
Tag zwölf im australischen Karriere-Exil für arachnophobische Prüfungsjunkies und wieder gelingt RTL ein qualitätsresistenter Überraschungscoup. Nicht die trumpesque Fauxpas-Affinität von Fettnäpfchen-Magnet Jörg „Kuschelnacht mit Sophia Thomalla“ Dahlmann, die charakterliche Einöde von Sam Dylan, der Gerüchteküche in Menschenform, oder die Chefköchin der kulinarischen Taktlosigkeiten, Edith Stehfest, beherrschen die Schlagzeilen der fünftletzten Nacht vor der großen Krönungszeremonie zur Dschungel-Zepter-Trägerin des Jahres 2025. Nein, im Wolkenkuckucksheim der ironischen Hochintelligenz ist es heute eine durch Efflation hervorgerufene Eruktation, die die Nation bis weit über die kognitive Schmerzgrenze hinaus am Bildschirm hält. Efflation übrigens, das für alle, die keine Gastroenterologen sind, wird im Volksmund gerne „Rülpsen“ genannt.
Bevor es am Lagerfeuer der Reality-TV-Titane jedoch zur aufmerksamkeitsüberschattenden Aufstoß-Kulmination kommt, widmen sich die Matadore der Mittelmäßigkeit zunächst verzweifelt der Re-Eingliederung des intellektuellen Niveauflüchtlings Pierre Sanoussi-Bliss. Nach diversen Erkundungstouren durch das Bildungsdelta zwischen dem mittlerweile selbst nicht mehr taufrischen Jungspund aus „Der Alte“ und Tattoo-Testimonial Edith Stehfest sieht nun der selbsternannte Camp-Chefmediator Jörg Dahlmann seinen Moment gekommen, um Pierre kurz vor dem Stuhlgang ungefragt abzufangen und ihn in ein moralapostolisches Teamspirit-Plattitüdenfestival zu verwickeln: „Pierre, du hast da was gesagt, dass alle Herren herrlich sind und alle Damen dämlich!“
Ein Satz, der keine Frage, dafür aber eine Anschuldigung beinhaltet. Eine Kombination, mit der man bei Pierre dieser Tage keinen nachhaltig beeindruckenden Wirkungseffekt erzielt. Und bei der man zusätzlich mit einem Resonanzkorridor rechnen muss, der möglicherweise anders ausfällt, als man sich das erhofft hatte: „Jörg, ich habe vor vier Tagen als Reaktion auf eine viel größere Scheiße aus Ediths Mund irgendwas gesagt, und seitdem geistert das hier durch das Camp, als hätte ich die Welt zum Anhalten gebracht. Ich habe keine Lust auf Gruppentherapie, das war ironisch und als Witz gemeint!“ Da erspäht Feminismus-Papst Dahlmann seine argumentatorische Einflugschneise und kontert mit dem Todschlagargument: „Es ist aber nicht als Witz verstanden worden!“ Anstatt nun aber in vorauseilender politischer Notfallkorrektheit zuzustimmen oder sich gar zu einer Korrektur des Gesagten hinreißen zu lassen, beschränkt Pierre sich auf einen prosaisch vorgetragenen Hinweis auf die rationalen Fähigkeiten seiner Mitcamper: „Ironie hat auch etwas mit der Intelligenz des Empfängers zu tun“ und verabschiedet sich per 180-Grad-Drehung Richtung Dschungelklo.
„Das ist wie Hummer!“
Nach kurzer Denkverschnaufpause schleicht Jörg Dahlmann anschließend mit elegischer Trübseligkeit in die entgegengesetzte Richtung zum Lagerfeuer zurück und fragt sich auf den nachfolgenden Metern, ähnlich wie einst König Heinrich IV. auf seinem Gang nach Canossa, ob sein Vorstoß wirklich die allerklügste Entscheidung seines Lebens gewesen ist. Und natürlich, ob Pierre ihn gerade dumm genannt hat. Eine weitere wertvolle Erkenntnis für die Camp-Verweil-Chancenoptimierung bei Jörg Dahlmann: Er sollte seine Debattierclub-Ambitionen womöglich doch lieber weiter mit Diskurskleinkalibern wie Maurice Dziwak oder Timur Ülker ausleben.
Zum Glück hat der Gott der Kolloquien ein Einsehen und lenkt die verbalakrobatischen Ränkespielchen des Camp-Korps mit der Übergabe der Essensrationen wieder auf die allabendlichen Dinner-Fehden. Wie Batman, wenn das Bat-Zeichen am Himmel über Gotham City erscheint, ist prompt auch Edith Stehfest in ihrer Paraderolle als Koch-Polizei zur Stelle. Gerade noch hatte sie sich im Sprechzimmer selbst einige Michelin-Sterne verliehen („es ist schön, diese Wertschätzung zu spüren, dass es allen schmeckt, was man kocht“), treiben ihre Zubereitungsallüren mal wieder die halbe Camp-Besatzung zur mangelkalorischen Weißglut.
