„Feel the Pulse“, so lautet das Motto der 88. Eishockey-Weltmeisterschaft in Herning (Dänemark) und Stockholm (Schweden). Also einmal Puls fühlen bei der deutschen Nationalmannschaft vor dem Auftaktspiel gegen Aufsteiger Ungarn (Samstag, 16.20 Uhr). Unbedingt seriöse Journalistenfrage gleich zu Beginn: Wer, um Himmels willen, macht nun die Musik in der Kabine? Bislang teilten sich Colin Ugbekile und Moritz Müller den Job als Locker-Room-DJs, aber nun? Der eine, der Iserlohner Ugbekile, wurde zu dieser WM von Bundestrainer Harold Kreis nicht berufen; der andere, der Kölner „Mo“ Müller, der gefühlt seit Grundsteinlegung des Doms, mindestens aber seit 2013 keine WM mehr verpasst hat, muss diesmal passen. Eine Schulterverletzung aus den DEL-Playoffs. „Mo wollte es zuerst nicht so ganz zugeben, dass er angeschlagen ist“, berichtete Kreis aus einem „ausführlichen Gespräch“ mit dem langjährigen Kapitän. Dann aber habe der 38-Jährige doch eingestanden, dass er nicht fit genug sei, um den Ansprüchen an das deutsche WM-Team des Jahres 2025 genügen zu können.
Zurück zur Eingangsfrage: „Ich glaube, Marc Michaelis hat das mit der Musik jetzt übernommen“, sagte der Berliner Verteidiger Jonas Müller am Mittwoch in Herning, wo das Team des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) seine sieben Vorrundenspiele absolvieren wird. Michaelis, Kapitän der Adler Mannheim, ist nun MC Marc. Und wie macht sich der Neue? „Ist ganz okay“, berichtete Müller lächelnd. „Sind auch mal Malle-Hits dabei, was stimmungsmäßig ja nicht schlecht ist. Ist aber auf jeden Fall noch ausbaufähig.“
Die Stimmung ist schon mal partytauglich im deutschen Kader, was auch daran liegt, dass gleich drei Spieler es übernommen haben, den indisponierten Kapitän Müller zwar nicht zu ersetzen, aber standesgemäß zu vertreten. Michaelis hat dabei die leichteste Aufgabe. Die schwierigere kommt dem Gespann aus Jonas Müller und Moritz Seider zu, dem anderen Mo, der nicht nur in Mo Müllers Kapitänsrolle schlüpft.
Mo (Seider) und Müller (Jonas) sind bei dieser WM nicht nur namentlich ein Stellvertreter-Kompositum, sie werden auch das Rückgrat dieses Teams bilden. „Der Mo macht das ganz gut bisher“, sagt Jonas Müller. „Ich bin eh nicht der Riesenredner in der Kabine. Ich versuche, auf dem Eis ein Vorbild zu sein.“ Und damit ist klar, wer in Abwesenheit von Mo Müller Leib und Seele des deutschen Spiels zusammenhalten soll.

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Auf Seider, 24, ruht die größte Last. In der NHL bei den Detroit Red Wings spielt der ehemalige Mannheimer rund 25 Minuten pro Partie, in Herning könnten noch ein paar mehr dazukommen. Seider muss den Innen-, Außen- und Umweltminister zugleich geben, zuständig für die Ressorts Verteidigung, Medien und Binnenklima. Seider ist der jüngste deutsche Kapitän seit Alois Schloder, der das DEB-Team 1971 mit 23 Jahren zur WM führte.
Er trete in „große Fußstapfen“, sagte Seider, aber das „C“ für Captain auf der Brust sei „auch nur ein Buchstabe, mehr nicht“. Dass Seider für mehr steht, betont Harold Kreis: „Er zeigt Haltung. Das ist nicht erst seit gestern so. Er ist immer mehr in die Rolle hineingewachsen, wenn man sieht, wie viel Eiszeit er in Detroit bekommt, wie viel Verantwortung. Er hat in jeder Situation den Überblick und kann aus jeder Lage einen Pass schlagen.“ Und: „Auch für den Mannschaftszusammenhalt ist er ein ganz wichtiger Motor.“ Seider wird in allen Situationen gefragt sein, in Überzahl, in Unterzahl, bei Gleichzahl sowieso und ganz sicher in der Mixed Zone bei den Journalisten. Jonas Müller soll ihm auf dem Eis den Rücken freihalten.
Wie viel Vertrauen Kreis in Seiders Multitasking-Fähigkeiten legt und wie hoch die Ansprüche zugleich an alle WM-Fahrer sind, zeigt etwa der Verzicht auf Leon Gawanke, 25, dreimaliger WM-Teilnehmer und Silbermedaillengewinner 2023 aus Mannheim. „Wir wollen einen Leon, der absolut fit ist“, sagte Kreis vor dem Turnierstart, „und ich bin nicht ganz der Meinung, dass das momentan so ist.“ Stattdessen berief der Bundestrainer zwei Berliner Meister, Eric Mik, 25, und Korbinian Geibel, 22, beide noch ohne WM-Erfahrung, in den Kader, lobte deren starke Saison und „überragende Playoffs“ und sagte: „Diese Performance wollen wir mit in die Nationalmannschaft übernehmen.“ Beide sollen strikt defensive Aufgaben übernehmen, anders als der Berliner Teamkollege Kai Wissmann, der ebenfalls verletzt ausfällt.
Kommt NHL-Profi Tim Stützle noch?
Zuerst muss die Abwehr stehen, das weiß der ehemalige Nationalverteidiger Kreis, damit es gegen die vermeintlich leichteren Gegner zum Auftakt – am Samstag Aufsteiger Ungarn, danach Kasachstan (Sonntag) und Norwegen (Dienstag) – keine bösen Überraschungen gibt. Denn danach kommen die Schweiz, USA, Weltmeister Tschechien und Gastgeber Dänemark. Als Mindestziel hat der DEB das Viertelfinale ausgegeben, weiter möchte Kreis nicht vorausschauen. Ein Schritt nach dem anderen. „Die Mannschaft macht einen guten Eindruck, die Stimmung ist gut“, sagte der Bundestrainer am Mittwoch nach einer offenbar schweißtreibenden Trainingseinheit in der sehr warmen Jyske Bank Boxen von Herning. „Allmählich merkt man, die sind froh, wenn die Trainingseinheiten sich reduzieren und die Spiele sich erhöhen.“
Und dann war da noch die Frage nach Tim Stützle: Kommt der NHL-Profi von den Ottawa Senators noch oder kommt er nicht? Er wäre nach Seider, Philipp Grubauer (Seattle), Lukas Reichel (Chicago) und Maksymilian Szuber (Tucson) der fünfte Spieler aus Nordamerika im Kader und würde dessen offensive Möglichkeiten deutlich erhöhen. „Ich weiß es nicht“, sagte Kreis am Mittwoch, „ich bin in den Gesprächen nicht involviert, ich bekomme nur die Antwort.“ Die aber stand auch am Donnerstag zunächst noch aus.
