Donald Trumps Wahlsieg: eine moralische Tragödie

Der Mann, den das amerikanische Volk in dieser Woche mit klarer Mehrheit zu seinem neuen Präsidenten gewählt hat, ist verlogen, skrupellos, autoritär, ungehobelt, rachsüchtig, egoistisch, niederträchtig, hasserfüllt, selbstverliebt, zwielichtig, größenwahnsinnig, unbarmherzig, aufrührerisch, selbstverliebt, faul, unsensibel, prahlerisch, engstirnig, kindisch, misogyn, launisch, zusehends senil und ein verurteilter Straftäter. Eines aber muss man Donald Trump zweifelsfrei zugutehalten: Er ist unverstellt. Man kann in ihm lesen wie in einem offenen Buch.

Trumps Wähler indes rückt das noch mal in schlechteres Licht. Sie haben genau gewusst, was er für ein Typ ist. Gewählt haben sie ihn trotzdem.

Warum sie das getan haben, das haben uns beflissene politische Beobachter längst wieder im Detail erklärt. Wir haben gelesen, was die Demokraten alles falsch gemacht haben und Kamala Harris im Speziellen, dass sie die falschen Themen im falschen Tonfall und im falschen Kostüm angesprochen habe, und das mag ja alles sein. Ebenso haben sich manche Wähler vielleicht daran gestört, dass Joe Biden Tage vor der Wahl ein falsches Wort („Müll“) herausrutschte, wie schockierend. Wenn auch nicht so schockierend wie so vieles, was tagtäglich aus dem Munde Trumps kam, aber bei dem war’s wieder egal, er war halt Trump.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.



Ein Spiel jedoch, dessen Regeln nur für die eine Seite gelten, kann diese kaum gewinnen. Schon gar nicht gegen einen Gegner mit einem solchen Instinkt für Inszenierungen sowie mächtigen Verbündeten wie dem reichsten Mann der Welt, der einen bunten Social-Media-Marktplatz mal eben zur Bühne für eine neurechte Bewegung umbaute.

Moralisch verwerflich

Wir haben auch erfahren, welche Hoffnungen seine Wähler in Trump setzen: eine boomende Wirtschaft, das Ende der Inflation, mehr Geld in der eigenen Tasche. Alles sehr verständlich. Doch auch wenn hierzulande kaum etwas so verpönt ist wie Wählerbeschimpfung: Dass sie über diesen Sorgen darüber hinwegsahen, dass der Kandidat verlogen, skrupellos, autoritär, ungehobelt, rachsüchtig, egoistisch, niederträchtig, hasserfüllt, selbstverliebt, zwielichtig, größenwahnsinnig, unbarmherzig, aufrührerisch, selbstverliebt, faul, unsensibel, prahlerisch, engstirnig, kindisch, misogyn, launisch, zusehends senil und ein verurteilter Straftäter ist – das macht ihr Wahlverhalten moralisch verwerflich. Und zwar genauso verwerflich wie dasjenige der vielen AfD-Wähler, die – was kaum jemand je behauptet hat – natürlich nicht alle rechtsextrem sind und trotzdem ganz bewusst eine Partei stärken, die zumindest in Teilen rechtsextrem ist.

Nun hat es die Moral in diesen Zeiten schwer. Wenn von ihr in gesellschaftspolitischen Debatten die Rede ist, dann fast immer mit gerümpfter Nase: moralisierend. Moralinsauer. Moralkeule. Die Grünen tragen schwer am Stigma, die Menschen erziehen und bevormunden zu wollen. Vorhaben, die über den Tag oder zumindest über die Legislaturperiode hinausgehen, stehen unter Ideologieverdacht. Dabei ist Moral selbstverständlich ein dehnbarer Begriff: Was für die einen menschenfreundlich ist, etwa das Offenhalten der Grenzen für Schutzsuchende, ist es für andere gerade nicht, weil dies den inneren Frieden gefährde. Eine gängige Definition von Moral jedenfalls lautet, es handele sich um in einer Gesellschaft anerkannte Werte und Regeln. Wie aber erklärt man dann jungen Menschen das Maß an Anerkennung, das Trump und die AfD genießen?

Um mal wieder den alten Brecht zu bemühen: Vor der Moral, klar, kommt das Fressen. Und durch Wahlen hoffen nur die wenigsten die Welt zu verbessern, sondern allenfalls ihr eigenes Leben – und wenn das schon nicht besser wird, soll es zumindest unterhaltsamer werden. Trump wird es jetzt wieder knallen lassen, jeden Tag, und die Medien werden den Schall jedes Knalls auffangen und vielfach reproduzieren. Trumptrumptrump. Eines Tages wird es wieder stiller werden, doch Amerika und die Welt dürften dann deutlich anders aussehen.