

Immer wieder das Gleiche erleben, aber nichts ändert sich – das nennt man eine Zeitschleife. Die Eintracht ist mitten in ihr gefangen. Sie erlebt den exakt selben Ablauf in einem Spiel dreimal, viermal, fünfmal. In wenigen Minuten, mal sind es fünf, mal sind es fünfzehn, schießen ihre Gegner mehrere Tore. In Gladbach waren es vier, in Leipzig ebenfalls vier in einer Viertelstunde. In Köln verloren die Frankfurter den Kopf. In Madrid, gegen Liverpool oder Bergamo haben sie ihn nie gefunden. Genau wie am Samstag im schönen Zentralstadion.
Danach heißt es dann von Trainer Dino Toppmöller: Die gegnerische Angriffsreihe habe „brutale Qualität“. Das mag so sein. Aber es ist überfällig, dass jeder dieser Spieler, ob er nun Julián Álvarez, Florian Wirtz, Ademola Lookman oder Yan Diomande heißt, sein bestes Saisonspiel gegen die Eintracht macht. In seiner Analyse schont der Trainer seine junge Elf – wohl in der Hoffnung, sie in ihrem labilen Selbstvertrauen nicht noch mehr zu treffen, als es die Stürmer zuvor taten.
Das klappt zurzeit nicht. Nach den Gegentoren in Leipzig schrien sich die Eintracht-Verteidiger an, ihr Torwart stürmte auf sie zu. Die Mannschaft ist unsicher, sie spielt unsicher, sie schiebt sich gegenseitig die Schuld zu. Auch wenn Kapitän Robin Koch nach dem Spiel sagte, das passiere nun mal nach einer solchen Partie. Er sagte auch: Jeder müsse sich hinterfragen, mit Taktik habe das wenig zu tun.
Das fairste Team der Liga kassiert die meisten Gegentore
Trainer Toppmöller drückte sich in den Leipziger Katakomben das erste Mal in dieser Saison deutlich aus: Seine Mannschaft müsse endlich dreckiger spielen, erwachsen werden. „Das war ein katastrophaler Auftritt“, sagte der Trainer.
Vor allem in der Defensive. Das vorentscheidende 2:0 ist das Eintracht-Gegentor 2025/26 schlechthin. Ein Tor mit Muster: Vorne verliert ein Spieler den Ball, hinten ist die Abwehr völlig ohne Ordnung. Der Gegner greift über die rechte Abwehrseite an, auf der Nnamdi Collins den Gegner nicht attackiert. Die anderen Teams wissen das, egal ob sie Union Berlin, Wolfsburg oder Leipzig heißen. Jedes Mal stand nach dem Spiel einer ihrer Spieler verschmitzt lächelnd vor dem Mikrofon, einmal hieß er Ilyas Ansah, einmal Patrick Wimmer, am Samstag Christoph Baumgartner, und sagte: Nun ja, man kenne eben die Frankfurter Abwehr.
Auch in Leipzig gelang es ihr kein einziges Mal, einen Angriff des Gegners mit einem Foul zu stoppen. Die Eintracht ist das fairste Team der Bundesliga. Und sie stellt die schlechteste Defensive – vor Heidenheim und Augsburg.
Sportvorstand Markus Krösche hat davon genug gesehen: „Wir machen viel zu viele einfache Fehler. Alle Tore sind zu verteidigen gewesen. Das zieht sich durch die letzten Wochen. (…) Es lag an uns. Wir sind nicht stabil genug, um Rückschläge wegzustecken.“ Toppmöller bat die Fans nach dem 0:6 um Entschuldigung. Der Trainer hat die Frankfurter in der vergangenen Saison auf Platz drei der Bundesliga gecoacht, das beste Ergebnis in der jüngeren Vereinsgeschichte. Daran erinnern sich noch viele.
Frischer aber sind die Gedanken an die immergleichen Muster: 29 Gegentore in 13 Bundesligaspielen, dazu die heftigen Niederlagen in der Champions League. „Wir haben kein Trainerthema“, sagte Toppmöllers Chef Krösche in Leipzig. Toppmöller sitze weiter fest im Sattel. Das zumindest, dieses Thema, war am Samstag neu. Sonst vieles wie gewohnt: eine desolate Defensive und eine kurze Phase, in der die Eintracht völlig von der Rolle ist. Toppmöller hat in dieser Saison schon einiges versucht. Er hat den Torhüter gewechselt und das System. Den Schlüssel raus aus der Schleife hat er noch nicht gefunden.
Wann aber wollen die Frankfurter ausbrechen? An diesem Dienstag in Barcelona, in der Champions League?
Ohne Burkardt ist die Offensive harmlos
Dann werden sie ohne Stürmer auflaufen, das ließ Toppmöller bereits in Leipzig durchblicken. Jonathan Burkardt fällt bis Weihnachten aus, sein Ersatz Michy Batshuayi verletzte sich am Fuß. Zur Halbzeit wechselte Toppmöller Ersatzstürmer Jessic Ngankam ein, der lange wegen Blessuren nicht spielte – und wenn er fit war, saß er auf der Bank oder der Tribüne. Im Kader steht ja auch noch Elye Wahi, Rekordeinkauf der Eintracht. Der Franzose war erst gar nicht nach Leipzig mitgereist, obwohl Konkurrent Knauff erkältet fehlte. Dass er keine Chance bekommt, selbst wenn drei Angreifer vor ihm ausfallen, spricht Bände.
Seit Burkardt weg ist, ist die Eintracht-Offensive harmlos. Batshuayi ließ den Ball in Leipzig durch seine Beine kullern, als er ihn nur aus ein paar Metern ins Tor schießen musste. Gegen Wolfsburg traf er in letzter Minute per Elfmeter, gegen Bergamo und Leipzig blieb die Eintracht torlos. Bei aller defensiven Schwäche war das oft der Weg raus aus der Schleife gewesen: Egal, wie schlecht es hinten läuft, vorne wird schon jemand treffen.
Frage an den Trainer: Wer stürmt in Barcelona? Knauff sei ja dann wieder da, sagte Toppmöller. Und Can Uzun, der in Leipzig zehn Minuten spielen sollte, den Toppmöller schonte, als das Spiel verloren war. Uzun sprintete nach Spielende dick eingepackt über den Platz. Er ist nun die große Hoffnung. Die darauf, vor Weihnachten zumindest offensiv aus der Zeitschleife auszubrechen.
