
Vor drei Wochen war ich in Südtirol im Urlaub. Ein tolles Land, eine wunderschöne Landschaft, nette Menschen und vor allem eine hervorragende Küche. Ich konnte mich wunderbar erholen. In unserem Hotel kreierte eine junge Sterneköchin aus lokalen Gemüsesorten wunderbare Gerichte – zu meiner großen Überraschung ganz ohne Fleisch.
An einem unserer letzten Urlaubstage fragte sie, ob sie mich noch einmal sprechen könne – mich als Arzt. „Na klar“, sagte ich, ein Landarzt ist ja allzeit bereit.
Die Köchin berichtete mir, dass sie unter zunehmenden Schmerzen im Wirbelsäulenapparat leide. Sie führte das auf ihr Gewicht zurück, das sie für etwas zu hoch erachtete. Und dann kam sie auf den Punkt: „Was halten Sie denn von der Abnehmspritze?“
Der Vorteil ist zum Nachteil geworden
Grundsätzlich gilt: Die Problematik des Übergewichts ist weltweit ein zunehmendes Problem. Nicht nur in Europa, auch in Asien und Afrika werden die Menschen dicker. Erst vergangene Woche veröffentlichte UNICEF den Befund, dass es jetzt mehr übergewichtige als untergewichtige Kinder auf unserem Planeten gibt.
Dabei liegt Übergewicht nicht nur an Menschen, die nicht gesund essen; sie sind auch ein Opfer unserer Mutter Natur. Diese hat nämlich in mühevoller Selektion jenen Menschen einen Überlebensvorteil verschafft, die Nahrung besonders gut verwerten konnten. Das war ein sehr großer Vorteil, wenn es zu Nahrungsknappheit und Hungersnöten kam.
Heute gibt es in den meisten Regionen der Welt ein Überangebot an Nahrung, der Vorteil wird zum Nachteil – und deshalb hat die Abnehmspritze Hochkonjunktur. Und bei vielen funktioniert sie auch wirklich gut: Das Gewicht senkt sich um bis zu 20 Prozent. Von nächstem Jahr an soll es das Medikament eventuell sogar in Form von Tabletten geben.
Wir reden über Gesundheit, nicht über „Lifestyle“
Wir setzen in unserer Praxis diese Produkte auch gezielt ein. Jedoch hier meine ganz deutliche Warnung: Wir reden über ein Medikament, das ursprünglich für Diabetespatienten entwickelt wurde. Wir reden nicht über irgendeinen „Lifestyle“. Es geht darum, Menschen ihre Gesundheit zu erhalten.
Leider gibt es immer Menschen, nicht nur in Hollywood, die die Spritzen zur Verschönerung einsetzen und nicht als Arznei. Aus diesem Grund ist auch die Frage wichtig, ob die Kassen die Kosten für das Medikament übernehmen sollten. Wenn es Dinge wie Übergewicht, Diabetes, Gelenkprobleme oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert, auf jeden Fall. Wichtig ist jedoch: Die medikamentöse Therapie muss mit Ernährungsumstellung und Sport begleitet werden, damit ein Jo-Jo-Effekt verhindert wird.
Bei einer meiner Patientinnen hat genau dies nämlich nicht geklappt. Die Dame hatte trotz Höchstdosierung nach 15 Kilogramm Gewichtsabnahme nicht weiter abgenommen. Darüber beklagte sie sich bei mir. Doch mein Verständnis hielt sich in Grenzen, als ich von ihrer Freundin erfuhr, dass sie sich bei einem gemeinsamen Ausflug im Restaurant zu ihrem Essen ein Tässchen warme Butter bestellt und es genussvoll zum Essen verspeist hatte. Tja, was soll ich sagen: Erstens erzählen Sie Ihrem Landarzt lieber die Wahrheit – ich bekomme es eh heraus. Und noch wichtiger: Wenn Sie sich für die Abnehmspritze entscheiden, ist eine Begleittherapie wirklich wichtig.
Aber ich denke, wir werden der jungen Köchin aus Südtirol helfen können. Ich arbeite daran – schon allein, um noch möglichst lange ihre Kochkunst genießen zu können.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich erst einmal eine Woche, in der Sie das Leben genießen. Aber achten Sie auch auf sich und Ihren Körper, Sie brauchen ihn noch – Ihr Landarzt