Dobrindt verbietet Islamisten von „Muslim Interaktiv“


Mit „Muslim Interaktiv“ mussten sich schon viele Innenminister aus Bund und Ländern beschäftigen. Immer wieder sorgte der islamistische Verein mit großen Demonstrationen und der Verbreitung von Propaganda für Aufsehen. Doch obwohl der Verein ganz offensiv die Errichtung eines Kalifats und die Einführung des Islams als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell forderte sowie die Existenz des Staates Israel bestritt, wurde er lange nicht verboten. Das änderte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwoch.

Am Morgen teilte sein Haus mit, dass „Muslim Interaktiv“ nun verboten sei. Zudem wurden in Berlin und Hessen Objekte durchsucht, die im Zusammenhang mit den Vereinen „Generation Islam“ und „Realität Islam“ stehen. Die Ermittler vermuten, dass diese ähn­liche Ziele verfolgen wie „Muslim Interaktiv“.

Die drei Gruppen stehen der schon 2003 in Deutschland verbotenen Islamistenorganisation Hizb ut-Tahrir (HuT) nahe, deren Ziel die Errichtung eines is­lamischen Staats auf der Grundlage der Scharia und unter Führung eines Kalifen ist. Entsprechend sind Islam und Demokratie für HuT-Anhänger nicht vereinbar. Zudem ist die HuT strikt antisemitisch ausgerichtet. Entgegen der mehrheitlich von islamischen Gelehrten vertretenen Meinung gelten aber nicht nur Juden, sondern auch Christen als „Ungläubige“.

In Hamburg hatte die Gruppe „Muslim Interaktiv“ wiederholt große Demonstrationen veranstaltet, auf denen etwa die Einführung eines Kalifats gefordert wurde. Im April 2024 nahmen rund 1100 Personen an einer Kund­gebung unter dem Titel „So gehorche nicht den Lügnern“ teil. Gut drei Wochen später kamen 2300 Personen unter dem Motto „Demonstration gegen Zensur und Meinungsdiktat“ zusammen. Ein Verbot derartiger Versammlungen war nicht erfolgt, die oppositionelle CDU hatte dem Hamburger Senat deswegen Untätigkeit vorgeworfen. Doch die zuständige Innenbehörde hatte für ein Verbot keine rechtliche Grundlage gesehen. Wiederholt hatte sie in der Sache auf das Bundesinnenministerium verwiesen.

Erleichterung bei den Behörden

Entsprechend erleichtert zeigte sich nach der Entscheidung Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). Er sprach von einem „Schlag gegen den modernen Tiktok-Islamismus“. Mit dem Verbot hätten die Sicherheitsbehörden eine gefährliche und sehr aktive islamistische Gruppierung ausgeschaltet, so Grote. Der Schritt sei durch die jahrelange und intensive Ar­beit des Hamburger Verfassungsschutzes ermöglicht worden. Er sei eine „Botschaft an alle, die die Religion missbrauchen, um unsere demokratischen freiheitlichen Werte zu bekämpfen und insbesondere die muslimische Bevölkerung zu spalten“.

Torsten Voß, Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, sprach von starken Zeichen des Rechtsstaats gegen den Is­lamismus in Hamburg. Das Verbot schütze auch die Religion, denn es richte sich ausdrücklich nicht gegen Muslime, sondern gegen Verfassungsfeinde, die den Islam für ihre ideologischen Zwecke missbrauchten.

Bundesinnenminister Dobrindt sagte am Mittwoch: „Wer auf unseren Straßen aggressiv das Kalifat fordert, in unerträglicher Weise gegen den Staat Israel und Juden hetzt und die Rechte von Frauen und Minderheiten verachtet, dem begegnen wir mit aller rechtsstaatlicher Härte.“ „Muslim Interaktiv“ lehne das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ab, heißt es in der Verbotsbegründung seines Hauses.

In Nordrhein-Westfalen fanden am Mittwoch zwar keine Durchsuchungen statt – weder „Muslim Interaktiv“ noch „Realität Islam“ oder „Generation Islam“ haben dort nach Erkenntnissen des Landesverfassungsschutzes Strukturen oder Mitglieder. Ihre Propaganda spielte aber auch in NRW eine mitunter öffentlich wahrnehmbare Rolle. Der Höhepunkt war eine Demonstration am 3. November 2023 in Essen, an der „Generation Islam“ wesentlich beteiligt war. Bei der vorgeblich propalästinensischen Kundgebung von Islamisten, die unverblümt die Errichtung eines Kalifats forderten und mit Allahu-Akbar-Rufen durch die Essener Innenstadt zogen, nahmen 3000 nach Geschlecht getrennte Personen teil. Von Anhängern der Islamistengruppe HuT wurde das Kalifat als „die Lösung“ angepriesen.

Der Aufmarsch machte nach Einschätzung des Verfassungsschutzes deutlich, das die verbotene HuT anlassbezogen auch in NRW „ein erhebliches Personenpotenzial mobilisieren kann“. Nach der Demonstration hatte sich der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) an die damalige Bundesinnen­ministerin Nancy Faeser (SPD) gerichtet und vereinsrechtliche Maßnahmen gegen die drei nun ins Visier genommenen Organisationen gefordert.

Umso zufriedener zeigte sich Reul am Mittwoch: „Wer unseren Rechtsstaat abschaffen will, der bekommt ihn zu spüren.“ Vereinsverbote seien sinnvolle Instrumente, um extremistische Strukturen zu zerstören. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Ex­tremismus nicht von jetzt auf gleich wegzaubern lässt. Die kruden Ideen in den Köpfen bleiben.“