Ein Jahr Trump: Der Präsident bin ich

Wer in Washington vom Weißen Haus in Richtung Kapitol fährt, der kommt dieser Tage an einem überlebensgroßen Plakat Donald Trumps vorbei. Drei Stockwerke hoch hängst es an der Fassade des Arbeitsministeriums – und hatte nach dem Tag der Arbeit im September eigentlich wieder entfernt werden sollen. Doch wegen der großartigen Reaktionen, so hieß es, werde man es bis auf Weiteres dort belassen. Manch einer spottet über die nordkoreanisch anmutende Selbstdarstellung des Präsidenten im Herzen der Hauptstadt. Doch sie ist auch Symbol für den Würgegriff, in dem Trump das Land hält.

Vor knapp einem Jahr wurde Trump zum zweiten Mal als Präsident vereidigt. Vor zehn Jahren hatte er seine erste Kandidatur angekündigt. Seither haben sich die politischen Spiel- und Benimmregeln grotesk verschoben. 2025 überrascht es nicht mehr, dass der Republikaner die Demokraten in seinen Weihnachtsbeiträgen im Netz „linksradikalen Abschaum“ und parteiinterne Kritiker Gesindel nennt. Um es frei nach Trump zu sagen: Er ist der Präsident. Er darf machen, was er will.

Gedenkmünzen mit Trumps Siegerpose

Seit seinem Wechsel vom Immobilieninvestor zum Politiker wird darüber gemutmaßt, wie sehr er der amerikanischen Demokratie schaden wird. Doch das Thema hat sich abgenutzt. Als Joe Biden im vergangenen Wahlkampf wieder und wieder vor der Gefahr durch Trump warnte, wollte das niemand mehr hören. In den vergangenen Monaten hat der Republikaner nun gezeigt, wie weit zu gehen er bereit ist.

Die Vereinigten Staaten feiern im kommenden Jahr ihren 250. Geburtstag. Es passt ins Bild, dass das Finanzministerium aus diesem Anlass Gedenkmünzen mit Trumps Siegerpose nach dem missglückten Attentat prägen will. Es bleibt jedoch nicht bei der Selbstverherrlichung. Der Präsident hat die Exekutivgewalt seit Januar maßgeblich ausgebaut, den Kongress vielfach übergangen. Er hat Bundesbehörden faktisch abgeschafft, die unter Kontrolle des Kongresses stehen, sich über dessen Finanzhoheit hinweggesetzt und unabhängige Aufsichtspersonen in Behörden entlassen, ohne die Abgeordneten darüber in Kenntnis zu setzen. Außerdem hat er mehr als 220 Erlasse unterzeichnet, mit denen er die Kammern umgehen kann.

Rückendeckung von ganz oben

Kritik von republikanischer Seite ist kaum zu vernehmen. Die „Grand Old Party“ ist endgültig zur „Make America Great Again Party“ geworden. Abweichler werden vom Präsidenten kaltgestellt. Außerdem erhält Trump durch die von ihm geschaffene konservative Mehrheit am Obersten Gericht immer wieder Rückendeckung von ganz oben. Weitgehende Immunität hatten die Richter dem Präsidenten schon gewährt. Jüngst zeigten sie sich willens, etwa auch die präsidentielle Macht über unabhängige Bundesbehörden auszubauen. Im Falle der Entsendung der Nationalgarde nach Illinois schlossen sie sich dagegen dem Verbot durch ein unteres Gericht an.

Selten gewordene Kritik übte der Vorsitzende Richter John Roberts, als Trump zur Absetzung eines Bundesrichters aufrief, weil dieser gegen die Regierung entschieden hatte. Doch Trump hörte auch da nur, was er hören will. Scharfe Kritik an Richtern gehört nach wie vor zum täglich Brot. Die Regierung hat im Zuge ihrer harten Migrationspolitik Gerichtsentscheidungen hinausgezögert und als parteiisch dargestellt.

In der Exekutive wird das Justizsystem offen als Racheinstrument genutzt. Trumps Versuch, den früheren FBI-Direktor James Comey und New Yorks leitende Staatsanwältin Letitia James vor Gericht zu bringen, scheiterte jedoch. Die Anklagen wurden fallen gelassen, weil ein Gericht die Ernennung einer Trump-Loyalistin als Bezirksstaatsanwältin für unzulässig und ihre Anklagen damit für unwirksam erklärte. Hier griff das System, das Trump mit aller Kraft auszuhöhlen versucht. Er will alle Institutionen delegitimieren, die sich ihm in den Weg stellen. Gerichte sind parteiisch, Medienhäuser feindlich, Wahlen betrugsanfällig, Bundesbehörden entbehrlich.

Das ist autoritär. Zumal Trump in diesem Jahr die Nationalgarde als Ordnungshüter in amerikanische Städte schickte und angeblich „illegale“ Migranten auf offener Straße ohne jegliche Nachweispflicht von vermummten Männern festnehmen ließ. Der stete Versuch, amerikanische Privatuniversitäten an die Regierungsleine zu legen, wurde zum Bestandteil des mancherorts tatsächlich notwendigen Kampfs gegen Antisemitismus stilisiert.

Trump hat das Gleichgewicht der Macht in elf Monaten weit verschoben. Was vor einigen Jahren ein Skandal gewesen wäre, ist heute kaum der Aufregung wert. Auch darauf setzt er: Gewöhnung an den Ausnahmezustand. In der zweiten Präsidentschaft soll mit einer loyalen Mannschaft gelingen, was im ersten Anlauf misslang: das Land neu zu gestalten. Allein nach Trumps Willen.