
Diese dollen 15 Minuten
Wer sich für Modenschauen interessiert, muss nicht nach Paris, Mailand, London, sondern nach: Weil am Rhein. Im Vitra Design Museum eröffnet diesen Samstag die Ausstellung „Catwalk: The Art of the Fashion Show“. Ein groß angelegter Blick in Geschichte, Anatomie und aktuellen Status Quo dieser rund 15-minütigen Spektakel, die keineswegs immer gleich ablaufen und im besten Fall natürlich viel mehr als reine Modepräsentationen sind. Ausgestellt werden Beispiele von Häusern wie Azzedine Alaïa, Balenciaga, Chanel, Dior, Gucci, Maison Martin Margiela, Prada, Viktor & Rolf, Louis Vuitton und Yohji Yamamoto. Neben Kollektionsteilen und Bühnenobjekten finden sich in den einzelnen Räumen auch Einladungen aus 100 Jahren Catwalkgeschichte.
Außerdem gibt es natürlich jede Menge Film- und Fotomaterial zu sehen. Als Kommentar auf den „Materialhunger der Branche“ werden Elemente vergangener Modenschauen gezeigt, die vom darauf spezialisierten Unternehmen Spazio META in Mailand zur Verfügung gestellt wurden. Auch wenn die meisten Schauen heute in Echtzeit ins Internet übertragen werden, hat die Modenschau wenig von ihrer kulturellen Bedeutung eingebüßt, eher im Gegenteil. Der Content Creator Lyas organisierte in der jüngsten Schauensaison in Mailand und Paris mit La Watch Party sogar Public Viewings, mit großem Erfolg (die Ausstellung läuft ab dem 18. Oktober bis 15. Februar 2026).

Quite luxury statt Quiet Luxury
Wann haben Frauen in Hamburg das letzte Mal irgendwo Schlange gestanden? In den Siebzigern, als Jil Sander noch ihre kleine Boutique in Pöseldorf betrieb? In den vergangenen Wochen sollen sie jedenfalls tatsächlich gewartet haben – draußen! Und zwar, um den ersten deutschen Store von Polène betreten zu können. Das Pariser Label ist einem vielleicht schon mal auf den Champs Elysées begegnet. Oder beim bekannten Taschenaufschlitzer Tanner Leatherstein, der die Marke regelmäßig in seinen Videos abfeiert, weil sie seiner Meinung nach außergewöhnliche Qualität zu vergleichsweise niedrigen Preisen bietet. Wer den Wirtschaftsteil liest, hat womöglich auch mitbekommen, dass L.Catterton vergangenes Jahr bei der Marke eingestiegen ist, der Investmentarm von LVMH beziehungsweise Bernard Arnault. Immer ein sicheres Zeichen dafür, dass deutliches Wachstum angesagt ist.
Polène wurde 2016 von drei Brüdern gegründet. Das Designstudio sitzt in Paris, aber fertigen ließen sie von Anfang in Ubrique. Das südspanische Dorf ist so etwas wie das (sehr analoge) Silicon Valley des Lederhandwerks. Dior, Givenchy oder Loewe lassen hier ebenfalls Taschen herstellen, mit dem kleinen Unterschied, dass deren Modelle mittlerweile nur noch im vierstelligen Bereich zu haben sind. Auch deshalb geht die Nachfrage bei Polène steil nach oben. Die Bestseller-Modelle Cyme und Numéro Neuf kosten um die 500 Euro, das Design ist hochwertig, skulptural, zeitlos. Anstelle von durchgenudeltem „quiet luxury“ ist das jetzt das neue „quite luxury“ – ziemlich luxuriös. In der Boutique am Hamburger Neuen Wall befindet sich außerdem eine hübsche eigene Gerberei mit Blick auf den Kanal. Noch ein Grund, hier Schlange zu stehen.

Eine Frau kehrt heim
Wir erinnern uns: Der erste Look der ersten Kollektion von Maria Grazia Chiuri für Dior, wo sie dann neun Jahre lang Kreativchefin blieb und fantastisch viel Geld erwirtschaftete, war das weiße T-Shirt mit der Aufschrift: „We should all be feminists“. Das war im Jahr 2018, auf den Straßen marschierten Frauen mit rosa Pussyhats, Me Too nahm als Massenbewegung Fahrt auf. Es war die Zeit, in der plötzlich immer mehr Menschen darauf zu achten begannen, ob Frauen auch anständig, also gleichberechtigt, behandelt wurden – auf der Straße, in privaten Beziehungen und natürlich im Job. In der Mode begannen sie die Kreativchefinnen der großen Luxushäuser durchzuzählen, um dann (huch!) verdutzt festzustellen, dass es verdammt wenige von ihnen gab.
Auftritt Chiuri bei Dior. Appellativer Feminismus – meist in Form einer Künstlerinnen-Kooperation – wurde ein Markenzeichen ihrer Shows. Und obwohl die Kleider auf dem Runway nicht immer einlösten, was das engagierte Drumherum versprach: Auch bei anderen Häusern eroberten Frauen den Spitzenjob, es schien sich tatsächlich etwas zu bewegen in der Branche. Tja, vorbei. Gerade noch von Frauen imaginiert, nun wieder fest in männlicher Hand: Dior, Chanel, Versace, Jil Sander, Celine, Alexander McQueen und ein paar mehr. Regt heute niemanden mehr groß auf. Umso ungewöhnlicher, dass bei Fendi nun eine Frau einer Frau nachfolgt: Nach Silvia Venturini Fendi, die nach Karl Lagerfelds Tod die kreative Leitung der Damenkollektion übernommen hatte, kommt Maria Grazia Chiuri. Die 61-jährige gebürtige Römerin kehrt damit zu ihren Anfängen zurück: In den 1990-er Jahren arbeitete sie schon einmal für Fendi und half unter anderem bei der Entwicklung der Baguette Bag, bis heute ein Bestseller des Hauses. Davon kann das römische Traditionsunternehmen gerade dringend ein paar mehr gebrauchen, und Chiuri ist genau die Richtige dafür. Ihre erste Kollektion wird sie bei der Mailänder Fashion Week im Februar zeigen.

Schlanker Fuß
Der Name klingt immer noch gut. „King Avanti“, klar, bei so viel Dynamik geht es um einen Sportschuh beziehungsweise um die Schnittstelle zwischen Fitness und Mode. Das Modell, ein Gemeinschaftsprojekt von Puma und Jil Sander, kam 1998 erstmals auf den Markt – und damals, man glaubt es heute kaum mehr, war die Paarung eines Luxuslabels mit einem Sporthersteller tatsächlich noch etwas ziemlich Neues. Die Wiederauflage der Zusammenarbeit scheint mindestens genauso gut zu funktionieren: Kaum hatten die beiden Unternehmen vor ein paar Tagen den King Avanti 2025 angekündigt, schlanke Form, leicht knautschige Stepp-Optik, marineblaues Leder und die charakteristische Zungenklappe mit Logo, war der Schuh auch schon ausverkauft. Könnte also tatsächlich sein, dass sich die extraklobigen Sneaker etwas, naja, totgelaufen haben. Es wird wieder leichtfüßiger.