Dortmund gegen Stuttgart: Standortbestimmung für Niko Kovacs BVB

Niko Kovac bei einer Pressekonferenz von der Seite zu sehen

Stand: 19.11.2025 20:06 Uhr

Seit Niko Kovac vor gut neun Monaten gegen den VfB Stuttgart sein Debüt als BVB-Trainer gab, hat sich Borussia Dortmund wieder stabilisiert. Vor dem Wiedersehen am Samstag (15.30 Uhr live im Audiostream und danach in der Sportschau) mit Angstgegner VfB gibt es aber nicht nur positive Stimmen.

Als Tabellenelfter empfing der BVB im Februar 2025 am 21. Spieltag den Fünften VfB Stuttgart. Am Ende des Kovac-Debüts stand nach einem Eigentor des Ex-Stuttgarters Waldemar Anton sowie einem folgenschweren Ballverlust des ebenfalls Ex-Stuttgarters Serhou Guirassy eine 1:2-Niederlage auf der Anzeigetafel.

Bester Punkteschnitt seit Tuchel – trotzdem Kritik an Kovac

Doch dieser Fehlstart entpuppte sich letztendlich keineswegs als Fortsetzung der schwarz-gelben Krise. Neun Monate später hat Kovac die Dortmunder stabilisiert, zum Saisonende in die Königsklasse und auch in dieser Spielzeit schon wieder in die Top 4 geführt. Vor dem erneuten Duell mit dem VfB gibt es zumindest vereinzelt aber schon wieder Unruhe im Dortmunder Fanlager. Und das, obwohl die Borussia als Tabellendritter mit nur einer Saisonniederlage den Tabellenvierten empfängt.

Niko Kovac bei seinem Trainderdebüt für den BVB am 8. Februar 2025 gegen den VfB Stuttgart.

Nach hervorragendem Saisonstart haben die Dortmunder spielerisch augenscheinlich zuletzt ein wenig abgebaut. Fünf Mal hatten Guirassy und Co. in den ersten elf Pflichtspielen dieser Spielzeit mindestens drei Tore in einem Spiel erzielt, doch in den vergangenen fünf Partien gelang den Borussen in der regulären Spielzeit jeweils nur noch genau ein Treffer.

Dass dabei trotzdem drei Siege, ein Remis und eine Niederlage heraussprangen, ist der stabilen Dortmunder Defensive geschuldet, auf der Kovacs Erfolg beim BVB ohne jeden Zweifel fußt. Von allen Trainern, die mehr als drei Partien auf der Dortmunder Trainerbank absolvierten, hat Kovac mit 2,02 aktuell den besten Punkteschnitt seit Thomas Tuchel (2,12) und für einen weiteren besseren muss man mehrere Jahrzehnte zurückschauen.

Kovac setzt auf den Sahin-Kader – und macht ihn besser

Das 1:1 am 10. Spieltag gegen den HSV, bei dem die Borussen in der Nachspielzeit erst den Ausgleich kassierten, und das 1:4 gegen Manchester City, bei dem man das einzige Mal in dieser Saison wirklich chancenlos war, bedeuten schon die längste Sieglos-Serie in der 41 Pflichtspiele andauernden Kovac-Amtszeit.

Kovac gelang all das mit einer Mannschaft, die sich im Vergleich zur völlig desolaten Ägide seines Vorgängers Nuri Sahins personell kaum unterscheidet. Von den elf Startelf-Akteuren bei seinem Debüt spielt nur der abgewanderte Jamie Gittens in dieser Saison beim BVB nicht regelmäßig: Bis auf den lange verletzten Emre Can und Gittens bringen es die anderen neun damals von Beginn an aufgebotenen Spieler auch in dieser Spielzeit auf mindestens zwölf Einsätze.

Hohe Intensität und Auswärtsspielserie sorgen für Müdigkeit

Das mag auch einer nicht ganz optimalen Kaderplanung geschuldet sein, ist aber vor allem dem Kroaten einfach hoch anzurechnen. Karim Adeyemi berichtete im Mai sehr bildlich, Kovac habe dem Team in den Hintern getreten. Und tatsächlich ist von der „Moral-Frage“, die man beim BVB in den Jahren zuvor höchst ungern gestellt bekam, keine Rede mehr. Die Mannschaft spielt diszipliniert, gibt sich nie auf und ist topfit: Nur die TSG Hoffenheim bringt es in dieser Bundesligasaison auf mehr sogenannte „Intensive Läufe“, also Läufe über 15 km/h Geschwindigkeit, als das in drei Wettbewerben aktive Dortmund.

Hat den BVB fit gemacht: Trainer Niko Kovac

Kein Wunder, dass die Dortmunder vor der Länderspielpause ein bisschen müde wirkten. Kovac-Fußball, das war auch bei seinen bisherigen Stationen so, beruht auf Intensität, Disziplin und Arbeit gegen den Ball. Wenn dann innerhalb von drei Wochen sieben Spiele anstehen, von denen sechs (!) auswärts zu absolvieren sind, hinterlässt das körperliche Spuren. Auch bei fitten Mannschaften. Dass dann von diesen sieben Spielen am Ende trotzdem nur zwei verloren gingen (und die gegen Bayern München und Manchester City) und vier gewonnen wurden, ist eigentlich umso beachtlicher.

Kaum erfolgreiche Dribblings und zuletzt auch kaum Torchancen

Die Kritik der Fans bezieht sich allerdings vor allem auf den fehlenden Esprit im Angriffsspiel. Ein Vorwurf, den sich Kovac bei seinen Stationen nicht zum ersten Mal anhören muss. Die Passquoten seiner Elf stimmen zwar und die Dortmunder haben von allen Bundesligisten den viertmeisten Ballbesitz, doch in Sachen Chancenkreation kam vor allem zuletzt zu wenig.

Das mag an Müdigkeit oder fehlender offensiver Kaderqualität in Eins-gegen-eins-Situationen liegen, in keiner Dribbling-Statistik taucht ein Dortmunder Angreifer auf den vordersten Plätzen auf, doch auch darüber hinaus hatte der BVB zuletzt sichtbar Probleme, gegen defensiv eingestellte Kontrahenten Chancen herauszuspielen. Außer beim späten Punktverlust gegen den HSV fiel das punktetechnisch aber kaum ins Gewicht.

Jahresendspurt als Standortbestimmung

Nach der Länderspielpause geht es straff weiter im Dortmunder Programm: Mit Stuttgart, Villarreal, zweimal Leverkusen (erst Liga, dann Pokal), Hoffenheim, Bodö Glimt, SC Freiburg und Borussia Mönchengladbach ist der Jahresendspurt durchaus knackig. Von diesen acht 2025 noch auszutragenden Spielen darf der BVB allerdings sechs im eigenen Stadion bestreiten.

Der Jahresendspurt ist für die Dortmunder Mannschaft, die Fans und ihren Trainer eine echte Standortbestimmung. Und sie beginnt mit einem Heimspiel gegen einen „Angstgegner“, gegen den die Borussia die vergangenen fünf Pflichtspiele verloren, gegen den aber auch eine der punktetechnisch erfolgreichsten Traineramtszeiten der Vereinsgeschichte vor neun Monaten begonnen hat.