Doppelt so viele Masernfälle in Europa wie 2023

Fast ein Drittel aller Masernfälle auf der Welt werden in der europäischen Region verzeichnet, zu der auch einige zentralasiatische Länder gezählt werden. Wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) mitteilen, wurden 2024 rund 127.530 Masernfälle in der europäischen Region gemeldet, das waren doppelt so viele wie 2023 und ist die höchste Infektionsrate seit 1997. Allein 2023 verpassten 500.000 Kinder in der Region ihre erste Masernimpfung (MCV1), die als Teil von Routineimpfungen verabreicht werden müsste.

Besonders viele Fälle unter den 53 Ländern, die zur europäischen Region gehören, wiesen Rumänien (30.692), Kasachstan (28.147), Russland (22.076), Aserbaidschan (16.690) und Kirgistan (14.408) auf. In Deutschland waren es 647 Masernfälle. Insgesamt kam es zu 38 Todesfällen wegen Masern, eine Zahl, die noch steigen könnte, wie UNICEF schreibt. Mehr als 40 Prozent der gemeldeten Fälle betrafen Kinder unter fünf Jahren. In mehr als der Hälfte der gemeldeten Fälle war ein Krankenhausaufenthalt erforderlich.

Seit 1997 (216.000) waren die Fallzahlen rückläufig und hatten 2016 mit 4440 Fällen einen Tiefststand in der europäischen Region erreicht. Bedingt vor allem durch den Rückgang der Impfquoten während der Corona-Pandemie, stiegen die Zahlen besonders 2023 und 2024 massiv an. „In vielen Ländern sind die Impfquoten noch nicht wieder auf das Niveau von vor der Pandemie zurückgekehrt, was die Gefahr von Ausbrüchen erhöht“, warnt UNICEF. 2023 wurden in Bosnien-Hercegovina, Montenegro, Nordmazedonien und Rumänien weniger als 80 Prozent der Kinder mit einer ersten Dosis (zwei Dosen sind eigentlich nötig) geimpft – zur Aufrechterhaltung der Herdenimmunität wäre eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent erforderlich.

Auch in Deutschland gibt es Impflücken

Laut einer Auswertung des Barmer-Arzneimittelreports 2024 ist die Zahl der Kinder, die in den ersten zwei Lebensjahren vollständig gegen Masern in Deutschland geimpft sind, kontinuierlich angestiegen – von 77,4 Prozent im Jahr 2016 auf 87 Prozent im Jahr 2020. Knapp 92 Prozent der sechsjährigen Kinder, die im Jahr 2016 geboren wurden, waren 2022 gegen Masern geimpft. Zwar trat am 1. März 2020 das Masernschutzgesetz in Kraft, das besagt, dass alle nach 1970 geborenen Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten oder dort betreut werden, und Personen, die in den genannten Einrichtungen und in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen tätig sind, den vollständigen Masernimpfschutz nachweisen müssen, doch gibt es weiterhin auch in Deutschland Impflücken.

Die Zahlen weichen je nach Bundesland stark ab. So waren 2022 in Sachsen nur 77,3 Prozent der im Jahr 2020 geborenen Zweijährigen gegen Masern geimpft, in Hamburg waren es 88,8 Prozent der gleichaltrigen Kinder. Damit lag der Stadtstaat genauso wie Berlin (88), Hessen (88,6), Niedersachsen, (88,5), Nordrhein-Westfalen (88,5), Rheinland-Pfalz (88,6), das Saarland (87,5), Sachsen-Anhalt (87,7) und Schleswig-Holstein (88,7) noch über dem Bundesdurchschnitt von 87 Prozent.

Schulpflicht bricht Impfpflicht

Nach Angaben des sächsischen Sozialministeriums ist die Masern-Impfrate inzwischen aber auch in Sachsen hoch und zuletzt auch gestiegen. Die Schuleingangsuntersuchungen hätten gezeigt, dass es zwar bei anderen Impfungen wie Polio, Tetanus und Keuchhusten Rückgänge gebe, die Rate bei Masern aber seit 2019 gestiegen sei. Für die erste Impfung lag sie zuletzt bei 99,2 Prozent, für die zweite Impfung bei 95,6 Prozent.

Grund dafür dürfte das Masernschutzgesetz sein, das allerdings nicht in allen Fällen greift. Kitas etwa können ungeimpften Kindern die Aufnahme verweigern. Schulen aber nicht. „Schulpflicht bricht Impfpflicht“, das heißt Schulen müssen auch ungeimpfte Kinder aufnehmen.

Masern zählen zu den heimtückischsten Infektionskrankheiten. Die vermeintliche Kinderkrankheit, die durch das Masernvirus übertragen wird, kann lebensbedrohlich verlaufen und sogar tödlich. Neben Krankheitssymptomen wie Fieber, Husten, Schnupfen und dem typischen Hautausschlag zählen Mittelohr- und Lungenentzündungen zu den möglichen Komplikationen. Eine besonders schwere Komplikation ist die Gehirnentzündung. Sie tritt bei etwa einem von 1000 Masernfällen auf, zehn bis 20 Prozent der Betroffenen sterben daran. Bei 20 bis 30 Prozent bleiben schwere Folgeschäden wie geistige Behinderungen oder Lähmungen zurück. Sehr selten ist die stets, wenn auch erst nach Jahren tödlich verlaufene subakute sklerosierende Panenzephalitis, bei der sich das Gehirn quasi auflöst. Da Säuglinge die ersten elf Lebensmonate ungeschützt sind, weil noch nicht geimpft, sind sie besonders gefährdet.