Eltern: Babygeschrei ist größtenteils genetisch bedingt

Forscher haben Zwillingsbabys untersucht und herausgefunden, dass das Weinen auch mit den Genen zusammenhängt. Wie lange ein Kind brüllt, ist demnach im Erbgut verankert. Dazu ein Tipp aus der Wissenschaft, wie sich die Kleinen am schnellsten beruhigen lassen.

Wie sehr ein Baby die Nerven seiner Eltern mit Geschrei martert, hängt einer Studie zufolge auch mit seinen Genen zusammen. Die Brülldauer werde wohl weitgehend vom Erbgut bestimmt, schließt ein Forschungsteam aus einer Untersuchung an Zwillingen. Auch Schlafqualität und Beruhigungsfähigkeit werden demnach bei Säuglingen in den ersten Lebensmonaten von den Erbanlagen mitbeeinflusst.

Schreit ein Baby oft und lange, ist das emotional oft sehr belastend. „Für Eltern kann es ein Trost sein zu wissen, dass das Weinen ihres Kindes größtenteils genetisch bedingt ist und dass sie selbst nur begrenzte Möglichkeiten haben, das Weinen ihres Kindes zu beeinflussen“, sagte die Studienleiterin Charlotte Viktorsson von der Universität Uppsala in Schweden.

Die Analyse ihres Teams basiert auf Fragebögen, die von den Eltern 998 gleichgeschlechtlicher eineiiger oder zweieiiger Zwillinge ausgefüllt wurden, als diese zwei Monate und fünf Monate alt waren. Gefragt wurde unter anderem, wie lange die Kinder weinen, wie oft sie nachts aufwachen und wie lange es dauert, bis sie sich beruhigen. Zwillinge wurden gewählt, weil sie entscheidende Faktoren wie das häusliche Umfeld, die Familiensituation und den sozioökonomischen Status gemeinsam haben, die das Schreiverhalten ebenfalls beeinflussen.

Mehr als eine Stunde Babygeschrei am Tag

Eineiige Zwillinge entstehen aus einer einzigen Eizelle und haben daher identische Erbanlagen (DNA), zweieiige Zwillinge sind genetisch so verschieden wie in verschiedenen Jahren geborene Geschwister. Wenn eineiige Zwillinge sich in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal ähnlicher sind als zweieiige Zwillinge, spielt die Genetik für die Ausprägung eine Rolle.

Die Befragung ergab immense individuelle Unterschiede. Einige Kinder wachten zum Beispiel bis zu zehnmal pro Nacht auf, andere fast nie. Im Schnitt schrien die Zwillinge im Alter von zwei Monaten etwa 72 Minuten täglich, wachten mehr als zweimal pro Nacht auf und brauchten jeweils etwa 20 Minuten zum Beruhigen. Im Alter von fünf Monaten waren es im Mittel insgesamt 47 Minuten Schreidauer, immer noch zweimaliges Aufwachen pro Nacht und etwa 14 Minuten zum Beruhigen.

Bei den Werten ist allerdings zu bedenken, dass ein Geschwistereffekt zum Tragen kommen kann: Fängt ein Zwilling zu brüllen an, fällt der andere gerne mal mit ein. Weinen beide, kann es länger dauern, bis sie sich wieder beruhigt haben.

Die deutlichsten Hinweise auf eine großteils genetische Grundlage ergaben sich für die Dauer des Weinens. Im Alter von zwei Monaten erklärt die Genetik der Kinder demnach zu etwa 50 Prozent, wie viel sie weinen, wie es im Fachjournal „JCPP Advances“ heißt. Im Alter von fünf Monaten seien es sogar 70 Prozent.

Bei der Zahl nächtlicher Aufwachphasen spielt die Genetik der Studie zufolge wohl eine weitaus geringere Rolle. Zu den dafür entscheidenden Faktoren könnten die Schlafroutine und die Umgebung, in der das Kind schläft, gehören, vermuten die Forschenden. Auf der Grundlage der Studie Schlussfolgerungen auf besonders wirksame Methoden zu ziehen, sei aber nicht möglich.

Beim Beruhigen wiederum beeinflusst das Umfeld offenbar nur in den ersten Lebensmonaten stark, wie gut es damit klappt. Im Alter von fünf Monaten wurde die Beruhigungsfähigkeit dann den Daten der Befragung zufolge hauptsächlich von der Genetik bestimmt.

Einschränkend geben die Forscher zu bedenken, dass die Daten auf Angaben von Eltern beruhen und Schlaf und Verhalten deshalb womöglich nicht exakt wiedergeben. Zudem ließen sich die Ergebnisse nicht automatisch auf Einzelkinder übertragen – wegen der Interaktion von Zwillingen und weil zwei Babys höhere Anforderungen an Eltern stellen. Beides beeinflusst die gemessenen Faktoren.

Bei einer ersten Stichprobe seien allerdings keine merklichen Unterschiede zwischen Zwillingen und Einzelkindern hinsichtlich des Schrei- und Beruhigungsverhaltens festgestellt worden, sehr wohl aber bei der Zahl der Aufwachvorgänge. Allerdings ein eher unerwarteter Unterschied: Die Zwillinge wachten seltener auf als Einzelkinder.

Auf potenzielle Gründe dafür gehen die Forscher nicht ein. Womöglich fühlt sich ein Baby sicherer, wenn neben ihm sein stets präsenter Zwilling schlummert – oder es lässt sich aus der Gewohnheit seines belebten Alltags heraus weniger leicht durch nächtliche Geräusche aufschrecken.

Babys zum Schlafen bringen – in 13 Minuten

Vor einiger Zeit hatte ein anderes Forschungsteam erkundet, wie man Babys am schnellsten beruhigt – und eine minutengenaue Anleitung ausgearbeitet. Eltern sollten ihr weinendes Kind etwa fünf Minuten eng an den eigenen Körper geschmiegt in gleichmäßigem Tempo herumtragen, möglichst ohne abrupte Bewegungen, erklärten die Forscher im Fachjournal „Current Biology“. Sobald es eingeschlafen ist, sollen sie sich demnach noch etwa acht Minuten mit ihm hinsetzen und es erst danach zum Schlafen hinlegen.

Auch eine Erklärung für den beruhigenden Effekt des Gehens hatte das Team parat: die sogenannte Transportreaktion. Dieser angeborene Effekt sei bei vielen jungen Säugetieren zu beobachten, die noch nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, Mäusen und Affen zum Beispiel. Die Jungtiere beruhigen sich und ihre Herzfrequenz sinkt, wenn sie aufgehoben und herumgetragen werden.

dpa/wb