Sam etwa hadert damit, dass der Reis zunächst wässrig schmeckt, anschließend hart und verbrannt: „Ich verstehe nicht, wie man jedes Mal den Reis so verhunzen kann.“ Aber auch Ediths Weichkoch-Taktik bei den Bärenkrebsen („das ist wie Hummer!“) stößt auf wenig Verständnis. Seafood-Expertin Lilly Becker klärt Krebsskeptikerin Anna-Carina Woitschack darüber auf, man müsse die Bärenkrebse sehr heiß und sehr kurz kochen – und nicht wie Edith in einem Wasserbad von der Länge der Nibelungensage wegdünsten. Am Ende bewahrheitet sich das berühmte Sprichwort „In der Not frisst der Teufel verkochten Reis“ und das ganze Camp ist zufrieden, satt und plötzlich voller Lobpreisungen für Pfannenaktivistin Edith Stehfest. Das ganze Camp? Nein! Ein vom unbeugsamen Sam Dylon bevölkertes Dschungeltelefon hört nicht auf, der Kochharmonie Widerstand zu leisten: „Die kommt dann immer an und reißt alles an sich!“ Wie sehr man auf das Urteil von Sommerhauskönig Dylan vertrauen darf, bleibt natürlich zweifelhaft. Er war es immerhin auch, der einst feststellte, die wichtigste Eigenschaft eines Menschen sei „Gebildetheit“.

Vielleicht liegt die überraschend wohlwollende Auslegung der Geschmacksurteile über das Campessen auch daran, dass sich zuletzt die Ekel-Essens-Prüfungen häufen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass verkochter Pseudohummer mit hartglasiertem Reis eine Gourmetexplosion darstellt, wenn man davor Krokodilhirn und Kuhaugen degustiert hat. Auch an Tag zwölf steht in der Prüfung, zu der Edith und Lilly gemeinsam antreten, der Verzehr von degoutanten Vomiervorlagen im Mittelpunkt. Unter den ungustiösen Kulinarikexoten befindet sich unter anderem eine Büffelvagina. Wenigstens ist diese jedoch wohltemperiert. Verzückt schwärmt Lilly Becker: „Die ist noch warm!“ Was für ein Glück. Kalte Büffelvagina bekommt man ja wirklich nicht runter.
Nach vier von acht Sternen, was für eine Ekelprüfung ein durchaus vertretbares Ergebnis ist, kehren Lilly und Edith gefeiert wie zwei erfolgreiche Gladiatorinnen ans Lagerfeuer zurück, von dem sich Maurice bereits entfernt hat, um seine tägliche Camp-Analyse abzuliefern: „Manche versuchen zu sehr, sich in Szene zu stellen.“ Zurecht wertet er das als unangebrachte, sendezeitmanipulative Aufmerksamkeitsoptimierung. Schlimmer wäre es nur noch, würden sich die anderen nicht den anstehenden Herausforderungen setzen.

Als kleine Auflockerung im Campalltag schickt der RTL-Stuntkoordinator Maurice Dziwak und Alessia Herren auf eine gemeinsame Schatzsuche, bei der die beiden souverän alle kürzlich aus disziplinarischen Gründen eingezogenen Luxusgegenstände zurückerobern. Leider versäumt es der sonst explizit auf Dramaoptimierung konditionierte Sender dabei, Sam Dylan mit der Nachricht „deine Luxusgegenstände sind leider versehentlich aus der Kiste gefallen“ eine nachhaltig Empörungspotenzial heraufbeschwörende Retourkutsche auszuspielen.
Später erhält das Ensemble der inselbegabten Reality-Fachkräfte noch eine weitere Chance zu stimmungsfrisierenden Sondergratifikationen. Mit der korrekten Beantwortung der Frage „Wie viele Seiten hat ein Würfel?“ könnten die Lagerfeuer-Leuchten einen besonderen Snack freischalten. Hungergetrieben euphorisieren sie sich gegenseitig ins Antwortkoma. Alessia schlägt vor: „Neun!“ Sam Dlyan erinnert sich jedoch rechtzeitig daran, dass man beim Schach selten eine Neun würfelt. Man entscheidet sich zitternd für die Antwort „sechs“ und bricht anschließend vor Freude über eine Mini-Tüte Chips pro Person in einen Jubel aus, als wären in den recyclingseitig eher problematischen Degustationstütchen keine zu hauchdünnen Scheiben geschnittenen und mit unzähligen Chemikalien zu einer paprikaähnlich schmeckenden Presskartoffel manipulierten Rohscheiben enthalten, sondern die 1.000.000-Euro-Jeton-Chips aus dem Casino de Monte Carlo.
Später wirft der offenbar langsam dem Dschungelkoller verfallene Maurice Dziwak noch kurz seinem ursprünglich zum Bro ausgerufenen Camp-Kollegen Timur Ülker vor, der würde auf dem Rücken der Krankheit seiner Tochter Sendezeit, Aufmerksamkeit und Mitleid erschleichen. Der von GZSZ absurd surreale Dialoge gewöhnte Timur zeigt sich schockiert. Es fallen Vokabeln wie „Unverschämtheit“ und Aufforderungen wie „Du solltest dich bei meiner Frau entschuldigen“. Maurice bleibt meinungsfest, wirkt gleichzeitig aber auch überrascht über die Vehemenz von Timurs Reaktion. Im Grunde aber eine Win-Win-Situation für alle. Campinhaftierte wie Zuschauer sind froh: Solange Maurice gerade wortreich Mitcampern unterstellt, sie würden sich unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen, sitzt er wenigstens nicht auf dem Klo und zwingt Jörg und Anna-Carina dazu, gemeinsam volkstümlich populäre Schlagerhits zu intonieren.
Für viele IBES-Fans durchaus überraschend trifft der Bannstrahl des Zuschauer-Votings am Ende weder die Abgangs-Favoriten Maurice oder Edith noch Camp-Nervensäge Jörg Dahlmann, sondern Prüfungs-Crash-Test-Dummie Sam Dylan, der den Dschungel als vierter Kandidat verlassen muss. Wer ihm morgen nachfolgen muss, das erfahren Sie hier als erste! Bis dann!