17. Januar 2025: Omar Marmoushs Abschied mit Tränen
Seinen Kopf hat Omar Marmoush gesenkt. Die rechte Hand bedeckt seine Augen. Dem Stürmer, bekleidet mit einer schwarzen Jacke und dunkler Jeans, stehen am Abend des 17. Januar dieses Jahres vor Rührung Tränen in den Augen. Der Ägypter hat im Scheinwerferlicht an prominenter Stelle Position vor der Nordwestkurve im Waldstadion bezogen – in der ersten Reihe, vor allen anderen. Hinter ihm sind aufgereiht seine Mitspieler Robin Koch, Arthur Theate, Nathaniel Brown und Ansgar Knauff. Sie alle lassen in diesem Moment die Hauptperson hochleben.
Weil sein Wechsel in die Premier League zu Manchester City unmittelbar bevorsteht, gehört er beim 2:0-Heimerfolg über Borussia Dortmund zwar nicht mehr zum Kader. Aufgrund seiner vielen Verdienste und seiner vorbildlichen Haltung bekommt Marmoush hinterher jedoch die große Bühne beim Adieu-Sagen. Oder wie es die Eintracht ausdrücken würde: Er verlässt den Klub durch das große Tor – hochgeschätzt und von vielen verehrt.

In seinen rund eineinhalb Jahren in Frankfurt hat der Tempodribbler tiefe Spuren hinterlassen. In 67 Pflichtspielen erzielte er bemerkenswerte 37 Tore und brachte es auf formidable 20 Vorlagen. 27 Treffer und 16 Assists waren es in 46 Bundesligapartien. Als Verpflichtung im Sturm wurde er buchstäblich zum Volltreffer.
Zum Abschluss einer zauberhaften Hinrunde der Saison 2024/2025 gelangen dem in Kairo geborenen Fußballprofi in seinem letzten Einsatz noch einmal ein Tor und zwei Vorlagen beim 4:1 über Freiburg. Bis zum Ende seiner Dienstzeit stellte sich der schnelle und abschlussstarke Rechtsfuß mit Herzblut in den Dienst der Mannschaft, die sich mit erreichten 33 Punkten über die beste Hinrunde der Eintracht seit Einführung der Drei-Punkte-Regel freuen durfte.
„Die Bilder am Ende sprechen Bände“
„Omar hat es verdient, dass er diesen Abschied bekommt“, sagte Sportvorstand Markus Krösche Mitte Januar. „Die Bilder am Ende sprechen Bände.“ Diese Gänsehautmomente im Stadion werde er sein Leben lang nicht vergessen, äußerte sich Trainer Dino Toppmöller ergriffen bei der Verabschiedung von Marmoush. „Wir werden Omar als Spieler vermissen und noch viel mehr als Mensch.“ Mit der Aussage „überragender Charakter, überragender Spieler“ adelte Mario Götze seinen Mitspieler.

Sportlich indes ist Marmoush bei den Skyblues bisher nicht glücklich geworden. Zwar stehen in seiner ersten Halbserie passable sieben Tore und zwei Vorlagen in seiner Bilanz. Beim 4:0 über Newcastle frohlockte der 26-Jährige in seinem dritten Spiel über den ersten Hattrick seiner Karriere. Aus heutiger Sicht hält der 1,83 Meter große Offensivspieler aber nicht, was er versprach: Denn in 15 Pflichtspielen der aktuellen Runde sind ein Treffer und eine Vorlage für seine Verhältnisse eine kümmerliche Ausbeute.
In zehn Premier-League-Spielen kam Marmoush, der wegen einer Kniebandprellung zwischenzeitlich einen Monat pausieren musste, nun nur auf 206 Minuten Einsatzzeit. Daher wird in England in diesen Tagen über ein Ausleihgeschäft des Ägypters – Tottenham Hotspur soll interessiert sein – spekuliert. Mit Erling Haaland und Jeremy Doku scheint für ihn in dem Millionenensemble die Konkurrenz zu groß zu sein.
Den für das Fußballgeschäft bemerkenswert stilvollen Abschied in Frankfurt, der in seiner Form wohl einmalig für Marmoush bleiben wird, erhielt er durch sein Zutun verdienterweise. „Omar hatte eine unglaubliche erste Saisonhälfte für Eintracht Frankfurt.“ Mit diesen Worten hieß damals sein neuer Sturmkollege Haaland Marmoush bei den Citizens willkommen. (die.)
10. April 2025: Showdown in London
Die Magie dieses Sports ist eine einfache: Er lässt Sekunden wie Stunden erscheinen und Stunden wie Sekunden. Manchmal fliegt der Ball durch die Luft, und ein lautes, chaotisches Stadion wird für ein paar Atemzüge still. Die meisten ahnen da schon: Gleich liegt der Ball im Tor. So wie die Fans von Tottenham Hotspur, die sich bei einem Schuss ihres Spielers dachten: Oh beauty, gleich fallen wir alle übereinander. Sie haben die Rechnung ohne einen 22 Jahre alten Brasilianer gemacht.
Er streckte sich so lang, wie man es selten von einem Torwart sieht. Und der unbekannte, riesig lange Torhüter mit der Rückennummer 40 hatte einen Namen: Kauã Santos. Nach dem 1:1 der Eintracht im Viertelfinale des Europapokals druckten die Zeitungen seine Paraden auf ihre Sportseiten. Santos hielt noch ein paar Mal so, er hielt ein paar Mal aber auch nicht so, deswegen sitzt er jetzt auf der Bank. Aber die großen Augen, die offenen Münder von Nordlondon wird er so schnell nicht vergessen.

