Die Serie „Happy Face“ erzählt von der Tochter eines Mörders

Knifflige Sache: Wer von real existierenden Serienmördern erzählt, Tätern wie Jeffrey Dahmer, der seit 2022 den Gruselfaktor von Netflix erhöht und eine Diskussion über die Retraumatisierung von Opferfamilien auslöste, rückt sie unweigerlich ins Scheinwerferlicht. „Happy Face“, ein Drama von Robert und Michelle King („The Good Wife“) mit Jennifer Cacicio als Showrunnerin, versucht sich an einer eher ungewöhnlichen Sicht auf den Täter. Es handelt sich um einen Mehrfachmörder, einen Fernfahrer, der in den Neunzigern mindestens acht Frauen getötet hat. Keith Jesperson heißt er, auf ewig verwahrt in einem Gefängnis in Oregon. Die Serie erzählte die Geschichte, nach einem wahren Fall, in ihren acht Folgen allerdings aus der Warte seiner Tochter. Sie war ein Teenager, als ihr Vater verhaftet wurde, kämpft bis heute gegen den Schock und hat sich 2018 in einem True-Crime-Podcast mit ihren Erfahrungen auseinandergesetzt.

Es geht also um ihre Psyche, nicht seine. Ein Anflug von Medienkritik ist eingepreist: Tochter Mel (Annaleigh Ashford aus „Masters of Sex“) arbeitet zu Beginn der Geschichte nämlich für eine Fernseh-Sendung, die „Dr. Greg Show“. Deren Moderator (David Harewood aus „Homeland“) hat es dank einer Stimme, der Menschen vertrauen, zu Wohlstand gebracht. Er lebt in einer Villa, zu der ein chromglänzender Fuhrpark gehört, lässt bei Bedarf Netzwerker aus der Verlagswelt zum Dinner einfliegen. Er kann vor Neugier kaum atmen, als sich herausstellt, dass seine Maskenbildnerin Mel die Tochter eines Serienmörders ist. Ihr gut gehütetes Geheimnis erreichte ihren Boss, indem der „Happy Face Killer“ sich aus dem Gefängnis an Greg wandte. Er bot ein Interview an, das allerdings von Mel geführt werden müsse. Also macht sich Mel mit der überaus sachlichen Producerin Ivy (Tamera Tomakili) auf den Weg. Alles an ihr sagt: Sie will das nicht. Den Vater ist aus ihrem Leben verbannt, nicht mal den Kindern hat sie von ihm erzählt.

Sie kann das Gespräch nicht verweigern

Der „Happy Face Killer“ – mit großer Kassenbrille gespielt von Dennis Quaid, der sich die Mimik bei Psychopathen leiht, wie sie von Nicholson und Hopkins gespielt wurden – hat allerdings einen Köder. Verurteilt wurde er einst für Morde an acht Frauen. Vor der Kamera will er einen neunten Mord gestehen. Mel kann das Gespräch nicht verweigern. Sie glaubt es der Familie der Frau zu schulden – und einem Schwarzen, der womöglich zu Unrecht für den Mord hingerichtet werden soll.

Das ist die Ausgangslage, aus der die Handlung für kurze Sequenzen in die Vergangenheit springt. Der Besuch im Gefängnis wächst sich zur Recherchereise von Ivy, Mel und einem Kameramann aus. Nebenher muss Mel ihren Kindern beibringen, dass Opa doch nicht tot ist – und bitte auch nicht Opa genannt werden sollte. Wir sehen, wie Mel zur öffentlichen Person wird, und wie wiederum ihre Tochter Hazel (Khiyla Aynne) darunter leidet.

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Mit der echten Melissa scheint „Happy Face“ wenig zu tun zu haben – aus Spannungsgründen und vielleicht zur juristischen Absicherung. Auch sie erlebte als Jugendliche die Verhaftung ihres Vaters. Auch sie trat 2008 im Fernsehen auf, in der „Dr. Phil Show“. Ein Jahr später erschien ihr Buch „Shattered Silence“, 2018 der erfolgreiche Podcast – und auch die echte Person hat – es wird etwas dauern, bis „Happy Face“ an diesem Punkt ist – ihre persönliche Erfahrung in die Dienste der Krimibranche gestellt. Über viele Jahre hinweg war sie etwa „Crime Correspondent“ der „Dr. Oz Show“. Mitproduzentin der Paramount-Serie ist sie selbstverständlich auch.

Erzählt wird dicht, ohne Darstellung der Gewalt und ausgesprochen berührend. Zu Lautenklängen, Songs von den „Cranberries“ etwa, spürt die Serie den Auswirkungen der Verbrechen auf die Familien von Täter und Opfern nach. Angeschlagen werden leise Töne, wie in dem Gespräch mit Mels Bruder, der nicht interviewt werden will, sondern umarmt. Sicher, es gibt auch Aufwühlendes: der Sohn eines Opfers steht eines Tages vor Mels Haus und schlägt den Kopf an die Fensterscheibe.

Ein Trauma-Drama – der „Hollywood Reporter“ hat es als „bittere Mischung aus Scheinheiligkeit und Heuchelei“ zerrissen, verärgert über die Vermischung von Fakten und Fakes. Valider Punkt.

Dennoch bietet die Serie, was viele Fans von True-Crime Formaten vor allem ­suchen: Gänsehaut-Unterhaltung. Und nachdem das Genre vor allem bei Frauen beliebt sein soll, versucht „Happy Face“ bei ihnen mit dem besonderen Blickwinkel zu punkten. Unter die Haut gehen aber fraglos die Zwiegespräche zwischen Vater und Tochter. Immer noch ist in ihnen die gegenseitige Liebe aus den Kindheitsjahren zu spüren – auch wenn Mel verzweifelt dagegen ankämpft. „Jedes Mal, wenn eine Frau ihren letzten Atemzug machte, bekamst du ein Geschenk“, sagt der Vater. Allein sie habe ihn aus der Dunkelheit gezogen. Die Tochter am anderen Ende des Tisches bricht unter solchen Sätzen beinahe zusammen.

War Jespersons Behauptung, ein neuntes Opfer getötet zu haben, also nur ein Trick, der ihm Zeit mit der Tochter gibt, oder nur ein Weg, der ihn zurück in die Schlagzeilen bringt? Die Öffentlichkeit suchte der echte „Happy Face Killer“ jedenfalls schon in den Neunzigern, als er Bekennerschreiben an Zeitungen schickte, signiert mit Smiley. Auch sonst buhlte er um Aufmerksamkeit: mit Fanartikeln zum Beispiel, die ihren Weg aus dem Gefängnis bis in obskure Mördermuseen fanden.

Happy Face ist auf Paramount+ zu sehen.