
Als sich auf dem Weg zur Bundestagswahl abzeichnete, dass die CDU gute Aussichten haben würde, unter der Führung von Friedrich Merz ins Kanzleramt zurückzukehren, weckte sie enorme Erwartungen. Es wirkte so, als werde man schon bis zur parlamentarischen Sommerpause das Land umkrempeln, zumindest aber große Schritte in diese Richtung gehen. Vor allem die Lage der Wirtschaft sollte sich schnell verbessern.
So sehr standen Merz und seine engsten Mitstreiter rhetorisch auf dem Gaspedal, dass man den Eindruck erweckte, man könne sich im Namen der Rettung des Landes eine parlamentarische Sommerpause in der üblichen Länge von zwei Monaten gar nicht leisten.
Und nun? Am Freitag fand die letzte Bundestagssitzung für die nächsten zwei Monate statt. Eine Sondersitzung, die sonst bisweilen wie eine Gewitterwolke über den nicht in der Hauptstadt weilenden Abgeordneten hängt, zeichnet sich zumindest bisher nicht ab. Deutschland muss nach zwei Monaten Merz nun erst mal zwei Monate auf die nächsten Gesetze warten.
Zurückweisungen an der Grenze
Vielleicht ist das sogar eine Pause, die dem Land und dem politischen Spitzenpersonal nach einer vorgezogenen Wahl, einem Winterwahlkampf und der weitgehend geräuschlosen Regierungsbildung guttut. Inhaltlich ist die Bilanz gemischt. Auf der internationalen Bühne hat Merz schnell Statur gewonnen, hat Berlin als europäische Führungsmacht wieder sichtbar gemacht und ein im Rahmen des Möglichen ordentliches Verhältnis zum amerikanischen Präsidenten Trump entwickelt.
In der Migrationspolitik wurde der bereits unter seinem Vorgänger Scholz eingeleitete restriktivere Kurs noch einmal deutlich verschärft. Die Probleme sind nicht gelöst, werden aber noch klarer als bisher benannt. Zurückweisungen an der Grenze werden immerhin nicht mehr als Teufelswerk angesehen, wenngleich sie, wie zu erwarten war, keine Wunder bewirken.
Reform des Bürgergelds
Zurückhaltender zu bewerten ist das, was der immer etwas übertrieben als Mann der Wirtschaft bezeichnete Ex-Aufsichtsrat Merz auf wirtschaftlichem Feld hinbekommen hat. Erste Unternehmensteuersenkungen sind auf den Weg gebracht, das Versprechen zur Strompreissenkung wenigstens zu drei Vierteln erfüllt. Auf der Negativseite steht allerdings eine Billion potentieller Schulden, die das glatte Gegenteil dessen sind, was Merz und seine Mitkämpfer versprochen hatten.
Die im Wahlkampf angekündigte Reform des Bürgergelds, mit der Merz vor seiner Schulden-Wende einen wesentlichen Teil der fehlenden Milliarden hatte aufbringen wollen, zeichnet sich nicht einmal schemenhaft ab. Sie liegt noch dazu in den Händen der zur SPD-Linken gehörenden Ministerin Bärbel Bas, die auf dem Parteitag mit einem furiosen Ergebnis zur neuen Vorsitzenden und damit auch zur starken Frau im Umgang mit dem Koalitionspartner gewählt worden ist.
Die Genossen an der Spitze stehen fest zu Merz und zur Koalition. Das gilt für den SPD-Vorsitzenden Klingbeil, Verteidigungsminister Pistorius und auch den Fraktionsvorsitzenden Miersch. Doch schon eine Ebene darunter finden sich merkwürdige Verhaltensmuster. Dass der neue und junge SPD-Generalsekretär Klüssendorf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Maskenbeschaffung durch den einstigen Gesundheitsminister und heutigen Vorsitzenden der Unionsfraktion, Jens Spahn, nicht ausschließt, kommt in der Union gar nicht gut an.
Zwar hält die Fraktion noch an der Linie fest, die Nachbereitung der Pandemie einer Enquetekommission zu überlassen. Aber das Spiel mit dem Untersuchungsausschuss ist zumindest eine Drohkulisse. Auf dem Presseverteiler der Fraktion werden kritische Kommentare zu Spahn verbreitet, als säße man nicht im selben Boot.
Gut möglich, dass manche Sozialdemokraten die Maskendebatte nutzen, um ihre grundsätzlich kritische Haltung zu Spahn zum Ausdruck kommen zu lassen. Befeuert werden sie durch die Grünen, die nach dem frühen Ende der Ampel und der Flucht ihrer einstigen Stars Baerbock und Habeck ihre Orientierungslosigkeit und Wut offenbar an Spahn auslassen wollen.
Wäre die geplante Wahl von drei Richtern für das Bundesverfassungsgericht am Freitag einigermaßen reibungslos über die Bühne gegangen, hätte Spahn sich mit ein paar Maskenschrammen in die Sommerpause retten können. Doch so sind es mehr als Schrammen.