„Dobrindt bietet Afghanen Schweigegeld“ – Grünen-Chef verurteilt Geld-Angebot für Nichteinreise

Die Bundesregierung bietet Afghanen aus dem Aufnahmeprogramm Geld an, wenn sie auf ihre Einreise verzichten. Grünen-Chef Felix Banaszak kritisiert Innenminister Dobrindt. Der Anwalt einer betroffenen Familie hält das Vorgehen gar für „sittenwidrig“.

Grünen-Chef Felix Banaszak kritisiert das Angebot an Afghanen aus dem Aufnahmeprogramm, gegen Geld Pläne zur Einreise nach Deutschland aufzugeben. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) mache in alle Richtungen schmutzige Deals, sagte Banaszak.

„Erst hofiert er die terroristischen Taliban und adelt sie zu normalen Verhandlungspartnern auf dem internationalen Parkett. Und jetzt bietet Dobrindt den Afghaninnen und Afghanen, die unserem Land und unseren Truppen gegen genau diesen islamistischen Terrorismus unter Lebensgefahr geholfen haben, ein Schweigegeld statt Sicherheit und Freiheit“, so Banaszak.

Auch der Bremer Anwalt Farhad Bahlol, der rund zwei Dutzend auf die Ausreise wartende Afghanen vertritt, kritisierte das Angebot scharf. „Aus meiner Sicht ist es sittenwidrig“, sagte er dem RND. „Ich würde davon abraten, es anzunehmen.“

Hintergrund sind Schreiben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Namen der Bundesregierung, in denen Afghanen finanzielle und anderweitige Hilfe angeboten wird, wenn die Adressaten darauf verzichten, Pläne zur Einreise nach Deutschland weiterzuverfolgen. WELT hatte über die Schreiben am Dienstag berichtet.

„Es gibt Angebote im Rahmen eines freiwilligen Rückkehrprogramms nach Afghanistan oder die Ausreise in einen anderen Drittstaat“, sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. „Ziel ist es, den Personen eine Perspektive einzuräumen, die nicht mit einer Aufnahme in Deutschland rechnen können.“

Afghanische Familien harren in Islamabad aus

Viele aus Afghanistan geflohene Familien harren seit Monaten oder gar Jahren in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad aus. Die schwarz-rote Bundesregierung stoppte das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghanen im Mai.

Neben früheren Ortskräften deutscher Institutionen und ihren Angehörigen sollten auch Afghanen aufgenommen werden, die Verfolgung durch die islamistischen Taliban fürchten müssen, etwa weil sie sich in der Vergangenheit als Anwälte oder Journalistinnen für Menschenrechte eingesetzt haben.

„Diese Menschen haben lange Jahre für die Bundesregierung gearbeitet oder sich besonders für ein demokratisches Afghanistan eingesetzt und damit hohe Risiken auf sich genommen. Sie vertrauen darauf, dass die Aufnahmezusage der Bundesrepublik gilt“, bemängelte Banaszak. Nach quälenden Jahren des Wartens sollten Betroffene nun binnen 14 Tagen entscheiden, ob sie das Angebot annehmen. „Das ist zynisch und unmenschlich.“

Die Bundesregierung verhandelt mit den islamistischen Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan. Laut Dobrindt stehen die Gespräche kurz vor einem Abschluss. Die Kontakte zu den Taliban sind umstritten, denn offiziell unterhält die Bundesregierung keine diplomatischen Beziehungen zu den Islamisten, die seit August 2021 wieder in Afghanistan an der Macht sind.

Wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten sind die Taliban international isoliert. Seit ihrer Machtübernahme kam es mit Hilfe von Katar zweimal zu Abschiebungen von Afghanen aus Deutschland.

dpa/kami