Ein Großkonzert des Musikers Marko Perković in Zagreb

Ginge es allein nach den Zahlen, war der Auftritt des nationalistischen kroatischen Musikers Marko Perković am Samstag in Zagreb ein glänzender Erfolg: Das Management des Künstlers setzte noch während des Konzerts die Zahl von 504.000 Besuchern in die Welt. Die Zagreber Zeitung „Jutarnji List“, in der auch Perković kritisch gesinnte Stimmen zu Wort kommen, berichtete unter Berufung auf inoffizielle Quellen ebenso wie die Nachrichtenagentur Reuters von etwa 450.000 anwesenden Fans.

Einige Tage vor dem Konzert hatte die für den Kartenverkauf zuständige Agentur mitgeteilt, innerhalb von 24 Stunden nach Eröffnung des Verkaufs 281.774 Tickets für das Großereignis abgesetzt zu haben. Selbst wenn man die kleinste dieser drei Zahlen zugrunde legt, war Perkovićs Konzert damit nicht nur das größte in Kroatiens Geschichte, sondern von Benefizveranstaltungen und Aufführungen mit freiem Eintritt abgesehen auch eines der größten in der europäischen Geschichte.

Das Ustascha-Regime rehabilitieren

Das sagt mehr über Kroatien aus, als dem Land lieb sein kann. Denn Figur und Werk von Marko Perković, dessen Bühnenname „Thompson“ sich auf eine amerikanische Maschinenpistole bezieht, sind mit dem Wort „heikel“ noch zurückhaltend beschrieben. Seit Dekaden ist es Perkovićs Geschäftsmodell, seinen Ruf als heimatliebender Patriot außer zum Geldverdienen auch dafür zu nutzen, das kroatische Ustascha-Regime zu rehabilitieren. Das war unter dem „Poglavnik“ (Führer) Ante Pavelić von 1941 bis 1945 Hitlers Juniorpartner auf dem Balkan.

In seinem 2013 im Hamburger Institut für Sozialforschung erschienenen Buch „Im Schatten des Weltkriegs“ macht der Historiker Alexander Korb die Dimensionen des Massenmords der Ustascha deutlich: Fast eine halbe Million Menschen – also in etwa so viele, wie zu Thompsons Konzert kamen – fielen dem fünfjährigen Ustascha-Terror zum Opfer. Die meisten, mehr als 300.000, waren Serben. Aber auch 115.000 Kroaten, bosnische Muslime, Juden und Tausende Roma wurden ermordet. In Jasenovac wurde das größte nicht von Deutschen betriebene Todeslager des Zweiten Weltkriegs errichtet. Dort wurden mehr als 80.000 Menschen getötet. Eine der zen­tralen Parolen der Ustascha lautete „Za dom – spremni“, zu Deutsch: „Für die Heimat – bereit“. Es ist gleichsam die kroatische Version des „Heil Hitler“.

Fans bejubeln des rechtsextremen Sänger Marko Perković im Hippodrom in Zagreb
Fans bejubeln des rechtsextremen Sänger Marko Perković im Hippodrom in ZagrebAFP

Perkovićs bis heute berühmtestes Lied, „Das Bataillon von Čavoglave“, beginnt mit genau diesem Ausruf. Auf dem Zagreber Konzert wurde er im Duett zwischen Künstler und Publikum aufgeführt. Auf Perkovićs Vorgabe „Für die Heimat“ hallte es vieltausendfach zurück: „Bereit!“ Entstanden ist Perkovićs Song 1991, als Kroatien sich der serbischen Aggression und der Angriffe durch die serbisch kontrollierte „Jugoslawische Volksarmee“ erwehren musste. Ein Drittel des Landes war besetzt, Kroatien stand vor dem Untergang. Es war in einer ähnlichen Lage wie heute die Ukraine. Auch Perkovićs Heimatdorf Čavoglave war bedroht, er kämpfte dort als Freiwilliger mit seiner Thompson-Pistole. In dieser Lage entstand sein erstes Lied und verbreitete sich unter den kroatischen Verteidigern rasch als Mutmacher-Song in schwerer Stunde. Doch Perkovićs später nachgereichte Behauptung, „Für die Heimat – bereit“ sei eine historische Losung, deren Ursprünge weit vor der faschistischen Machtübernahme liegen, ist nur vorgeschoben.