Auf der anderen Seite des Feldes dribbelte ein ähnlich langer, ein ähnlich schlaksiger Stürmer an drei Spurs-Verteidigern vorbei und schoss aus 20 Metern ins lange Eck. Schaut man diese Szene acht Monate später an, sieht man einen Vorboten in Orange. Er rutschte zur Eckfahne eines der größten Stadien Europas, wie es einst sein Vorbild Thierry Henry getan hatte.
Danach wussten viele, dieser Stürmer heißt Hugo Ekitiké, er wird im Sommer in England spielen. In Liverpool schießt er genau solche Tore. Und weil er danach aufreizend jubelt, taucht sein Name, der sich von hinten wie von vorne liest, Woche für Woche auf. Angefangen aber hat sein großes Jahr an einem kalten Aprilabend in London.

Nach Ekitikés Tor traf die Eintracht in den verbleibenden 174 Minuten nicht mehr, auch nicht im Rückspiel in Frankfurt. Viel fehlte ihr nicht, aber Santos patzte. Auch das war ein Vorbote für vieles, was später kam. Ein paar Fragen bleiben: Was wäre passiert, wäre der Brasilianer in seinem Tor geblieben? Was wäre passiert, hätte Kristensen den Ball ins Tor geschossen?
Vielleicht wäre dann aus einer Saison, in der die Eintracht mit zwei der besten Angreifer des Kontinents auf Platz drei der Bundesliga stürmte, eine geworden, in der sie zum dritten Mal den Europapokal gewinnt. So bleiben ihr zwei Bilder, die eines Tages ikonisch sein könnten. (kori.)
17. Mai 2025: Das Finale in Freiburg
Nach zwei vergebenen Matchbällen gegen Mainz 05 und St. Pauli und einem 0:1-Rückstand (Torschütze Doan) im „Endspiel“ im Breisgau schaffte es die Eintracht, durch Tore von Knauff kurz vor der Pause sowie Kristensen und Skhiri nach einer Stunde Spielzeit den dritten Tabellenplatz über die Ziellinie zu bringen und sich zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte über die Bundesligaplatzierung für die Champions League zu qualifizieren – ganz ohne Drama in der letzten halben Stunde.
„Wir müssen bei uns bleiben“
Das hätten viele Fans wohl auch nicht mehr ertragen, nach den quälenden Wochen zuvor zwischen Hoffen und Bangen, in denen Trainer Dino Toppmöller mit gemischtem Erfolg versuchte, Omar Marmoushs Auswanderung nach Manchester zu kompensieren.
Vor dem Anpfiff in Freiburg war die Zahl der Frankfurter Unken enorm, und der Druck lastete schwer auf Trainer und Team. „Wir müssen bei uns bleiben“, hatte Toppmöller gefordert, und am Ende gelang es ihm und seinen Profis – unterstützt vom Freiburger Philipp Lienhart, der Knauffs Ausgleich ermöglichte, indem er über den Ball schlug.

