Dufte Idee? Getränkemarkt verbietet parfumierten Kunden den Zutritt – Gesellschaft

Die Hitze macht uns alle empfindlicher, aber in Neuss liegen die Nerven richtig blank. Ein Getränkemarkt machte dort unlängst auf sich aufmerksam, weil er ein Zutrittsverbot verfügte für Menschen, die den Duft „Kirkè“ von Tiziana Terenzi tragen. „Wir bedienen Sie gerne vor der Tür, aber aufgrund massiver Kundenbeschwerden und Allergie von Mitarbeitern können wir nicht anders reagieren“, stand handschriftlich auf einem Pappschild vor der Filiale.

Großer Aufruhr, bundesweite Presse, die Zentrale verbietet das Verbotsschild, der Markt selbst bedauert das „nicht abgesegnete“ Verbot, Beauty-Redakteurinnen werden eilends zu Douglas geschickt, um den Duft zu analysieren und mit Vokabeln wie Kopfnote und Herznote zu jonglieren. Stimmen aus der Politik werden erwartet. Verbraucherschützer rüsten sich zur Großdemo.

Dabei möchte man doch einfach nur „Respekt!“ in Richtung Rheinland rufen. Wer kennt sich da so gut aus mit Düften? Warum genau der? Ja, „Kirkè“ ist beliebt, aber eben so beliebt, wie ein Duft für 215 Euro die 100 Millimeter sein kann. Es ist kein Allerweltsparfum, sondern ein Nischenduft für Männer und Frauen des italienischen Parfümeurs Paolo Terenzi. Da steckt doch mehr dahinter! Ist es der Duft von der verhassten Ex des Kassierers? Trägt ihn ein Kunde, der stets in der Einfahrt parkt und sich frisch vor der Filiale eindieselt? Oder arbeitet ein Mensch dort, der in seiner Freizeit Duftfluencer ist und weiß, dass „Kirkè“ kein filigran tänzelndes Eau de Toilette ist, sondern ein potenziertes Extrait de Parfum mit einer vollen Dröhnung Moschus plus Maiglöckchen plus überreifes Obst plus Vanille? Ein Duft, von dem sogar Fans sagen, dass man ihn besser nicht in geschlossenen Räumen tragen sollte?

Vielleicht arbeiten auch Freunde der griechischen Mythologie dort, die wissen, dass Kirke (latinisiert Circe) die Tochter des Sonnengottes Helios ist, die gerne Zaubertränke anrührt, um Besucher auf ihrer einsamen Insel in Tiere zu verwandeln, Odysseus Gefährten zum Beispiel in Schweine. Obacht also, wer sich „Kirkè“ ins Haus holt.

Starke Emotionen lösen Düfte nicht nur in Neuss aus. Zuletzt verfügte der erfolgreiche Berliner Gastronom The Duc Ngo per Instagram: „Zu starke Parfüms sind in meinen Sushi-/Seafood-Restaurants unerwünscht.“ Er bitte um Verständnis für die Köche und die anderen Gäste. Der Shitstorm kam sofort, der Lovestorm auch. Duftwolken nerven offenbar einige Leute, manche machen sie auch krank, in Neuss soll es Schwindelanfälle und Übelkeit bei Mitarbeitern gegeben haben. Um Menschen mit Allergien zu schützen, bitten in den USA und in Skandinavien manche Krankenhäuser, Universitäten und Rathäuser ihre Besucher, auf Parfums zu verzichten.

In Neuss hat sich die Lage wieder beruhigt. Jeder dürfe in den Laden, der Durst habe, egal ob parfümiert oder nicht, teilte der Getränkemarkt mit. Hoffentlich war das nicht voreilig. Der Hersteller von „Kirkè“ hat vor wenigen Tagen ein neues Parfüm auf den Markt gebracht. Es heißt „Overdose“.