Es gibt diese Orte in Berlin, die sich jeder Beschreibung entziehen, die so fest in der Stadt verankert sind, dass sie Teil ihres Selbstverständnisses geworden sind. Das Berghain gehört seit 20 Jahren mit Sicherheit dazu. Es ist der wohl bekannteste Ankerpunkt der viel besprochenen und sagenumwobenen Berliner Clubkultur, die vielleicht mehr Gäste in die Hauptstadt bringt als das Brandenburger Tor und die East Side Gallery. Und es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet in Berlin, dieser von Subkulturen und Urbanität durchzogenen Stadt, einen Ort wie das Berghain gibt, wo die Zeit stillzustehen scheint, sobald man die Schwelle überschreitet. Aber es ist auch ein Ort, an dem sich etwas verändert – bei jedem Besuch, in jeder Stunde, in jedem Moment.
Der Club wurde nicht nur zum Mekka für Fans des Berliner Techno, sondern auch zu einem kulturellen Zentrum, das den Spirit dieser Stadt repräsentiert. Berlin ist der Ort, an dem die Techno-Revolution nach dem Fall der Mauer eine neue Heimat fand, und das Berghain stand seitdem immer im Zentrum. Zwei Jahrzehnte Berghain, das ist nicht nur die Geschichte von Musik, sondern auch die Geschichte einer spezifischen Techno-Ästhetik, die sich durch alles hindurchzieht: von der Architektur bis hin zur Fashion.
Die Clubkultur Berlins und vor allem der besondere Raum, den das Berghain einnimmt, sind mehr als nur technoide Rhythmen und menschliche Körper, die sich in unendlicher Ekstase verlieren. Es ist eine Philosophie, eine Lebenshaltung. Es geht nicht um das bloße Feiern, sondern um ein Gefühl des Daseins, das nur hier, nur in dieser Stadt, in diesem einen speziellen Moment existiert.
Du bist Teil von etwas Größerem
Wenn ich an das Berghain denke, an den Wriezener Bahnhof, an das brutalistische Haus und das Einreihen in die metallene „Snake“ kurz vor der Tür, die die Außenwelt hinter sich lässt, dann ist das wie ein Ritus, wie das Eintauchen in eine andere Dimension.
Dieser Ort ist magisch. Es ist nicht nur ein Spiel mit Lichtern und Lauten, das man so oft in anderen Clubs findet. Nein, hier geht es um ein wesentliches Moment der Zeit: den Übergang. Von der realen Welt in eine andere. Eine Welt, in der alles erlaubt scheint, wo der Körper nur noch Gefühl ist, wo das Ich nicht mehr eine einzelne Entität ist, sondern sich auflöst in der kollektiven Bewegung. Wer jemals ein Closing-Set von Steffi erlebt hat, versteht das innige Gemeinschaftsgefühl, das einen unweigerlich vereinnahmt. Du bist Teil von etwas Größerem, das durch die durchdringenden Beats geformt wird.
Es sind eben nicht nur die Bässe, die durch den Raum vibrieren, es ist nicht nur der Klang, der im Dunkeln schwebt. Es ist das Gefühl der Zugehörigkeit, das plötzlich aufkommt. Das Berghain ist der Ort, an dem du dich selbst von außen betrachten kannst. Es ist der Ort, an dem du dich in einem Rausch aus visuellen und auditiven Eindrücken vergisst, nur um irgendwann festzustellen, dass dieser Moment dich tief in deiner Seele verändert hat. Ich habe das oft erlebt: in diesem Raum zu sein und das Gefühl zu haben, dass der Raum mich verändert, dass der Raum mir zeigt, wer ich wirklich bin.
Alles hinter sich lassen
Manchmal ist das Berghain wie eine Art Altar. Eine heilige Stätte für all diejenigen, die sich nach einem Ort sehnen, an dem die Zeit stillsteht. Es ist ein Portal, das du betrittst, um zu fliegen – nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Es ist eine Katharsis vom Alltag. Es geht darum, alles hinter sich zu lassen. Für Stunden, für Tage vielleicht. Ein Club ist mehr als ein Raum, er ist ein Zustand. Der wahre Einfluss des Berghains liegt nicht nur in seiner Musik, sondern in seiner Fähigkeit, die Zeit und den Raum zu transformieren
Das Berghain ist mehr als nur ein Club – es ist ein Mythos. Ein Raum, der sich den Augen der Außenwelt entzieht, der durch seine Abgeschiedenheit und Geheimhaltung zur Legende wurde. Es ist auch die Haltung, die er verkörpert. Die No-Photo-Policy ist zum Synonym für diesen Club geworden. Der Verzicht auf visuelle Repräsentation ist kein Selbstzweck. Er ist Ausdruck einer tiefen Überzeugung, dass das, was im Berghain passiert, nicht zu vermarkten ist.
In einer Welt, in der fast jeder Augenblick fotodokumentiert wird, wo Social Media omnipräsent ist, verweigert sich das Berghain komplett und wird zum Safe Place. Hier geht es um ein Erlebnis in seiner ungestörtesten Form, ganz ohne die Sorge, fotografiert und gefilmt zu werden.
Nach 20 Jahren ist das Berghain heute ein globales Phänomen, das sich selbst treu geblieben ist und bleibt. Es ist der Ort, der den Zauber von Berlins Subkultur in sich trägt. Der Club hat eine Ära geprägt und schafft es, immer wieder neu zu definieren, was es bedeutet, in einem Moment ganz und gar zu existieren.