Womit nicht zum Ausdruck kommen soll, dass der Eintracht-Triumph glücklich zustande gekommen wäre; nach diesem Toröffner waren die Frankfurter, angeführt von Kristensen, Knauff und Brown, die bessere und nervenstärkere Mannschaft.
Womit wir beim Thema Qualität wären: Kann es sein, dass die Eintracht in dieser Saison erst ins Schlingern und dann in einen Zustand der Verunsicherung geraten ist, weil sie in der Königsklasse auf zu viele bessere Gegner trifft, in der Bundesliga die großen Vier keine Schwäche zeigen und sie keinen Ausnahmestürmer wie Marmoush und Ekitiké mehr besitzt, die an guten Tagen bessere Mannschaften im Alleingang besiegen können? Freiburg, das auf dem Weg in die Champions League beiseitegeräumt wurde, besiegte in der vergangenen Saison keinen Gegner aus den Top 6 der Bundesliga.
Der Rausch der Erleichterung des 17. Mai verflog in der Fangemeinde schnell. Die Abgänge von Ekitiké und Trapp führten zur Befürchtung, erst recht nach der Auslosung, die Eintracht könnte in der Königsklasse überfordert sein. Und so befindet sich die Eintracht vor dem Start ins neue Jahr in einer ähnlichen Stimmungslage wie vor dem Endspiel in Freiburg. (peh.)
18. September 2025: Kevin Trapps „Au revoir“
Es gab in den vergangenen Monaten viele deutlich weniger unterhaltsame Abende in der Arena im Frankfurter Stadtwald. Der 18. September bescherte der Eintracht und allen, denen der Klub einiges bedeutet, ein Erlebnis, das dem Erfolg im sportlichen Wettstreit einen emotionalen Rahmen gab.
Kevin Trapp, langjähriger Kapitän und Identifikationsfigur, wurde vor dem Champions-League-Debüt gegen Galatasaray Istanbul offiziell verabschiedet – und die Hochstimmung, die sich während der Zeremonie von der Nordwestkurve aus im Stadion verbreitete, setzte sich anschließend während des Fußballspiels fort, das der SGE einen 5:1-Sieg brachte und zu den wenigen Spielen gehörte, an denen es nichts zu meckern gab.
Trapp hat auch in Paris oft das Nachsehen
Die Entscheidung, in die französische Hauptstadt zurückzukehren, wo er von 2015 bis 2018 bei PSG unter Vertrag stand und seit dieser Zeit mit seiner Verlobten Izabel Goulart eine Wohnung mit Blick auf den Eiffelturm besitzt, bot Trapp eine günstige Exit-Option – auch wenn sich heute festhalten lässt, dass sich nicht alle Hoffnungen auf Anhieb erfüllten: Von 14 Ligaspielen bestritt er nur sechs, der 35-Jährige hat im Konkurrenzkampf mit dem 13 Jahre jüngeren Obed Nkambadio oft das Nachsehen.

Was sein „Au revoir“ in Frankfurt auszeichnete: Ungeachtet mancher Misstöne zuletzt blieb die alte Verbundenheit bestehen. Eine halbe Stunde vor dem Anpfiff formierten sich Trapp, Sportvorstand Markus Krösche und Vorstandssprecher Axel Hellmann am Seitenrand, während die Fans mit Gesängen und Spruchbändern wie „Held von Sevilla“ und „Europapokalsieger für die Ewigkeit“ ihre Zuneigung ausdrückten.
Als Trapp zum Mikrofon griff, streikte die Stadiontechnik kurzfristig, sodass seine Worte nur bruchstückhaft zu hören waren. Was er jedoch vermitteln wollte, wurde deutlich: Mit der Hand aufs Herz legend, signalisierte er Dankbarkeit und Respekt. „Das, was uns verbunden hat, wird immer bleiben“, sagte Trapp. Krösche hob hervor: „Er ist einfach eine Legende.“
Und unausgesprochen lag in diesen Spätsommerstunden ein Versprechen in der Luft: Trapp wird eines Tages, wenn er die Torwart-Handschuhe ein für alle Mal abgelegt hat, zurückkehren – in welcher Rolle, das bleibt offen. Die Eintracht traut ihm, so wie zu seinen Hoch-Zeiten als Torwart, auch in Zukunft vieles zu. (mah.)
