampfauftakt für die Kongresswahlen im kommenden Herbst war. Der Präsident hielt sich gewissermaßen ans Drehbuch.

Das Justizministerium hatte da gerade – wenige Stunden vor dem gesetzlichen Fristablauf – tausende Akten im Fall Jeffrey Epstein veröffentlicht. Klar war, dass die schiere Menge an Dokumenten und Fotos Medienleute und andere interessierte Beobachter überfordern würde. Eine erste Sichtung machte aber schnell klar: Große neue Enthüllungen würde es wohl nicht geben. Dass man solche nicht erwarten sollte, hatte Todd Blanche, der stellvertretende Justizminister, kurz vor der Veröffentlichung schon deutlich gemacht.

Stattdessen: Bilder vom Fitnessraum des Sexualstraftäters, der sich 2019 vor Prozessauftakt in seiner New Yorker Gefängniszelle das Leben genommen haben soll. Fotos Epsteins sowie von seiner Komplizin Ghislaine Maxwell – mit ihm im Arm oder solo, verkleidet als Kampfpilotin. Außerdem mehrere Bilder von Bill Clinton, die ihn im Whirlpool und im Swimming Pool zeigen – das Kopfkino der MAGA-Bewegung wurde durch die Veröffentlichung also auch bedient.

Weitere Dokumente sollen in den kommenden Wochen veröffentlicht werden

Aber nichts Neues über Trump. Das überraschte nicht. Auch nicht die umfangreichen Schwärzungen der Dokumente in der „Epstein Library“, die das „Department of Justice“ (DOJ) auf seiner Website freischaltete. Die Mediathek enthält Gerichtsakten, Unterlagen des Justizministeriums, Auskünfte auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes sowie Unterlagen eines Kontrollausschusses des Repräsentantenhauses. Ein Großteil sind Dokumente des DOJ.

Schließlich: Kurz nach der Freischaltung am Freitagnachmittag wurde bekannt, dass die amerikanischen Streitkräfte einen „massiven“ Vergeltungsschlag in Syrien begonnen hatten, wo die Terrormiliz „Islamischer Staat“ vor wenigen Tagen drei Amerikaner getötet hatte. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um das Timing der Operation zu hinterfragen.

Blanche, der vor seinem Eintritt in die Regierung einer der persönlichen Anwälte Trumps war und nach Auffassung vieler Demokraten immer noch als solcher agiert, hatte angekündigt, am Freitag „mehrere hunderttausend Dokumente“ freizugeben.  Hunderttausende weitere Papiere würden in den kommenden Wochen veröffentlicht. Am Ende waren es zunächst nur mehrere tausend Akten, aber mehr als hunderttausend Seiten, weshalb Blanche wohl auf seine Angabe gekommen ist.

Dass nicht alle Ermittlungsakten fristgerecht veröffentlicht wurden, begründete das Justizministerium mit dem Opferschutz. Jedes einzelne Dokument, jedes einzelne Foto müsse darauf überprüft werden, ob es Hinweise auf frühere Opfer Epsteins und seiner Kunden enthalte, die anonym bleiben wollen. Zwar gibt es eine kleine Gruppe von Frauen, die über ihren Jahre zurückliegenden Missbrauch öffentlich berichten – der Großteil der Opfer will das aber nicht. Die Prüfung aller Dokumente seit dem Kongressvotum zur Freigabe sei in der 30-Tage-Frist nicht zu leisten gewesen. Zudem gebe es Aktenbestände, die wegen laufender Untersuchungen nicht veröffentlicht würden.

Videoaufnahmen von dem Tag, an dem Epstein tot aufgefunden wurde

Neu sind einige Fotos, auf denen auch Prominente zu sehen sind: Neben Clinton sind etwa Michael Jackson, Diana Ross, Mick Jagger und Kevin Spacey zu sehen. Auch der britische Unternehmer Richard Branson sowie der (frühere Prinz) Andrew, der nun aufgrund seiner Verstrickung in die Epstein-Affäre nur noch Mountbatten-Windsor heißt, und seine frühere Frau Sarah Ferguson. Die Datensätze enthalten zudem Videoaufnahmen aus dem Gefängnis in Manhattan, in dem Epstein inhaftiert war. Sie wurden an dem Tag im August 2019 aufgenommen, als der Investor tot in seiner Gefängniszelle aufgefunden wurde.

Auch liegen handschriftliche Notizen über den Ring zur sexuellen Ausbeutung zum Teil Minderjähriger vor – jedoch ohne Kontext: „JE (Jeffrey Epstein?) wollte keine Latinas oder dunkle Mädchen“, heißt es da etwa. Oder: JE wisse nicht, wer sie (Name beziehungsweise Initiale geschwärzt) besorgt habe und sei nicht glücklich mit ihr gewesen. Er habe ihr gesagt, er stehe nicht auf sie. Es geht um „vaginas“ und „boobs“ und Duschen. Auch ist von einer dunkelhäutigen Dominikanerin und einer großen Brasilianerin die Rede.

Dann wiederum wird die Bezahlung der Mädchen beziehungsweise jungen Frauen thematisiert. Eine Liste mit 254 „Masseurinnen“ wurde komplett unleserlich gemacht und ein 119 Seiten umfassendes Gerichtsdokument vollständig geschwärzt. Auch gibt es Fotos sehr knapp bekleideter Mädchen, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden.

Demokraten sprechen von Gesetzesbruch

Die politische Schlacht im Fall Epstein geht derweil weiter. Das Weiße Haus vertritt den Standpunkt, mit der Veröffentlichung für die geforderte Transparenz zu sorgen. Abigail Jackson, die stellvertretende Sprecherin des Weißen Hauses, schrieb auf ihrem privaten Konto auf der Plattform X: „Hier ist Bill Clinton in einem Whirlpool neben jemanden, dessen Identität zensiert wurde.“ Der „Epstein Files Transparency Act”, das Gesetz, mit dem der Kongress das Justizministerium zur Veröffentlichung der Akten angewiesen hat, habe dem DOJ aufgetragen, nur Gesichter von Minderjährigen unkenntlich zu machen. Es sei an der Zeit, dass die Medien anfingen, die richtigen Fragen zu stellen, schieb sie.

Der Kommunikationsdirektor des Weißen Hauses, Steven Cheung, postete wiederum: „Bill Clinton chillt einfach, ohne sich um irgendetwas zu kümmern.“

Die Demokraten sprechen hingegen von „Gesetzesbruch“. Chuck Schumer, Minderheitsführer im Senat, schrieb, das Ganze sei „nichts weiter als eine Vertuschung, um Donald Trump vor seiner hässlichen Vergangenheit zu schützen“. Auch von den Republikanern kommt Kritik. Der Abgeordnete Thomas Massie, Ko-Autor des Gesetzes, das Trump nach langem Hin und Her am Ende unterstützt hat, postete ein Foto des Gesetzes in den sozialen Medien mit dem Passus, wonach alle Akten veröffentlicht werden müssten. Sodann: „Die Zeit ist abgelaufen.“