Dortmund in Frankfurt: Jubel nach Elfmeterschießen – Pokal-Drama bei der Eintracht – Sport

Gefühlt jeder ballte bei Borussia Dortmund nach Schlusspfiff die Fäuste. Siege im Elfmeterschießen wecken eben besondere Emotionen bei den Spielern auf dem Rasen und den Anhängern auf den Rängen. Direkt vor ihrem Fanblock hatten die BVB-Akteure an diesem verregneten Dienstagabend im Frankfurter Stadtwald in der zweiten Pokalrunde bei der Eintracht ihren glücklichen Erfolg (4:2 i. E, 1:1, 0:1) zelebriert. Im Hintergrund brannten die Bengalos, als sich Torwart Gregor Kobel und Torschütze Julian Brandt als Helden feiern ließen, während der ehemalige Dortmunder Mario Götze mit gedämpfter Stimme anmerkte, Elfmeterschießen habe „immer etwas von Lotterie“.

Sein ehemaliger Klub hatte mit dem Auswärtsspiel im Waldstadion sicher nicht das große Los gezogen, aber dass der BVB diese Hürde nahm, diente einmal mehr als Beleg für den Mentalitätswandel unter Coach Niko Kovac. „Man muss im Pokal nicht zelebrieren, man muss nur weiterkommen und alles geben. Das haben die Jungs von der ersten bis zur 120. Minute getan. Zum Schluss ist es Roulette“, befand Dortmunds Trainer.

Der gebürtige Berliner ist lebenslanges Mitglied bei den Hessen, nachdem er dem lange darbenden Traditionsverein mit dem DFB-Pokalsieg 2018 das entscheidende Erweckungserlebnis für den Aufschwung beschert hatte. Daher äußerte sich Kovac, 54, fast mitfühlend nach einem aufreibenden, wenn auch nicht hochklassigen Pokalfight: „Das Spiel konnte nur durch das Elferschießen entschieden werden. Eintracht hat es sehr gut gemacht, Kompliment. Das war mit das Beste, was ich in letzter Zeit gesehen habe.“ Und er fügte an: „Mit einem Mann weniger hätten wir das Spiel nicht gewonnen, da wären wir nicht ins Elfmeterschießen gekommen.“

Chelsea-Leihgabe Aaron Anselmino hatte nämlich in seinem zweiten Pflichtspieleinsatz für die Dortmunder ein Spiel mit dem Feuer betrieben. Der Argentinier stürzte sich schon früh in die Duelle, kurz nach einer Verwarnung foulte er erneut – und das Publikum forderte vehement seine Hinausstellung. Doch Referee Sven Jablonski ließ Nachsicht walten (44.). Anselmino blieb nach der Pause in der Kabine.

Die Eintracht war nach einem fein herausgespielten Treffer mit einer meisterhaften Götze-Vorlage und einem gekonnten Abschluss des ehemaligen Dortmunders Ansgar Knauff früh in Führung gegangen (7.), doch mit einem ebenso gescheiten Spielzug glich Brandt aus (48.). Weil Maximilian Beier in der Entstehung im Abseits stand, hätte der Treffer nicht zählen dürfen, doch der VAR kommt im Pokal erst ab dem Achtelfinale zum Einsatz.

Dortmund verbeißt sich in die Abwehraufgaben, eine neue Qualität unter Kovac

Dem Torschützen war’s herzlich egal. „Manchmal muss man sich das erzwingen. Es ist uns in der letzten Saison fast nie gelungen“, sagte Brandt, 29, im ZDF. „Nach den letzten Jahren, wo wir oft in der zweiten Runde die Koffer packen mussten, ist das ein schöner Abend für uns.“ Man werde das Spiel gewiss richtig einordnen: „Da wird keiner nach Hause gehen und sagen, wir haben heute die Sterne vom Himmel gespielt.“ Nicht zum ersten Mal verbissen sich die Dortmunder angesichts des besten Frankfurter Auftritts seit Wochen in ihre Abwehraufgaben, für die sich niemand zu schade war. Nur Karim Adeyemi begriff seine Auswechslung wohl als Majestätsbeleidigung an einem Nationalspieler und stapfte sichtlich beleidigt ums halbe Feld.

Wie schon beim Last-Minute-Sieg gegen Köln (1:0) wirkte der fußballerische Vortrag des BVB ohne den erst spät eingewechselten Torjäger Serhou Guirassy nicht gerade überzeugend. Doch am Ende zählte allein der Erfolg. „Es ist schön, dass wir gegen Köln und heute zwei richtig geile Erlebnisse hatten. Das gibt Energie“, sagte Torwart Kobel bei Sky. Der Schweizer Nationalkeeper vermittelte seinen Vorderleuten über die 120 Minuten enorme Ruhe, bei der Entscheidung vom Elfmeterpunkt ahnte er gegen Fares Chaibi die Ecke, zuvor hatte Ritsu Doan den Ball weit über den Balken gefeuert.

Die Dortmunder mussten gar keinen fünften Schützen mehr schicken, weil Fabio Silva, Niklas Süle, Carney Chukwuemeka und Felix Nmecha mit einer Entschlossenheit verwandelten, die sinnbildlich für dieses Kollektiv steht. Geschäftsführer Lars Ricken zog aus „zwei nervenaufreibenden Spielen“ gegen Köln und Frankfurt ein ähnliches Fazit wie sein Tormann: „Solche Siege machen etwas mit der Mannschaft, wenn du siehst, was gerade in der Kabine los ist. So etwas gibt uns Rückenwind. Solche Spiele können die Initialzündung für die nächsten Wochen sein.“

Und ein Berlin-Trip zum Pokalfinale ist bei den Westfalen schon etwas her: Zuletzt ging der Pott 2017 nach Dortmund, als Thomas Tuchel noch auf der Bank saß – und Gratulationen vom unterlegenen Kollegen Kovac auf Frankfurter Seite empfing. Diesmal konnte der aktuelle Coach Dino Toppmöller mit der Verliererrolle verdammt schlecht leben, als er festhielt: „Die glücklichere Mannschaft hat gewonnen, wir waren die aktivere und bessere Mannschaft.“

SGE-Vorstandssprecher Axel Hellmann bezog ausnahmsweise nach dem Pokal-Aus noch Stellung, nachdem die einzig realistische Titeloption geplatzt war, denn die Frankfurter werden trotz ihres Talents kaum die Meisterschaft oder die Champions League gewinnen. „Gerade unsere Abwehrarbeit ist gescholten worden. Ich habe in der Defensive nur starke Leistungen gesehen. Das ist genau die Stabilität, die wir brauchen für die Saison“, sagte Hellmann und folgerte: „Manchmal ist der Effekt aus so einem Spiel langfristig wichtiger als einmal gewonnen zu haben. Ich hätte natürlich gerne gewonnen, weil wir – wie man gesehen hat – Pokal können.“ Borussia Dortmund aber neuerdings auch wieder.