Zwar sind tatsächlich ältere Verwendungen nachweisbar, doch ändert sich dadurch nichts daran, dass sich der Kontext der Jahre 1941 bis 1945 von der Parole nicht mehr lösen lässt. Auch den Satz „Jedem das Seine“ gab es, bevor er im KZ Buchenwald prangte, und er ist heute nur in diesem Kontext denkbar – es sei denn, niemand interessiert sich dafür. Das Portal „Balkan Insight“ erwähnte dazu unlängst eine Studie des Zagreber Instituts für Sozialforschung, die schon vor Jahren Beunruhigendes nachgewiesen habe: Ein Drittel der jungen Menschen in Kroatien glaubt demnach, der faschistische kroatische Staat habe nur „die Interessen der Kroaten“ verteidigt.

Neuerliche Geschichtsklitterungen

Das hätte auch Perković sagen können. Im Jahr 2019 gab der Musiker der F.A.Z. ein Interview, das er später bitter bereut hat und durch Anwälte vergeblich bekämpfen ließ. Seither hat er kein Interview mehr gegeben. Auf die Frage, was er von Ante Pavelić halte, sagte Perković damals nur: „Das möchte ich für mich behalten.“ Was hielte man von einem im Ruch des Rechtsextremismus stehenden deutschen Künstler, der beteuert, was er über Hitler denke, sei seine Privatsache?

Perkovićs Methode ist simpel: Er sagt etwas, will es dann aber so nicht gemeint haben. Insinuiert, was sein Publikum sich zu Ende denken kann. Verwendet Ustascha-Parolen, um danach zu beteuern, von deren Geschichte nichts gewusst zu haben, oder zu behaupten, sie seien zwar von den kroatischen Faschisten verwendet worden, hätten mit diesen aber nichts zu tun. Dabei kommt ihm zugute, dass es in Kroatien tatsächlich Großthemen gibt, die über Jahrzehnte hinweg tabuisiert waren, vor allem das von den kommunistischen Partisanen begangene Massaker von Bleiburg im Jahr 1945. Nur ersetzt Perković solche Lücken in der Debatte lediglich durch neuerliche Geschichtsklitterungen.

Der Außenseiter, als der er sich gern darstellt, ist er dabei allerdings keineswegs. „In einem Land, in dem die Akademie der Wissenschaften und Künste die Ustascha-Ikonographie reinwäscht, sind die Ustascha-Symbole bei Thompsons Konzerten kein Skandal, sondern Teil des Prozesses der institutionellen Normalisierung von Geschichtsrevisionismus“, sagte die kroatische Musikwissenschaftlerin Lada Duraković dieser Tage in einem Interview mit der „Deutschen Welle“. Sie bezeichnete Perković als „Teil einer vom Staat genehmigten Kulturpolitik“.

Tatsächlich sind die Verbindungen offenkundig. Ministerpräsident Andrej Plenković von der konservativen Regierungspartei HDZ will nicht riskieren, Thompson gegen sich zu haben. Er erschien zur Generalprobe von Perkovićs Konzert, ließ sich mit dem Volkshelden fotografieren. Auch Innenminister Davor Božinović und der Verteidigungsminister erschienen zu den Proben. Božinović lobte das Konzert später unter anderem als „Fest der Gemeinschaft und der Heimatliebe“.

Eine zentrale Rolle kommt in den Inszenierungen Perkovićs, der selbst alles andere als bibelfest ist, der katholischen Kirche zu. Zu seinem Konzert ließ er einen Bischof im Ruhestand zuschalten, der von Großbildleinwänden ein Gebet verlas. In Kroatien stehen den Hunderttausendschaften von Perkovićs Anhängern allerdings ähnlich viele Menschen gegenüber, die seine Melange aus Kitsch, Kriegsromantik, Katholizismus und Faschismusrehabilitierung entschieden ablehnen. Die Debatte über Perkovićs Zagreber Rekordkonzert wird Kroatien auch deshalb noch eine ganze Weile beschäftigen.