Eigenbedarfskündigung: Wenn Mieter plötzlich raus müssen

Stand: 03.10.2025 08:30 Uhr

Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs hat für die Mieter weitreichende Folgen. Was können Betroffene tun, wenn sie glauben, der Eigenbedarf sei nur vorgetäuscht? Wichtige Tipps und Hinweise.

von Wagma Hayatie

Die eigene Wohnung ist für viele mehr als nur ein Dach über dem Kopf: Sie bedeutet Sicherheit, Geborgenheit und ein Stück Identität. Umso schwerer wiegt es, wenn Vermieter Eigenbedarf anmelden – und die Mieterinnen und Mieter ihr Zuhause und ihr vertrautes Umfeld verlassen müssen. Besonders brisant: Nicht immer ist der Eigenbedarf echt. Manche Vermieter nutzen die Eigenbedarfskündigung offenbar als Instrument, um unbequeme Mieterinnen und Mieter loszuwerden oder um die Wohnungen profitabler neu zu vermieten oder zu verkaufen.

Mehr Kündigungen wegen Eigenbedarf als in den Jahren zuvor?

Die Mietervereine beobachten eine Zunahme von Eigenbedarfskündigungen: Seit 2022 registrierte der Mieterverein zu Hamburg rund 700 Fälle pro Jahr – deutlich mehr als zuvor. Bei dem ebenfalls in Hamburg ansässigen Verein Mieter helfen Mietern hat sich die Zahl der Beratungen zu Eigenbedarfskündigungen im Vergleich zu 2019 verdreifacht. Aktuell zählt der Verein mindestens zehn Eigenbedarfsfälle pro Woche in der offenen Beratungsstunde. Geschäftsführerin Sylvia Sonnemann beobachtet zunehmend mutmaßlich vorgeschobene Fälle: „Unser Eindruck ist der, dass die vorgetäuschten Eigenbedarfskündigungen deutlich zugenommen haben. Wir erleben das als Retour-Kutsche, wenn man beispielsweise eine Rüge erhebt wegen Mietpreisbremse.“

Der Verein Mieter helfen Mietern führt den Anstieg von Eigenbedarfskündigungen auf Wohnraummangel und auf die Möglichkeit zurück, mit Neuvermietung und dem Verkauf von Wohnungen hohe Profite zu erzielen. Auch eine zunehmend vermieterfreundliche Rechtsprechung hat nach Auffassung des Vereins zur Zunahme von Eigenbedarfskündigungen beigetragen.

Eigentümerverband bestätigt mehr Streitigkeiten

Der Eigentümerverband Haus und Grund erkennt keinen Anstieg der Kündigungen, bestätigt aber mehr Streitigkeiten rund um Eigenbedarfskündigungen. Denn der Wohnungsmarkt sei auch für Vermieter enger geworden und für ihre Familienangehörigen sei es schwieriger, Wohnraum zu finden, erklärt Präsident Kai Warnecke: „Das heißt, in der Wohnung zu bleiben, beziehungsweise in die eigene Wohnung hineinzukommen, führt häufiger zu Streit und deswegen ist die Zahl der Streitfälle höher.“ Die Haus-und-Grund-Vereine betonen in ihrer Beratung, dass Eigenbedarfskündigungen nur bei realem Bedarf zulässig sind und ein vorgetäuschter Eigenbedarf erhebliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen kann.

Eigenbedarf nur vorgetäuscht? – Mieter oft im Nachteil

Für Mieterinnen und Mieter ist es extrem schwierig, einen vorgetäuschten Eigenbedarf zu beweisen. Hohe Prozesskosten und unklare Erfolgsaussichten schrecken viele Betroffene ab, gegen die Eigenbedafskündigung rechtlich vorzugehen. „Sie haben eben das Risiko, dass Sie nicht nachweisen können, dass der Vermieter den Eigenbedarf vorgetäuscht hat. Der Vermieter ist auch nicht in großer Beweisnot, sondern Sie als Mieter sollen nachweisen, dass der Vermieter sich nicht getrennt hat oder dass der Sohn nicht einzieht“, erklärt Sonnemann von Mieter helfen Mietern in Hamburg. Viele wollten sich diesen Stress und die Kosten ersparen und ziehen aus.

Nach der Kündigung: Was Mieter tun können

Doch die Mietervereine raten, die Eigenbedarfskündigung nicht einfach so hinzunehmen und sich mit Unterstützung dagegen zu wehren. Dabei sind diese Schritte wichtig:

  • Rechtsberatung einholen: Die Kündigung sollte unbedingt von einem Mieterverein oder einer Fachanwältin für Mietrecht geprüft werden. So lässt sich klären, ob die angegebenen Gründe für den Eigenbedarf plausibel sind oder ob formale Fehler vorliegen.
  • Zweifel am Eigenbedarf schriftlich äußern (am besten im Rahmen einer Rechtsberatung): Wer unsicher ist, sollte Vermieter schriftlich auffordern, die Gründe für den Eigenbedarf näher zu erläutern. Nur so können mögliche Widersprüche sichbar werden. Mieterinnen und Mieter können auch selbst recherchieren und öffentlich zugängliche Informationen nutzen, um die Angaben des Vermieters zu überprüfen. Sie können aber auch einen Detektiv damit beauftragen. Wichtig dabei: alle Schreiben kopieren und aufbewahren.
  • Härtefallregelung prüfen: Unter bestimmten Umständen – etwa bei hohem Alter, schwerer Krankheit oder sozialen Gründen – können Mieter der Kündigung widersprechen. Dann entscheidet ein Gericht, ob der Eigenbedarf schwerer wiegt als das berechtigte Interesse der Mieter, in der Wohnung zu bleiben.
  • Außergerichtliche Einigung suchen: Nicht jeder Fall muss vor Gericht landen. Häufig lässt sich mit dem Vermieter eine Lösung finden – etwa eine längere Übergangsfrist oder sogar eine Abfindung, wenn man freiwillig auszieht.
  • Belege sichern: Quittungen für Umzug, Renovierung oder doppelt gezahlte Mieten sollten sorgfältig gesammelt werden. Stellt sich der Eigenbedarf später als vorgeschoben heraus, können Betroffene innerhalb von drei Jahren Schadensersatz fordern.
  • Rechtsschutzversicherung nutzen: Wer eine entsprechende Police hat, sollte den Fall sofort melden. Sie übernimmt im Ernstfall die hohen Prozess- und Anwaltskosten – abgesehen von der vereinbarten Selbstbeteiligung.

Eigenbedarfskündigungen: Keine Reform in Sicht

Um dem Missbrauch von Eigenbedarfskündigungen einen Riegel vorzuschieben, fordern Mieterorganisationen seit Langem strengere Regeln – etwa eine engere Definition, für wen Eigenbedarf geltend gemacht werden darf. Auch der Hamburger Senat hat einen entsprechenden Antrag im Bundesrat eingebracht. Doch das Bundesjustizministerium sieht derzeit keinen Handlungsbedarf und erklärt: Im Koalitionsvertrag sei zu Eigenbedarfskündigungen „keine konkrete Änderung“ vorgesehen.

Blick auf ein Wohnhaus in Hamburg-Eidelstedt.

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