DIW-Chef lehnt Bürgergeldreform ab – „Populistisches Ablenkungsmanöver“

Geplant sind deutlich strengere Regeln für Menschen, die die Sozialleistung bekommen – doch davon hält DIW-Chef Fratzscher nichts. Es gebe nur sehr wenig Menschen, die das System missbrauchten, argumentiert er. Ver.di-Chef Frank Werneke erwartet „mehr Schaden als Nutzen“.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, und ver.di-Chef Frank Werneke haben in Zeitungsinterviews die von der Bundesregierung geplante Reform des Bürgergeldes scharf kritisiert. Fratzscher nannte das Vorhaben in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ „ein populistisches Ablenkungsmanöver“.

Werneke erwartet, dass die Reform „mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen“ wird. „Und das alles nur, um am Ende die Lufthoheit über den Stammtischen zu behalten“, warf der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland der schwarz-roten Bundesregierung vor.

DIW-Chef Fratzscher bezweifelte, dass die Reform ihr Ziel, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, erreichen werde. Es gebe nur sehr wenige Bürgergeld-Bezieher, die das System missbrauchten, sagte der Wirtschaftsforscher mit Blick auf die vom Kabinett geplanten, schärferen Sanktionsmöglichkeiten. „Die meisten Bürgergeld-Empfänger haben jedoch keine Qualifikationen oder gesundheitliche Probleme“, erläuterte er. Dann jedoch helfe „auch die strengste Sanktion nicht dabei, sie in Arbeit zu bringen“. Es gehe der Bundesregierung darum, „vermeintlich Faule“ zu bestrafen, „damit der Rest der Bevölkerung sich besser fühlt“.

Gewerkschaftschef Werneke warnte davor, unverschuldet in Not geratene Menschen zu stigmatisieren. Das Reformvorhaben werde zulasten von Betroffenen, Beschäftigten in Jobcentern und Gerichten gehen, sagte Werneke voraus: In den Jobcentern würden „künftig noch mehr Konflikte ausgetragen“ und die Gerichte „viele Verschärfungen wieder kassieren“.

Das Bundesarbeitsministerium hatte am Freitag Details zur Reform des Bürgergelds ausformuliert. Geplant sind demnach deutlich strengere Regeln für Menschen, die die Sozialleistung bekommen. Das betrifft Sanktionsmöglichkeiten, aber auch Vorgaben zu Wohnkosten und Vermögen. Zudem heißt das Bürgergeld künftig Grundsicherung.

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