Elektro-Heizkessel : So soll die Windenergie ins Fernwärmenetz kommen

In Hamburg ist „Karoline“ in den Regelbetrieb gegangen, als eine neue Schnittstelle von Strom- und Wärmemarkt. Mit Anlagen wie dieser sollen mehr Wind- und Solarstrom in die Energieversorgung eingespeist und die Netze einfacher stabilisiert werden.

Mehr als sechs Jahre lang stand der Elektro-Heizkessel „Karoline“ der Hamburger Energiewerke fast immer still. Seit dem 5. März speist die Anlage im Karolinenviertel nun Fernwärme in das Netz ein, die mithilfe von Windstrom erzeugt wird. „Karoline“ ist die in Deutschland erste „Power-to-heat“-Anlage dieser Art, die mit dem neuen Konzept „Nutzen statt Abregeln“ in Betrieb gegangen ist. Zum Auftakt erzeugte sie eine Stunde lang Wärme für 5000 Haushalte. Mit ihrer vollen Leistung von 45 Megawatt könnte „Karoline“ 15.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen.

Grundlage dafür ist Paragraf 13k des Ende 2023 novellierten Energiewirtschaftsgesetzes. Der Betreiber des Höchstspannungsnetzes, in diesem Fall 50Hertz, vereinbart mit dem Betreiber des strombetriebenen Heizkessels einen festen, für beide Seiten wirtschaftlichen Strompreis. Der Netzbetreiber reduziert damit seinen Aufwand bei der Netzsteuerung, wenn sehr viel regenerativ erzeugter Strom zu erwarten ist, in Norddeutschland speziell Windstrom. Der Anlagenbetreiber wiederum kann mehr klimaschonend erzeugte Wärme in sein System einspeisen.

Seit Ende 2018 hielten die Hamburger Energiewerke die „Karoline“ für die Heizperiode in Reserve. „Sie ist ein wichtiger Teil unserer Anlagen-Infrastruktur, um im Notfall die Fernwärmeversorgung aufrechtzuerhalten“, sagt Lando Helmrich von Elgott, der bei den Hamburger Energiewerken für die wirtschaftliche Kurzfrist-Steuerung von Erzeugungsanlagen zuständig ist. „Wegen der Netzentgelte war der Betrieb des Heizkessels in der Karoline bislang unwirtschaftlich, die Anlage ist in den zurückliegenden Jahren nur einmal im Testbetrieb gelaufen.“

Das hat sich nun geändert. Der sogenannte „13k-Strompreis“, den die Hamburger Energiewerke zahlen müssen, wurde für 2025 von den Übertragungsnetzbetreibern auf 45 Euro je Megawattstunde gedeckelt. „Wir kaufen den Strom am Markt ein, und 50Hertz deckt die Differenzkosten vom 13k-Preis zum Börsenpreis“, sagt Helmrich von Elgott. „Die Netzentgelte für den Betrieb des Heizkessels in der Karoline werden zusätzlich zum Strompreis kompensiert.“ Vertraglich geregelt sei dabei, dass die Hamburger Energiewerke 50Hertz den Heizkessel „ausreichend zur Verfügung stellen. Die Karoline ist jetzt ein insgesamt wirtschaftlicher Baustein für unser Fernwärmesystem, mit dem wir Wärmemengen von anderen Anlagen ersetzen können.“

Die „Karoline“ ist nicht der einzige Elektro-Heizkessel am Fernwärmenetz der Hamburger Energiewerke. Am Standort des Steinkohle-Heizkraftwerks in Wedel hat 50Hertz eine Power-to-Heat-Anlage mit 80 Megawatt Leistung installiert. In der Logik des Netzbetriebs wird diese Anlage allerdings erst später zugeschaltet. „Diese Anlage hier in der ,Karoline‘ wird sehr frühzeitig angefordert, um eine voraussichtliche Überlastung des Netzes zu vermeiden“, sagt Helmrich von Elgott, „die Anlage in Wedel nutzt 50Hertz, wenn es bereits akute Engpässe im Netz gibt.“ Auch im neuen „Energiepark Hafen“ auf der Dradenau bauen die Hamburger Energiewerke eine Power-to-heat-Anlage, sie soll 30 Megawatt leisten.

Anlagen wie der zehn Meter hohe Heizkessel der „Karoline“, der 14.000 Liter Wasser fasst, sind keine Energiespeicher, sie erfüllen aber im System der erneuerbaren Energien eine ähnliche Funktion. Weil der Wind unregelmäßig weht und die Sonne nachts nicht scheint, schwankt die Ausbeute an regenerativ erzeugtem Strom. Bislang mussten die Netzbetreiber viele Anlagen stoppen lassen, wenn etwa der Wind besonders stark wehte. Das ist teuer und unwirtschaftlich. Mithilfe von Batterie- und Wasserstoffspeichern, aber auch mit industriellen Wärmepumpen und mit strombetriebenen Heizkesseln kann wesentlich mehr regenerativ erzeugter Strom in das Energiesystem eingespeist werden.

Die im Kessel der „Karoline“ erzeugte Hitze wird über einen Wärmetauscher an das Fernwärmenetz abgegeben. 99 Prozent der eingespeisten Stromenergie werden in Wärme umgewandelt. „Wir brauchen etwa 15 Minuten Vorlaufzeit für den Kessel, danach können wir die Anlage sehr schnell auf maximal 130 Grad Wassertemperatur hochfahren. Die Wassertemperatur im Kessel wird im Standby konstant auf 60 Grad gehalten“, sagt Tobias Hadler, Betriebsassistent im Betrieb der dezentralen Erzeugung bei den Hamburger Energiewerken. „Mit der Aufnahme des regulären Betriebes können wir den Heizkessel jetzt weiter optimieren, zum Beispiel bei der Verkürzung der Vorlaufzeit.“ Künftig soll der Elektroheizkessel ein fester Bestandteil bei der Erzeugung von Fernwärme in Hamburg sein: „Im April wird die Anlage konserviert, das Wasser aus dem Kessel wird abgelassen“, sagt Hadler. „Im September wird die Karoline dann für die nächste Heizperiode vorbereitet.“

Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Er berichtet seit mehr als drei Jahrzehnten über die deutsche und internationale Energiewirtschaft.